Busdorf. Der Fotograf Thorsten Ahlf hat mit seiner Drohne ungewöhnliche Aufnahmen gemacht. Teil 5: Das Wikinger-Museum Haithabu.

Die Wikinger kennt jeder. Ob die Kinder, die mit Wickie und den starken Männern aufwachsen, oder die Erwachsenen, die sich beispielsweise über die Hägar-Comics amüsieren. Schon allein deshalb müssen die harten Nordmänner immer wieder für Werbebotschaften herhalten. Es gibt Würstchen, Schuhcremes oder auch Bier, die mit Wikingern werben. Wer das isst, nutzt oder trinkt, dem verspricht die Werbung unterschwellig die Stärke der Wikinger, die über die Weltmeere segelten und fremde Länder eroberten.

Um die Wikinger ranken viele Mythen, und heute gibt es anscheinend noch mehr Klischees. Wer wissen will, wie es wirklich war, der muss ins Wikinger-Museum Haithabu bei Schleswig fahren. „Bei uns können die Besucher erfahren, wie es sich wirklich mit den Wikingern verhält“, sagt dessen Leiterin Ute Drews. „Unser Museum bietet die Chance, die vielen Klischees auf den Wahrheitsgehalt zu prüfen.“

Das 1985 eröffnete Museum bietet den Besuchern fünf Räume mit unterschiedlicher Gestaltung. Zu sehen gibt es eine 2010 überarbeitete moderne Ausstellung mit viel Medieneinsatz, die die Lebensweise der Menschen vor 1000 Jahren präsentiert. „Es gibt keinen Platz, wo man so viel weiß über das Alltagsleben der Wikinger wie bei uns“, sagt Drews. Schließlich seien die Bedingungen für die archäologische Forschung hier ideal. „Der Siedlungsplatz wurde im 11. Jahrhundert verlassen, und die Menschen siedelten sich auf der anderen Seite der Schlei an.“ Fortan interessierte sich niemand mehr für das alte Haithabu. Bis um 1900 die Archäologen kamen.

„Hier stören keine Tiefgaragen den archäologischen Befund“, sagt Drews. Da seit 1000 Jahren niemand mehr am Ort des historischen Haithabu lebt, gebe es so viele gut erhaltene Funde aus allen Lebensbereichen, die im Museum präsentiert werden. Zu sehen gibt es auch das Bootkammergrab, das 1908 vom Archäologen Friedrich Knorr entdeckt wurde und einmalig in Deutschland ist. In ihm wurden einst offenbar drei Tote beigesetzt, die kostbare Grabbeigaben erhielten und die vermutlich eine hohe gesellschaftliche Stellung hatten. Vermutlich war auch ein König vor Ort, die Anwesenheit der Obrigkeit bezeugen laut Ute Drews die gefundenen Runensteine. Heute stehen sie im Museum, die Besucher können sich die Aufschriften mit der fremd klingenden Sprache vorlesen lassen. Die große Bedeutung Haithabus verdankte die Stadt der zentralen Lage, zwischen Skandinavien und dem fränkischen Reich. Deswegen war der Ort zum bedeutendsten Handelsort geworden.

Die meisten Waren kamen mit dem Schiff, und natürlich kommt dieser Bereich des Lebens der Wikinger im Museum nicht zu kurz. Im Mittelpunkt steht dabei das 30 Meter lange Schiffswrack, das in Haithabu gefunden wurde und das zu seiner Zeit das schnellste Schiff auf der Ostsee gewesen sei. „Es hat 60 starken Kerls Platz geboten.“ Das Schiff, das heute den Namen Hai­thabu 1 trägt, stammt aus der späten Zeit der Siedlung. Offenbar ist es bei deren Untergang verbrannt und gesunken. Es wurde 1979 über ältere Lagen von Schutt und Abfällen aus der ehemaligen Stadt geborgen.

„Wer zu uns ins Museum kommt, der kann in Siebenmeilenstiefeln durch die Geschichte des Siedlungsplatzes wandern“, fasst Museumsleiterin Drews zusammen. Sie und ihre Kollegen wollen sachlich und in ansprechender Weise über die Welt der Wikinger informieren. Sie klären auf, aber einen erhobenen Zeigefinger gebe es nicht. „Wer aus dem Museum herausgeht, weiß aber zum Beispiel, dass die Helme der Wikinger keine Hörner hatten“, sagt sie. Gleichwohl erwartet Ute Drews nicht, dass sie die Klischees ganz überwinden kann. Außerdem sei an vielen von ihnen auch etwas Wahres dran. Auch die Museumsleiterin lässt sich immer wieder von den Wikingern begeistern und das bereits seit vielen Jahren – seit sie in ihrer Grundschulzeit in Dithmarschen mit ihnen und ihrer Geschichte in Berührung gekommen ist, verrät sie. Im Museum arbeitet sie seit 1987, seit 1992 leitet sie es.

Ute Drews ist zum Beispiel von der Handwerkskunst fasziniert. „Da gehen den Besuchern die Augen über“, sagt sie, und ihre eigene Begeisterung ist dabei immer noch deutlich hörbar. Regelmäßig lädt Drews auch die besten Handwerker der Region ein, die nach dem Vorbild der Wikinger produzieren. Wer nach dem Museumsbesuch noch nicht genug von den Wikingern hat, der kann am Haddebyer Noor entlangspazieren, wo noch der alte Wall um die Stadt ist und seit einigen Jahren sieben rekonstruierte Häuser sowie ein Bootssteg zu sehen sind, die im Sommerhalbjahr auch besichtigt werden können.