Bad Segeberg. Der Fotograf Thorsten Ahlf hat mit seiner Drohne ungewöhnliche Aufnahmen gemacht. Teil 2: Der Kalkberg in Bad Segeberg.
Tatsächlich ist er kein wirklich großer Berg. Aber er ist der höchste im Kreis Segeberg – und natürlich ist er für Bad Segeberg und das Umland sehr wichtig. Die Rede ist vom 91 Meter hohen Kalkberg mitten in der Kreisstadt Bad Segeberg. Er besteht übrigens nicht etwa aus Kalk, sondern aus Gips. In seinem Inneren ist im Laufe von Millionen von Jahren ein verzweigtes Höhlensystem entstanden, das erst 1913 von spielenden Kinder zufällig entdeckt wurde.
Die Höhlen sind Rückzugsort von 20.000 Fledermäusen, die im Herbst Hunderte von Kilometern fliegen, um hier zu überwintern. Weltweit einzigartig ist der Segeberger Höhlenkäfer (Choleva septentrionis holsatica), der sich vom Kot der Fledermäuse ernährt.
Die Geschichte des Segeberger Kalkbergs reicht 250 Millionen Jahre zurück. Aber in den Blickpunkt der Öffentlichkeit ist er erst vor etwa 80 Jahren geraten. In den durch Gipsabbau entstandenem Steinbruch bauten der Nationalsozialistische Arbeitsdienst (NSAD) und der Reichsarbeitsdienst (RAD) ab 1934 einen sogenannten Thingplatz, der unter Anwesenheit des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels 1937 als „Nordmarkfeierstätte“ eröffnet wurde.
Das war die Geburtsstunde des Segeberger Freilichttheaters am Kalkberg, in dem seit 1952 jährlich von Ende Juni bis Anfang September die mittlerweile legendären Karl-May-Spiele stattfinden. Rund 350.000 Zuschauer haben in diesem Jahr die Inszenierung „Im Tal des Todes“ vor dem malerischen Kalkberg-Hintergrund gesehen. 2016 wird mal wieder der Karl-May-Klassiker „Der Schatz im Silbersee“ mit TV-Star Jan Sosniok in der Winnetou-Rolle gespielt.
Neben den Festspielen ziehen auch viele Open-Air-Konzerte Besucher an
Für den Hamburger Schauspieler Joshy Peters, der seit über 20 Jahren zum Ensemble gehört, ist auch nach über 1500 Vorstellungen noch jede Saison spannend: „Ich hatte immer Spaß an den Figuren, die ich gespielt habe, an den Pferden, an den Kollegen und an der ganzen Atmosphäre: Jedes Jahr war schön und unvergesslich.“
Dazu kommen von Anfang bis Mitte Mai diverse Open-Air-Konzerte: Peter Mafffay, Santiano, David Garrett, David Bowie, Elton John, die Beach Boys, Ella Fitzgerald, Stevie Wonder, Bob Dylan und viele andere sind hier vor jeweils 12.000 Menschen aufgetreten. Peter Maffay hat hier über 30 Konzerte gegeben und sagt heute immer noch: „Die Kalkberg-Arena ist mein Wohnzimmer.“
2016 gastieren der Rapper Cro, die Band Unheilig, Santiano und diverse Schlagerstars im Freilichttheater am Kalkberg, das von der Kalkberg GmbH betrieben wird. Hauptgesellschafter ist die Stadt Bad Segeberg. Seit etwa 25 Jahren sind die Karl-May-Spiele und die Vermietung der Arena für Konzerte ein Riesengeschäft: Die GmbH erwirtschaftet regelmäßig Millionengewinne.
Der Kalkberg ist aber zu jeder Jahreszeit ein beliebtes touristisches Ziel. Die über befestigte Wege erreichbare Gipfelplattform ist ein Aussichtspunkt, von dem der Blick rundum weit in das schleswig-holsteinische Hügelland reicht, bei guter Sicht sogar bis zu den Kirchtürmen Lübecks. Eine Treppe vom Gipfelweg aus führt zum Rand des noch rund 43 Meter tiefen Brunnenschachts der einst hier errichteten Siegesburg. Besuche der Kalkberghöhle von Bad Segeberg sind in der Zeit von April bis September möglich. Während der Karl-May-Saison kann auch das Indian Village neben dem Freilichttheater besucht werden.
Einen Besuch wert ist auch das Fledermauszentrum Noctalis am Rande des Kalkbergs, direkt neben dem Höhleneingang. Auf vier Etagen mit 560 Quadratmetern werden den Besuchern die nachtaktiven Tiere nähergebracht. Um sie gut beobachten zu können, werden sie dazu am Tage im Dunkeln gehalten. Auf den weiteren Etagen finden sich Ausstellungen und Erlebnisstationen rund um die Fledermäuse und deren Lebensraum. Hier werden das Phänomen Winterschlaf ebenso dargestellt wie der Lebensraum Höhle und die Sommerlebensräume Wald, Gewässer, Wiese und Siedlung. Wer Lust hat, kann von dort aus mit Höhlenführern die Kalkberghöhlen besuchen.
Ein Seismograf registriert jede Erdbewegung und leitet die Daten weiter
Für Geowissenschaftler auf der ganzen Welt haben die Kalkberghöhlen noch eine ganz andere Bedeutung: Mit einem hier seit 1995 stationierten Seismografen wird weltweit jede kleinste Erdbewegung aufgezeichnet und an das Erdbebensammelzentrum in Denver (Colorado, USA) weitergeleitet. Diese Aufzeichnungen tragen dazu bei, Erdbeben möglichst rechtzeitig vorauszusagen.