Kiel/Hamburg. Kieler Koalition setzt milliardenschweres Rettungspaket für HSH Nordbank trotz schwerer Bedenken der Opposition durch.

Die HSH Nordbank kriegt ihre Gnadenfrist: Nach der Bürgerschaft in Hamburg hat an diesem Freitag auch der Landtag von Schleswig-Holstein dem 16,2 Milliarden Euro schweren Hilfspaket zugestimmt. Die mit nur einer Stimme Mehrheit regierende Koalition aus SPD, Grünen und SSW schuf damit die Voraussetzung dafür, dass die beiden Bundesländer als Hauptanteilseigener der Bank faule Kredite über bis zu 6,2 Milliarden Euro ankaufen können. Hinzu kommen die bereits bestehenden Kreditermächtigungen über zehn Milliarden Euro über eine zweite Anstalt öffentlichen Rechts (AöR).

Die EU hat zur Auflage gemacht, dass die HSH Nordbank mit knapp 2500 Mitarbeitern bis 2018 privatisiert oder, wenn das nicht gelingt, andernfalls dann abgewickelt wird. Der Zeitdruck bei der Entscheidung war ein Grund dafür, dass CDU, FDP und fast alle Abgeordneten der Piratenfraktion im Landtag in Kiel gegen das von der grünen Finanzministerin Monika Heinold eingebrachte Gesetz stimmten. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki stieß sich an 6,2 Milliarden Euro für den Aufkauf notleidender Schiffskredite. Aus seiner Sicht ist unklar, ob nicht eine sofortige Abwicklung der Bank am Ende günstiger wäre: „Risiko-Ausschluss ist für mich wichtiger als das Prinzip Hoffnung.“

Die CDU hielt der Landesregierung vor, sie wolle unnötig hohe Kreditermächtigungen beschließen, um die Kosten samt Schulden in einem Schattenhaushalt verstecken zu können. CDU-Fraktionschef Daniel Günther wandte sich an die Finanzministerin: „Einen Blankoscheck werden wir Ihnen nicht ausstellen.“ Die Sprecher von SPD, Grünen und SSW stellten sich dagegen ausdrücklich hinter die Pläne der Ministerin. Aber die Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben sagte auch: „Das ist eine Entscheidung mit unglaublich vielen Unbekannten, unzähligen Abhängigkeiten und Unabsehbarkeiten.“

Tatsächlich gilt als völlig offen, ob die Bank in zwei bis drei Jahren überhaupt einen Käufer findet. Allerdings schreibt sie aktuell schwarze Zahlen, ihr Vorstandsvorsitzender Constantin von Oesterreich glaubt: „Die Bank ist lebensfähig, wenn sie bereinigt ist.“ Mit bereinigt meint er eben jene Übernahme von faulen Schiffskrediten, die nun durch das Votum des Landtages in Kiel gesichert ist. Die dafür zu gründende neue Anstalt „hsh portfoliomanagement AöR“ wird in Kiel angesiedelt. Derzeit entfallen auf die Landeshauptstadt nur 42 Prozent der knapp 2500 Stellen.

Es drohen bis zu 8,1 Milliarden Euro zusätzliche Schulden

Dem Land Schleswig-Holstein drohen mittelfristig bei Inanspruchnahme der Kreditermächtigungen bis zu 8,1 Milliarden Euro zusätzliche Schulden. Das Risiko ist in der gegenwärtigen Situation an den Finanzmärkten noch kalkulierbar, weil die Kreditzinsen Richtung null tendieren. Sollte aber die Europäische Zentralbank (EZB) irgendwann der US-Notenbank folgen, die gerade den Leitzins erstmals nach Jahren angehoben hat, wird es teuer für das ohnehin rekordverdächtig hoch verschuldete nördlichste Bundesland.

Wie prekär die Lage ohnehin ist, hat Schleswig-Holsteins Finanzministerin Heinold beschrieben. Sie nennt bereits den in dieser Woche vom Landtag verabschiedeten Haushalt 2016 mit einem Ausgabenvolumen von über elf Milliarden Euro „die größte finanzpolitische Herausforderung seit Jahrzehnten“. Schleswig-Holstein erhält als Haushaltskonsolidierungsland jährlich einen Zuschuss von 80 Millionen Euro des Bundes, hat sich im Gegenzug aber auch verpflichtet, das strukturelle Defizit in genau festgelegten Stufen jährlich zu reduzieren, um im Jahr 2020 die Schuldenbremse zu schaffen, also keine neuen Schulden mehr aufzunehmen.

Im kommenden Jahr wird das Land laut Etat neue Schulden in Höhe von 272 Millionen Euro machen. Das sind nur 39 Millionen Euro weniger als die mit dem Bund vereinbarte Obergrenze. Die Einhaltung der Grenze aber gelingt im kommenden Jahr nur mit Hilfe eines Rechentricks: Bislang hat Schleswig-Holstein das strukturelle Defizit auf der Basis eigener Methoden errechnet, jetzt wendet die Ministerin die weniger strengen Regeln des Bundes an und kommt nur noch auf ein Defizit von 488 Millionen Euro.

Gefährdet wird die Haushaltskonsolidierung auch durch die komplette Abwendung vom Ansatz, das strukturelle Defizit durch einen kontinuierlichen Stellenabbau zu reduzieren. 2016 sind viele zusätzliche Stellen geplant, quer durch alle Bereiche vom Landesamt für Ausländerangelegenheiten, bei der Polizei, an den Schulen und im Justizbereich. Die Ministerin rechtfertigt diese Kursänderung von Anfang Dezember mit der Herausforderung durch den anhaltenden Flüchtlingszustrom: „Über 1000 Stellen allein mit der Nachschiebeliste sind das Gegenteil unserer bisherigen Politik des Personalabbaus. Aber wenn wir es, wie die Bundeskanzlerin sagt, schaffen wollen, müssen wir uns dazu auch personell aufstellen.“

Glück für die Finanzministerin: Selbst wenn das Land wegen der HSH Nordbank Milliardensummen aufnehmen muss, wird das nicht auf das strukturelle Defizit angerechnet und gefährdet also auch nicht die Hilfszahlung des Bundes.