Schleswig. Der Fotograf Thorsten Ahlf hat mit seiner Drohne ungewöhnliche Aufnahmen gemacht. Teil 4: Schloss Gottorf.
Fast elf Jahre ist es her, da kehrte auf das Schloss Gottorf noch einmal die Macht zurück. Oder zumindest die Mächtigen. Denn am 21. Dezember 2004 fanden am ehemaligen Sitz von Bischöfen, Königen und Herzögen in Schleswig die deutsch-russischen Konsultationen statt. Gerhard Schröder und Wladimir Putin reisten mit dem Sonderzug aus Hamburg an und schritten vor dem Schloss die Ehrenformation ab. Danach trafen sich die deutschen und russischen Minister in den Räumen des Schlosses, das einen solchen geballten Auflauf der Mächtigen lange nicht erlebt hatte.
Immerhin war das Schloss im späten Mittelalter Residenz der dänischen Könige, die damals auch über einen Teil von Schweden herrschten. Im 16. Jahrhundert wurde es dann zum Sitz des Herzogs von Schleswig-Holstein. Die Herzöge, insbesondere Friedrich III., machten es im 17. Jahrhundert zu einem der kulturellen Zentren Nordeuropas, das unter anderem für seine große Bibliothek und den begehbaren Gottorfer Riesenglobus bekannt war. Der Globus zeigt von außen die Weltkugel und ist innen ein Planetarium. Mit dem verlorenen nordischen Krieg 1713, in dem die Gottorfer aufseiten der Schweden gegen die Dänen standen, verlor Schleswig und sein Schloss die hervorgehobene Stellung im europäischen Machtgefüge. Nunmehr war es Sitz des Statthalters des dänischen Königs und später zunächst dänische und dann preußische Kaserne. Zar Peter verlangte 1713 den Riesenglobus als Geschenk und erhielt ihn auch, heute befindet er sich in der Kunstkammer von St. Petersburg.
Spektakuläre Drohnen-Bilder von norddeutschen Wahrzeichen
Und da wären wir wieder bei Wladimir Putin und seinem Besuch in Schleswig. Im Dezember 2004 konnte der russische Präsident bei seinem Staatsbesuch gemeinsam mit Kanzler Schröder die Rekonstruktion des Globus besichtigen. Dieser steht im Neuwerkgarten, einem ebenfalls rekonstruierten Barockgarten, der vom Schloss zu Fuß gut erreichbar ist. Das imposante weiße Bauwerk selbst, das erstmals 1160 als Burg der Schleswiger Bischöfe erwähnt wurde, ist heute ein Museum. „Der Betrieb war durch den Besuch von Schröder und Putin arg eingeschränkt“, erinnert sich Sprecher Frank Zarp. Normalerweise steht die Schlossinsel am Ende der Schlei, einem gut 40 Kilometer langen Nebenarm der Ostsee, für die Allgemeinheit offen. Und die bekommt viel geboten, der Riesenglobus ist nur eine Attraktion.
„Mit fast 20.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche ist die Schlossinsel der größte Kulturbetrieb zwischen Kopenhagen und Berlin“, sagt Zarp nicht ohne Stolz in der Stimme. Den Kern dieses Betriebs bilden zwei Museen: zum einen das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte und zum anderen das Archäologisches Landesmuseum. Zu ihm gehört eines der bedeutendsten Exponate, das sogar seine eigene Halle hat. In der Nydam-Halle neben dem Schloss ist das gleichnamige Boot zu besichtigen, das um 320 nach Christi Geburt entstand. „Es wurde 1863 in Dänemark im Moor bei Nydam gefunden und ist seit 1947 auf Schloss Gottorf beheimatet“, sagt Zarp. Besonders bekannt sind auch die Moorleichen, die hier ausgestellt sind.
Helmut Schmidt reist einmal im Jahr an, um sich Nolde und Barlach anzusehen
Ein großer Teil der anderen Attraktionen der Schlossinsel ist viel jünger. Die Sammlung Rolf Horn umfasst eine große Auswahl expressionistischer Gemälde. Seit 1995 hat sie ihren Sitz in der Galerie der Klassischen Moderne in einem ehemaligen Stallgebäude neben dem Schloss. Zu sehen gibt es Werke der norddeutschen Maler Emil Nolde, Ernst Barlach und Christian Rohlfs, aber auch Bilder von Käthe Kollwitz, Otto Mueller, Alexej von Jawlensky sowie anderen Künstlern der Zeit um 1910 bis 1925. Diese Bilder haben viele Liebhaber, zu ihnen gehört auch Helmut Schmidt, der sie sich jedes Jahr einmal anschaut – auch 2015. „Er unternimmt schon seit einigen Jahren im Sommer einen Ausflug nach Schleswig“, berichtet Zarp. „Sein Fahrer ruft dann von der Rader Hochbrücke an und Schmidt wird dann in aller Unauffälligkeit vom Landesmuseumsdirektor begrüßt.“
Während die Attraktionen in den vergangenen knapp 70 Jahren größtenteils von außerhalb nach Gottorf gebracht worden sind, sind die Gebäude selbst in den vergangenen gut zehn Jahren ebenfalls auf Vordermann gebracht worden. „Es sind mehr als 12 Millionen Euro in die Sanierung und Renovierung der Liegenschaft geflossen“, fasst Frank Zarp zusammen. Die Dächer sind mittlerweile dicht, die Insel macht nunmehr im Ganzen einen gepflegten Eindruck. Einen Einblick in das höfische Leben der ehemaligen Herzöge gibt es indes nicht. „Die Schlafkammer des Herzogs oder die Toilette von Friedrich III. sind nicht erhalten“, sagt Zarp. Schließlich diente das Schloss 250 Jahre lang als Kaserne und auch nach dem zweiten Weltkrieg wurde schnell klar, dass die Briten Kiel zur Hauptstadt Schleswig-Holsteins machen wollten. Schleswig blieben die obersten Gerichte und die Kultur mit dem Schloss Gottorf als Mittelpunkt.