Kiel/Hamburg. Vattenfall hat Abriss des Atommeilers beantragt, der seit 2007 nicht mehr ans Netz gegangen ist. Rückbau könnte 2019 beginnen.
Der Betreiber Vattenfall will das Atomkraftwerk Krümmel bei Geesthacht stilllegen und abreißen. Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Robert Habeck (Grüne) begrüßte am Dienstag in Kiel den tags zuvor eingegangenen Antrag des Konzerns als wichtigen Schritt zum tatsächlichen Ende der Atomenergie in Schleswig-Holstein: „Damit ist auch klar, dass Vattenfall nicht heimlich doch auf einen Wiedereinstieg in die Atomkraft in Deutschland hofft.“
Allerdings versucht der Konzern auch weiterhin, vor einem internationalen Schiedsgericht Schadenersatz wegen der politischen Entscheidung zum Atomausstieg zu erhalten. Zu Habecks Optimismus passt zudem nicht, dass Vattenfall in seinem Antrag ausdrücklich feststellt, dieser beinhalte „keinen Verzicht auf bestehende Genehmigungen und deren Ausnutzung“. Und schriftlich wird in dem Antrag zudem festgestellt: „Wir behalten uns des Weiteren ausdrücklich vor, diesen Antrag zurückzuziehen bzw. eine erteilte Genehmigung nicht auszunutzen.“
Aktueller Stand aber ist: Von den ursprünglich drei Atomreaktoren im nördlichsten Bundesland wird künftig nur noch der vom Stromriesen E.on betriebene Meiler Brokdorf in Betrieb bleiben: bis Ende 2021.
Krümmel stand seit 2007 wegen diverser Pannen still
Diese Begrenzung ist Teil der Atomgesetznovelle, mit der Deutschland 2011 auf das Reaktorunglück von Fukushima reagierte und den Ausstieg aus der Atomenergie einleitete. Sowohl Krümmel als auch Brunsbüttel, beide mit dem Betreiber Vattenfall, gehörten zu den acht Atommeilern, die damals umgehend die Berechtigung zum Leistungsbetrieb verloren. Für die sieben anderen abgeschalteten Atommeiler gibt es bereits Anträge auf Rückbau.
Tatsächlich stand Krümmel – abgesehen von wenigen Tagen im Sommer 2007 – wie der Reaktor Brunsbüttel wegen diverser Pannen bereits seit Anfang 2007 still: Damals am 28. Juli war ein großer Transformator des Reaktors Krümmel in Brand geraten.
Vattenfall und der Energiekonzern E.on sind zu gleichen Teilen an Krümmel beteiligt. Vattenfall als Betreiber sicherte jetzt zu, nach dem Vorbild Brunsbüttels wolle man auch in diesem Fall die Öffentlichkeit „weit über gesetzliche Bestimmungen hinaus beteiligen“.
Der Konzern will sich nach eigenen Angaben beim mehrjährigen Genehmigungsverfahren für den Rückbau am bereits knapp zwei Jahre laufenden Verfahren für den Meiler Brunsbüttel orientieren. Mit dem raschen Rückbau wolle man zudem die Erfahrungen und die Fachkenntnis der Mitarbeiter optimal nutzen. In beiden Fällen handelt es sich um Siedewasserreaktoren. Besonders wichtig aus der Sicht von Minister Habeck ist, dass Vattenfall sich für die schnelle Variante entschieden hat, statt für den auch möglichen Weg des sogenannten sicheren Einschlusses für viele Jahrzehnte. Aber auch so rechnet die Behörde in Kiel ebenso wie das Unternehmen mit 15 bis 20 Jahren, ehe am Standort die oft zitierte „grüne Wiese“ Realität wird. Der eigentliche Rückbau, so lautet die Prognose, könnte 2019 beginnen.
Errichtung von Endlager wohl frühestens in 30 Jahren
Unabhängig davon ist völlig offen, wie lange die abgebrannten hoch radioaktiven Brennelemente im Zwischenlager am Standort bleiben werden. Mit der Errichtung eines Endlagers für diese besonders gefährlichen Abfälle ist nach Experteneinschätzung frühestens in 30 Jahren zu rechnen. Und bis zur Fertigstellung des Endlagers Schacht Konrad in Salzgitter in vielleicht zehn Jahren müssen in Krümmel am ehemaligen Standort auch die schwach- und mittelaktiven Abfälle aus dem Rückbau zwischengelagert werden.
In den 90er-Jahren war die Metropole Hamburg von den drei schleswig-holsteinischen Atommeilern und dem Meiler Stade in Niedersachsen regelrecht umstellt. Der Stader Reaktor wurde 2003 als erster vom Netz genommen, inzwischen ist der Rückbau im Auftrag von E.on weitgehend abgeschlossen. In etwa zwei Jahren soll er beendet sein.
Allerdings wird auch dort zunächst ein Zwischenlager für schwach- und mittelaktive Abfälle bestehen bleiben – bis zur Fertigstellung von Schacht Konrad. Anders als an den Standorten der drei anderen Atommeiler im Norden gibt es in Stade kein Zwischenlager für hoch radioaktive Abfälle. Die wurden nach der Stilllegung in die französische Wiederaufarbeitungsanlage La Hague gebracht. Erst danach wurde der erste Atomausstieg zwischen der damaligen rot-grünen Bundesregierung und den Atomkonzernen ausgehandelt, der die Errichtung dezentraler Zwischenlager vorsah.