Immer wieder werden derzeit Dutzende tote Seehunde an den Nordsee-Stränden angeschwemmt. Sie verendeten qualvoll. Jetzt haben Tierärzte den Grund für das Sterben der Meeressäuger gefunden.

Tönning. Influenzaviren sind für das Seehundsterben in der Nordsee verantwortlich. Das ist da Ergebnis tierärztlicher Untersuchungen, die am Montag im schleswig-holsteinischen Tönning vorgestellt wurden. Ein großer Teil der seit Anfang Oktober gefundenen Seehunde an der Nordseeküste sei an Lungenentzündungen verendet, die durch Influenzaviren verursacht wurden.

Für die erkrankten Tiere sei es ein qualvoller Tod gewesen, denn ihre Atemwege – Luftröhre und Bronchien – seien „zugeschleimt“, sagte Prof. Ursula Siebert am Montag im nordfriesischen Tönning. Bei Untersuchungen toter Tiere durch die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover in Büsum seien neben Bakterien wie Streptokokken sowie Lungenwürmern und anderen Parasiten häufig auch Influenzaviren gefunden worden. Um welche Art es sich handele, werde in den kommenden Wochen untersucht, sagte die Wissenschaftlerin: „Ein Staupe-Virus wurde aber nicht nachgewiesen.“

Bereits im Sommer waren vermehrt tote Seehunde in den dänischen und schwedischen Gewässern des Kattegats registriert worden. Seit Anfang Oktober schwappte die Krankheit auch auf Deutsche Gewässer über. Auf Helgoland und den nordfriesischen Inseln seien bislang rund 350 tote beziehungsweise schwer kranke Seehunde gefunden worden, sagte der Leiter der Nationalparkverwaltung, Detlef Hansen.

Auf Helgoland und Amrum waren es täglich jeweils fünf bis zehn tote Tiere, auf Sylt bis zu 16. Viele der Tiere waren mehrere Jahre alt und gut genährt. Ein Teil der erkrankten Tiere schleppte sich noch an den Strand. „Sie wurden dann vor Ort von einem der rund 40 Seehundjäger erlöst.“ Außer einem Husten seien bei ihnen keine äußeren Anzeichen einer Erkrankung festzustellen.

Der Wattenmeerbestand der Seehunde ist nach Einschätzung der Experten durch das aktuelle Seehundsterben nicht gefährdet. Mit einer ähnlichen Anzahl toter Seehunden wie bei den beiden großen Ausbrüchen der Seehundstaupe rechnen Wissenschaftler aktuell nicht. 2002 verendeten an Nord- und Ostsee knapp 22 000 Tiere, 1988 waren es rund 18 000. Diesmal sei es „keine Epidemie, sondern eine leicht erhöhte Sterblichkeit“, sagte Siebert. Die Kegelrobben im Wattenmeer seien davon bislang nicht betroffen.

Siebert rät jedoch zu besonderer Vorsicht beim Umgang mit erkrankten oder toten Seehunden. Sie können ebenso wie andere Wildtiere verschiedene Erreger beherbergen, die auch auf den Menschen übertragbar sind. „Spaziergänger sollten immer Abstand zu kranken und toten Seehunden oder anderen Wildtieren halten: Die Tiere nicht berühren und Hunde angeleint fernhalten.“ So könne einer möglichen Übertragung von Krankheitserregern vorgebeugt werden.

Die im dänisch-deutsch-niederländischen Wattenmeer lebenden Seehunde bilden eine gemeinsame Population. Derzeit leben dort etwa 40 000 Seehunde, davon etwa 12 000 vor Schleswig-Holsteins Küste. Eine Impfung der Tiere beziehungsweise tierärztliche Behandlung sei schon angesichts der hohen Zahl unrealistisch, sagte Siebert. „Dies ist kein Zoo, sondern ein Nationalpark“, ergänzte Hansen: „Hier gilt das Prinzip „Natur Natur sein lassen'. Natur, das sind aber nicht nur blühende Salzwiesen und riesige Vogelschwärme. Auch der Tod ist Teil der Natur“, sagte Hansen.