Die Opposition und die Regierung lieferten sich einen heftigen Schlagabtausch um den ersten rot-grün-blauen Haushaltsentwurf.

Kiel. Die Opposition im Kieler Landtag hat den ersten Haushaltsentwurf der rot-grün-blauen Landesregierung wegen zu hoher Neuverschuldung massiv kritisiert. Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) lobte dagegen am Mittwoch im Parlament den von Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) vorgelegten Haushalt 2013 als solide und solidarisch, der das Land stärke und den Politikwechsel voranbringe. Vor der Haushaltsdebatte beschloss der Landtag eine historische Änderung der Landesverfassung. Als erstes Bundesland sind jetzt die deutschen Sinti und Roma im Norden durch die Verfassung geschützt.

In der hart geführten Debatte über den 9,65 Milliarden Euro umfassenden Haushalt 2013 (2012: 9,29 Milliarden Euro) bekannten sich Albig, Heinold und Lars Harms vom dritten Regierungspartner SSW dazu, den Konsolidierungspfad fortzusetzen und bis 2020 das strukturelle Defizit abzubauen, wie es die Verfassung vorschreibt. Auch der geplante Stellenabbau des Landes werde fortgesetzt. Bis 2020 sollen 5300 Stellen wegfallen. Bis Ende 2013 dürften innerhalb von drei Jahren 1000 Stellen bereits abgebaut sein.

Die Landeshaushalte würden auch in den nächsten Jahren nach der strengeren Landesmethode berechnet, die eine geringere Verschuldung zulässt als die Bundesmethode, versprach Albig. Dabei werde es nicht sehr viel Luft zur Verschuldungsobergrenze geben, räumte Albig ein. SPD-Fraktionschef Ralf Stegner bekannte: „Vieles können wir uns nicht mehr leisten.“

Der im Mai bei der Landtagswahl abgewählten früheren CDU/FDP-Landesregierung warfen die SPD-Spitzen kaltes Sparen vor: „Politik ist mehr als eine schwarze Null“, sagte Albig und verwies auf die Mehrausgaben seiner Regierung in Bildung und Soziales wie das Landesblindengeld, Schulsozialarbeit oder Frauenhäuser. Albig äußerte die Erwartung, dass nach einem Wahlsieg der SPD bei der Bundestagswahl die Vermögenssteuer wieder eingeführt wird und auch die Länder dadurch Geld erhalten. Mit einer Erhöhung von Gebühren und des Erdölförderzinses wolle das Land seine Einnahmen stärken.

Als unsolide und am Rand der Verschuldungs-Obergrenze „auf Kante genäht“ kritisierte CDU-Fraktionschef Johannes Callsen den Etat. Es gebe keinen ausreichenden Finanzpuffer. Die Landesregierung erliege dem „süßen Gift des Verschuldens“, sagte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Von „1890 Seiten unerfüllter Erwartungen“ sprach Callsen. Trotz höherer Steuereinnahmen und niedrigerer Zinsbelastung als erwartet, werde 2013 die Nettokreditaufnahme auf 420 Millionen steigen – rund 70 Millionen Euro mehr als im Frühjahr noch von CDU/FDP geplant, kritisierte Callsen. Auch die Piraten-Abgeordneten Torge Schmidt und Wolfgang Dudda kritisierten das Ausmaß der Neuverschuldung in einer Phase hoher Steuereinnahmen.

Die drohenden Milliarden-Verluste der HSH-Nordbank überschatteten die Haushaltsdebatte. Heinold warnte, die Risiken der Landesbank könnten massive Folgen für die Finanzlage des Landes haben. Die Ministerin rief alle Parteien zu gemeinsamen Gesprächen auf, wie die Lage der Bank stabilisiert werden könne. Vorrang habe der Schutz des Landesvermögens. Laut Prognose drohen 2019 bis 2025 rund 1,3 Milliarden Euro Ausfälle, für die Hamburg und Schleswig-Holstein notfalls aufkommen müssten. Für das laufende Jahr erwartet der HSH-Aufsichtsratsvorsitzende Hilmar Kopper deutlich höhere Verluste als 2011 mit einem Minus von 263 Millionen Euro.

Als „Tag von historischer Bedeutung und Symbolkraft“ würdigte Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) die einstimmige Aufnahme der Sinti und Roma in die Landesverfassung. Auf der Tribüne verfolgten der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, und der Landesvorsitzende Matthäus Weiß die Abstimmung, die ohne Debatte erfolgte. Rose hatte bereits am Vorabend bei einer Feier der SPD die Verfassungsänderung als „historisches Zeichen“ gelobt.

Im Norden leben rund 5000 Sinti und Roma. Vor fast 600 Jahren wurde die Minderheit erstmals im Norden, in Lübeck, urkundlich erwähnt. Der jetzt ergänzte Artikel 5, Absatz 2, Satz 2 der Landesverfassung lautet: „Die nationale dänische Minderheit, die Minderheit der deutschen Sinti und Roma und die friesische Volksgruppe haben Anspruch auf Schutz und Förderung.“

Zu einem Eklat führte das Verhalten der Piratenpartei bei einer von ihr beantragte Aktuellen Stunde zur Asyl- und Ausländerpolitik. Landtagspräsident Schlie warf den Piraten vor, sie hätten die Absprache im Ältestenrat gebrochen, dass persönliche Einzelfälle nicht Thema von Aktuellen Stunden sein sollten. Die Piraten hätten einen Stil, der nicht ins Parlament gehöre. Die Piraten-Abgeordnete Angelika Beer hatte ausschließlich über den Fall der libanesischen Familie Shafi aus Elmshorn (Kreis Pinneberg) gesprochen. Piraten-Fraktionschef Patrick Breyer widersprach der Darstellung Schlies, es habe im Ältestenrat eine Absprache gegeben, den Fall der Elmshorner Familie nicht zu erwähnen.