Rade bei Rendsburg. Der Fotograf Thorsten Ahlf hat mit seiner Drohne ungewöhnliche Aufnahmen gemacht. Teil 6: die Rader Hochbrücke.
Wenn sie ausfällt, zeigt sich die ganze Bedeutung der Rader Hochbrücke. Als bei Sanierungsarbeiten im Sommer 2013 in den oberen Brückenpfeilern Hohlräume entdeckt wurden, handelten die Verantwortlichen schnell. Lastwagen durften das Bauwerk, das die Autobahn 7 über den Nord-Ostsee-Kanal führt, nicht mehr nutzen, für Autofahrer gab es nur noch eine Spur. Mitten im Urlaubsverkehr in Richtung Dänemark fiel die wichtigste Nord-Süd-Querung im Land teilweise aus, Lastwagen mussten drei Monate lang weite Umwege fahren, die Staus waren lang. „Die Wirtschaft im gesamten Landesteil nördlich des Nord-Ostsee-Kanals ist auf die volle Funktionstüchtigkeit dieser Achse angewiesen“, fasst Wirtschafts- und Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) zusammen. Gutachter haben vergangenes Jahr festgestellt, dass die Brücke nur noch bis 2026 hält. Es braucht dringend Ersatz.
Derzeit passieren gut 42.600 Fahrzeuge – die letzten belegbaren Zahlen stammen von 2010 – die Brücke. Sie wurde zwischen 1969 und 1972 gebaut und schloss eine Lücke im Autobahnnetz. Heute überspannt die Brücke in bis zu 49 Meter Höhe die nach Schiffspassagen immer noch meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt. „Damals wurden für die Stahlkonstruktion die Stahlgüte und Stahlmenge optimiert, um Geld zu sparen“, so Matthias Paraknewitz, der als Niederlassungsleiter des Landesbetriebs Verkehr in Rendsburg die Brücke kennt wie kaum ein anderer. Auf die Verkehrsbelastung, die die Brücke heute zu bewältigen hat, war sie nicht vorbereitet. Schwerlasttransporte mit bis zu 84 Tonnen, die heute nicht mehr die Brücke passieren dürfen, und mehr als 5000 Lastwagen täglich setzen dem maroden Stück Ingenieurskunst mächtig zu.
Spektakuläre Drohnen-Bilder von norddeutschen Wahrzeichen
„Wenn Sie in der Mitte der Brücke stehen und ein Lkw auf sie drauffährt, merken Sie sofort, dass sie schwingt“, sagt Matthias Paraknewitz. Während die Brücke selbst trotz des vielen Betons und Stahls gewissermaßen weich ist, ist der verlegte Asphaltbelag hart. Und deshalb bricht dieser schneller. „Das ist wie wenn Sie eine Tafel Schokolade auf eine weiche Matratze legen und dann belasten. Die Schokolade bricht leichter“, erklärt er. „Wir mussten den Belag schon öfter reparieren und sogar auswechseln.“ Der Asphalt ist aber nur eines der Probleme des fast genau 1500 Meter langen Baus, der sich übrigens durch Kälte oder Wärme zusammenziehen oder ausdehnen kann. Bis zu anderthalb Meter könne das ausmachen, so Paraknewitz.
Wenn sich der Brückenprüfer in der Gondel des Besichtigungswagens unter der Fahrbahn die Brückenlager des Bauwerks anschauen muss, müsse er damit rechnen, dass ein Pfeilerkopf schon einmal einen Satz von einigen Zentimetern macht, berichtet Paraknewitz. „Das erschrickt auch erfahrene Kollegen“, sagt er. Dafür gebe es hier oben eine unvergleichliche Aussicht, und mit etwas Glück gibt es zur Brutzeit auch Falken zu sehen. „Die halten uns die Tauben fern, deren ätzender Kot schädlich für den Farbanstrich der Brücke ist.“
Noch elf Jahre muss die Brücke dem Verkehr standhalten. Minister Meyer ist zuversichtlich, dass das klappt. „Die ergriffenen Maßnahmen, wie etwa die Stahlummantelung der Pfeiler oder die Radarkontrolle von Geschwindigkeiten greifen ja – insofern wäre alles andere rein spekulativ“, sagt Reinhard Meyer. Lastwagen dürfen auf der Brücke nicht mehr als 60 Kilometer pro Stunde fahren, seit gut einem Monat wird das mit fest installierten Radarkontrollen geprüft. „Wir werden gegen Jahresende das Ergebnis der derzeitigen erneuten Bauwerksprüfung vorliegen haben – bislang geben die Zwischenergebnisse der Überprüfung der Betonpfeiler aber keinen Grund zur Sorge“, so Meyer
Der Neubau könnte direkt neben der aktuellen Brücke hochgezogen werden
Der Neubau könnte direkt neben der aktuellen Brücke hochgezogen werden. Zunächst würde eine Brückenhälfte entstehen, über die so lange der gesamte Verkehr geleitet wird, bis die derzeitige Brücke abgerissen und an ihrer Stelle die zweite Hälfte der neuen steht. Wie es genau ablaufen soll, ist allerdings noch unklar. „Die Machbarkeitsstudie für das Ersatzbauwerk steht vor dem Abschluss“, sagt eine Sprecherin von der bundeseigenen Gesellschaft Deges, die mit der Planung und Baudurchführung beauftragt worden ist. „Zurzeit erfolgt die Abstimmung mit der Straßenbauverwaltung Schleswig-Holstein und dem Bundesverkehrsministerium zu den vorgelegten Bauwerksvarianten.“