Kiel. Experten beraten, wie hunderttausende Tonnen Material beim Abriss der Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel entsorgt werden können.

Grüne Wiese statt Atommeiler - vielleicht in einem Vierteljahrhundert oder auch später wird das in Brunsbüttel oder Krümmel so sein. Für die abgeschalteten Kraftwerke laufen die Rückbauanträge von Betreiber Vattenfall. An beiden Standorten werden außer Atomabfall einige hunderttausend Tonnen Müll anfallen, der nicht radioaktiv belastet ist. Über den Umgang damit beriet Umwelt- und Energieminister Robert Habeck am Montag in Kiel mit Vertretern von Entsorgungswirtschaft, Umweltverbänden, Landtagsfraktionen, Kommunen und Kraftwerksbetreibern. Als Ziel nannte Habeck einen Entsorgungspakt.

Habeck fürchtet Protest der Bevölkerung

Es war die erste Runde dieser Art. Im Fall Brunsbüttel wird mit etwa 300.000 Tonnen Material gerechnet. 98 Prozent davon - Stahl, Beton, Lampen, Waschbecken, Treppengeländer und vieles mehr - sind nach Ministeriumsangaben nicht radioaktiv belastet. Das Allermeiste davon könne recycelt und zum Beispiel im Straßenbau verwendet werden. Nur ein kleiner Teil müsse auf Deponien. Dort könnte es in der Bevölkerung Akzeptanzprobleme geben - auch deshalb will Habeck möglichst früh mit allen Beteiligten darüber reden.

Schätzungsweise 15.000 Tonnen Material je Kraftwerk müssen über mehrere Jahre hinweg auf Deponien gebracht werden, wo sie schnell verbaut werden sollen. Zum Vergleich: Die Deponien im Land nehmen jährlich insgesamt etwa eine Million Tonnen Abfall auf. Für den Müll aus den Atomkraftwerken kommen laut Ministerium etwa zehn Deponien im Land infrage, aber auch Anlagen außerhalb Schleswig-Holsteins. Über den Rückbauantrag für Brunsbüttel soll 2017 entschieden werden; im Fall Krümmel eventuell 2018. Mit dem Anfall größerer Müllmengen wird erst in den 20-er Jahren gerechnet. Ein kompletter Rückbau könnte 15 bis 20 Jahre dauern.

Naturschützer vermuten höhere Strahlenbelastung

Die erste Gesprächsrunde offenbarte auch Differenzen, zum Beispiel mit Naturschützern im Hinblick auf zulässige Strahlenbelastungen. Derzeit gelten für einen Menschen zehn Mikrosievert im Kalenderjahr als unbedenklich. „Da geht keine Gefahr für die Bevölkerung aus“, sagte der Leiter der Abteilung für Reaktorsicherheit. Dieser Wert liegt laut Bundesregierung weit unterhalb der Dosen durch natürliche radioaktive Strahlung und unterhalb der Strahlungspegel, die zeitweise im Alltag auftreten. So betrage die natürliche Strahlenbelastung in Deutschland durchschnittlich 2400 Mikrosievert pro Jahr, typische Werte einer Röntgenaufnahme schwanken zwischen 100 und 1000 Mikrosievert. Zehn Mikrosievert liegen auch deutlich niedriger als radioaktive Belastungen aus Nahrung oder Zigaretten.

Dennoch forderte der BUND, den Grenzwert auf ein Mikrosievert zu senken. Das Zehn-Mikrosievert-Konzept sei nach neueren medizinischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mehr haltbar. Der BUND verlangte auch, Material, das eine Ganzkörper-Dosis von einem bis zehn Mikrosievert verursachen könnte, auf dem jeweiligen Kraftwerksgelände in einem schon bestehenden Gebäude einzulagern. Dies lehnte Habeck ab. Er kündigte weitere Veranstaltungen an.