Kiel/Hamburg. Er stehe für eine weitere Amtsperiode nicht zur Verfügung. Torsten Albig geht in der Erklärung auch auf Vorwürfe zum Privatleben ein.
Nach der Schlappe bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein hat Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) am Dienstag seinen Rücktritt angekündigt. Damit zieht er die Konsequenzen aus der Wahl, die ein Weiterarbeiten seiner "Küsten-Koalition" mit den Grünen und dem SSW unmöglich macht.
Er stehe für eine weitere Amtsperiode für diesen Posten nicht zur Verfügung, erklärte Albig in einer schriftlichen Erklärung. Damit macht Albig wahr, was das Hamburger Abendblatt in der vergangenen Woche bereits angekündigt hatte.
Albig zieht sich auch aus dem Landtag zurück
"So, wie ich es meiner Partei schon unmittelbar nach der Wahl mitgeteilt habe, darf eine künftige Regierungsbildung zwischen progressiven Parteien in Schleswig-Holstein nicht an der Frage scheitern, wer diese Regierung führt", schreibt Albig. "Da ich wie kein anderer für die Arbeit der Küstenkoalition in den letzten fünf Jahren stehe, diese Koalition durch die Wählerinnen und Wähler aber für die Fortsetzung ihrer Arbeit kein erneutes Mandat erhalten hat, habe ich entschieden, dass meine Arbeit als Mitglied einer Landesregierung in jedem Fall mit der Neuwahl einer Ministerpräsidentin oder eines Ministerpräsidenten endet. Bis dahin erfülle ich entsprechend der Verfassung unseres Landes meine Pflicht als gewählter Ministerpräsident."
Albig will auch künftig nicht mehr dem Landtag angehören. "Um auch jedweder weiteren substanzlosen aber dennoch für mich und mein persönliches Umfeld ehrverletzenden Unterstellung der Vermischung öffentlicher und privater Interessen den Boden zu entziehen, werde ich auch nicht dem künftigen schleswig-holsteinischen Landtag angehören", schreibt der amtierende Ministerpräsident.
Stegner: "Er hat Maßstäbe für sein Land gesetzt"
SPD-Landeschef Ralf Stegner sprach Albig Respekt für die Entscheidung aus: "Die heutige Erklärung von Ministerpräsident Torsten Albig hat die SPD mit großem Respekt und Dank für seine Leistung als Ministerpräsident unseres Landes aufgenommen", so Stegner. " Torsten Albig war Regierungschef der Küstenkoalition und leider ist es der SPD Schleswig-Holstein am 7. Mai nicht gelungen, eine neue Mehrheit für diese Koalition zu gewinnen. Gleichwohl ist es dem Ministerpräsidenten gelungen, über den Tag hinaus Maßstäbe für sein Land zu setzen."
Es bleibe sein Verdienst, mit der Regierungsbeteiligung des SSW zum ersten Mal in Europa eine Partei einer nationalen Minderheit an einer Regierung beteiligt zu haben. In Zeiten zunehmendem Nationalismus in Europa habe die Küstenkoalition damit ein Zeichen gegen gesellschaftliche Ausgrenzung, Rassismus und der wachsenden Bedrohung von Minderheitenrechten in Europa gesetzt. " Ich persönlich kann auf über fünf Jahre enger und sehr vertrauensvoller Zusammenarbeit mit Torsten Albig zurückblicken und bin ihm für diese Zeit außerordentlich dankbar."
Habeck: "Albig hält ein letztes Mal den Kopf hin"
CDU-Landeschef Daniel Günther begrüßte die Erklärung Albigs: „Es ist ein längst überfälliger Schritt. Torsten Albig hat - anders als Hannelore Kraft - den Zeitpunkt eines würdevollen Abgangs verpasst.“
Umweltminister Robert Habeck (Grüne) postete via Facebook: "Torsten Albig hält ein letztes Mal den Kopf hin. Für ein Wahlergebnis, das er nicht allein zu verantworten hat. Schade, traurig und meinen Respekt. Die allermeisten Schleswig-Holsteiner leben zufrieden und glücklich. Und jenseits der Berufspolitik. Mach es gut.“
Für die FDP kommt nur ein "Jamaika"-Bündnis in Frage
Die Hoffnung der SPD, mit einem Rückzug Albigs den Weg zu ebnen für eine „Ampel“-Koalition von SPD, Grünen und FDP ist aber bereits geplatzt. FDP-Landtagsfraktionschef Wolfgang Kubicki sagte etwa eine gute halbe Stunde vor Albigs Erklärung, dass für die Liberalen jetzt nur noch ein „Jamaika“-Bündnis in Frage komme.
Kubicki zeigte sich verärgert über das Verhalten von SPD-Landeschef Ralf Stegner, der in Berlin gegenüber Genossen bereits gesagt haben solle, er sei sicher, die „Ampel“ zustande zu bringen - und das obwohl noch nichts geschehen sei. Nach der Landtagswahl hatte Kubicki zunächst lediglich eine „Ampel“ mit Albig strikt ausgeschlossen. Daraufhin hatten sich auch die Grünen von Albig abgesetzt.
Stegner hofft weiter auf eine "Ampel-Koalition"
Stegner wehrte sich indes gegen Kubickis Darstellung. „Die mir zugeschriebenen „überlieferten Aussagen" über ein „Ampel"-Bündnis im Parteivorstand sind frei erfunden“, sagte er. Die SPD betrachte die anderen Parteien, „mit denen wir in ernsthafte Gespräche eintreten wollen, selbstverständlich mit dem erforderlichen Respekt“.
Stegner hofft auch nach der FDP-Absage weiter auf eine „Ampel“-Koalition im Norden. „Eine „Ampel" scheitert, wenn sie scheitert, nicht an der SPD“, sagte Landeschef Ralf Stegner am Dienstagabend nach einer Sitzung des SPD-Landesvorstands in Kiel. Einstimmig habe dieser beschlossen, Grünen und FDP entsprechende Einladungen zu machen. „Wird das Gesprächsangebot angenommen, dann können solche Gespräche zu jeder Zeit in den nächsten Tagen stattfinden - wir sind da zu jedweder Terminvereinbarung bereit.“
Nach der Absage der FDP für eine „Ampel“ kommen als neue Regierungskonstellation rein rechnerisch nur noch ein „Jamaika“-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP oder eine Große Koalition von CDU und SPD in Frage.
Am Montag hatten FDP und Grüne Sondierungsgespräche zur Bildung einer neuen Landesregierung aufgenommen. Am Dienstag kamen zunächst Spitzenvertreter von CDU und Grünen zusammen. Danach wollte die CDU mit Wahlsieger Daniel Günther mit der FDP sprechen.
SPD-Nordfriesland forderte den Rücktritt Albigs und Stegners
Zuvor hatte die SPD-Nordfriesland den Rücktritt von Ministerpräsident Torsten Albig und SPD-Landeschef Ralf Stegner gefordert. „Nach der dramatischen Wahlniederlage ist beides notwendig, damit wir zu einem glaubhaften Neuanfang kommen können“, sagte der SPD-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Matthias Ilgen am Montag. „Das Kleben an Ämtern ist nicht angebracht.“ Ilgen verwies darauf, dass NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft nach ihrer Wahlniederlage am Sonntag umgehend ihre SPD-Ämter niedergelegt hatte. Zuvor hatte das „Flensburger Tageblatt“ berichtet.