Kiel. Vier Parteienverhandeln jetzt im nördlichen Bundesland, wer künftig die Regierung stellt. Wer pokert am erfolgreichsten?
Das Kieler Regierungsviertel wird in diesen Tagen zum Sondierungsviertel. Gut eine Woche nach der Landtagswahl beginnen in Schleswig-Holstein Gespräche, an deren Ende eine Koalition stehen soll. Vier Parteien sind beteiligt: CDU, SPD, Grüne und FDP. Absehbar ist schon jetzt: Es wird lange dauern – und es könnte turbulent werden. Unter anderem sehen sich der SPD-Landeschef Ralf Stegner und der Noch-Ministerpräsident Torsten Albig Rücktrittsforderungen aus den eigenen Reihen ausgesetzt.
Die Ausgangslage
Die CDU ist bei der Wahl am 7. Mai stärkste Fraktion geworden (25 Sitze). Der neue Landtag hat 73 Abgeordnete. Zur Mehrheit (37 Sitze) reicht es für die Christdemokraten nur, wenn Grüne (zehn Sitze) und FDP (neun) mitmachen. Dies wäre die Jamaika-Koalition. Eine Mehrheit gäbe es auch für eine Ampelkoalition aus SPD (21), Grünen und FDP. Dritte Möglichkeit: eine Große Koalition aus CDU und SPD. Die AfD (fünf Sitze) spielt in diesen Überlegungen keine Rolle, mit ihr will niemand koalieren. Der SSW (drei) hat sich selbst aus den Koalitionsgesprächen genommen.
Das Vorspiel
Es wurde von zwei Altvorderen der Parteien gespielt – und war durchaus unterhaltsam. Björn Engholm (SPD), der ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsident, schlug vor, Robert Habeck von den Grünen zum Ministerpräsidenten einer Ampel zu machen – um dann einzuräumen, dass weder SPD noch FDP das ertragen würden. Ole von Beust (CDU), ehedem Bürgermeister in Hamburg, gab bekannt, er halte eine Ampelkoalition für unmöglich. „Wer so vergeigt hat, muss in die Opposition“, urteilte er über die SPD. Das war ein schöner Fall von Erinnerungslücke. Denn Ole von Beust hatte die Bürgerschaftswahl 2001 durchaus stärker „vergeigt“ – die CDU verlor 4,5 Prozentpunkte und landete nur noch bei 26,2 Prozent. Dennoch zimmerte sich Beust hinterher eine Koalition aus Schill-Partei und FDP zurecht.
CDU: Entschlossenheit verbergen
Daniel Günther scheint wild entschlossen, eine Jamaika-Koalition zu bilden und Ministerpräsident zu werden. Erster Schritt müsste deshalb sein, diese wilde Entschlossenheit zu verbergen. Sonst könnten die beiden selbstbewussten Partner Monika Heinold (Grüne) und Wolfgang Kubicki (FDP) den Preis in die Höhe treiben. Und jeden Preis wäre selbst eine CDU, die derzeit ihrem Spitzenkandidaten und Landesvorsitzenden Günther zu Füßen liegt, nicht zu zahlen bereit. Günther dürfte also immer dann, wenn es bei den Jamaika-Verhandlungen schwierig wird, darauf hinweisen, dass auch eine Große Koalition mit der SPD möglich sei.
SPD: Schwäche kaschieren
Die Sozialdemokraten können aus eigener Kraft nicht mehr den Abstieg in die Opposition verhindern. Sie müssen darauf hoffen, dass es bei Jamaika rumpelt. Dann könnten sie zum Zuge kommen. Doch dazu fehlt den Sozialdemokraten noch einiges. Zum Beispiel ein Kandidat. Wer soll eine Ampelkoalition führen? Die FDP lehnt Noch-Ministerpräsidenten Torsten Albig ab, aber einen Ersatz hat die SPD nicht benannt. Die Partei hat noch nicht einmal entschieden, mit welchem Personal sie in etwaige Sondierungsgespräche geht. Dies soll erst heute geschehen. Prognose: Albig wird nicht dabei sein. Der Parteichef Ralf Stegner hingegen wohl schon. Trotz einer Rücktrittsforderung aus dem (kleinen) SPD-Kreisverband Nordfriesland: Stegner und Albig müssten ihre Posten aufgeben, um zu einem „glaubhaften Neuanfang“ zu kommen, sagte der Kreis-Chef und Bundestagsabgeordnete Matthias Ilgen.
Grüne: Ampel hilft bei Jamaika
Die Grünen um Robert Habeck und Monika Heinold stecken in einer Zwickmühle. Den Parteimitgliedern dürfte eine Koalition mit CDU und FDP schwer zu vermitteln sein. Dennoch ist sie die wahrscheinlichere Variante. Deshalb kommt es nun auf die Verhandlungen an. Um dort viel zu erreichen, könnten die Grünen öffentlich mit dem Gang in die Opposition kokettieren – oder mit der Ampel. Robert Habeck sagte am Montag: „Die SPD muss zügig ein Angebot an FDP und Grüne machen, das ein Ampelbündnis ermöglicht.“
FDP: Ohne Plan B geht es nicht
Die Liberalen wären sowohl in einer Jamaika- als auch in einer Ampelkoalition der kleinste Partner. Außerdem haben sie, traut man den Worten von Wolfgang Kubicki, nur eine Machtoption: Jamaika. Das ist eine denkbar schlechte Verhandlungsposition. Kubicki hat das bisher geschickt vergessen gemacht. Er redet seine Partei stark, fordert unverblümt den Rückzug von Torsten Albig und behauptet, eine Jamaika-Koalition wäre für alle das Beste. Ob das trägt? Kubicki wäre nicht Kubicki, hätte er keinen Plan B. Der lautet: Ampel.
Die Sondierungsphase
Am Montagabend trafen sich Grüne und FDP zu einem ersten Sondierungsgespräch. Heute spricht die CDU erst mit den Grünen, dann mit der FDP. Am Mittwoch treffen dann erstmals alle Jamaika-Partner zeitgleich aufeinander.