Warnungen, Proteste und Gezerre um ein umstrittenes Gesetz – die Pläne des Bundes für das Kohlendioxid-Lager sorgen für Aufregung.

Kiel. Protestschilder en masse in nordfriesischen Vorgärten, Aufkleber an ungezählten Autos im Raum Flensburg – kaum ein politisches Vorhaben bringt viele Menschen im hohen Norden so auf die Palme wie das Projekt mit dem Kürzel CCS. „Stoppt das CO2-Endlager“ heißt die Botschaft. Am Donnerstagabend sollen an der Nordseeküste in Schleswig-Holstein und Niedersachsen Mahnfeuer brennen. Die Initiatoren wollen nicht, dass in ihrer Gegend der Klimakiller Kohlendioxid unterirdisch gespeichert wird. Sie wollen auch nicht, dass dies vor der Küste unter dem Meeresboden geschieht. Angst um Menschen, Tiere und Umwelt steht hinter dem Widerstand gegen ein Gesetz, das dem Bundesrat am Freitag zur Entscheidung vorliegt.

Das vom Bundestag gebilligte Vorhaben könnte im Vermittlungsausschuss landen, weil es in der Länderkammer möglicherweise keine Mehrheit dafür gibt. So lehnen Brandenburg, Hamburg und Sachsen die Klausel ab, die es Ländern ermöglichen soll, CO2-Lager in ihrem Gebiet zu verhindern. Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wiederum wollen die Länderklausel verschärfen.

Mit Schleswig-Holstein und Niedersachsen wiederum sind Länder für das Bundesgesetz, die eine Anwendung der Technologie auf ihren Territorien ablehnen. Die weitaus meisten als geeignet geltenden potenziellen Lagerstätten liegen ausgerechnet in Norddeutschland beziehungsweise unter dem Nordsee-Boden.

Co2-Speicherprojekt von Vattenfall vor dem Aus

Die Bundesregierung sieht in CCS – das Kürzel steht für Carbon Dioxide Capture and Storage (Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung) – eine aussichtsreiche Technik gegen den Klimawandel und will sie auf Grundlage des umstrittenen Gesetzes bis 2017 erproben lassen. Kohlendioxid, das zum Beispiel bei der Verbrennung von Kohle anfällt, wird dabei abgetrennt, verflüssigt und über Pipelines in unterirdische Speicher gepresst. Skeptiker halten das Verfahren für nicht ausreichend erforscht und befürchten, das Klimagas CO2 könnte ungewollt entweichen.

Die Regierungen in Kiel und Hannover gehen davon aus, dass sie mit Hilfe einer Klausel in dem Bundesgesetz CO2-Speicher auf ihren Gebieten verhindern können. Der Passus erlaubt es den Ländern zwar nicht pauschal, für ihr gesamtes Gebiet Kohlendioxid-Lager auszuschließen. Sie müssen es vielmehr für konkrete potenzielle Speicherstätten tun und dies detailliert begründen.

„Wir sind in der Lage, alle Gebiete auszuschließen und damit in der Summe das Land von der CO2-Speicherung auszunehmen“, erläuterte der Kieler Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) vor wenigen Tagen im Landtag. CDU-Umweltexperte Michael von Abercron listete eine Reihe von Gründen auf, mit denen das Land potenzielle Flächen ausschließen könne: Fremdenverkehr, intensive Landbewirtschaftung, Nähe zu Schutzgebieten oder Interessenkollision mit einer möglichen Druckluftspeicherung für Windkraftanlagen.

Allerdings: Ab zwölf Seemeilen seewärts können die Länder solche Speicher vor ihren Küsten nicht verhindern. Experten gehen davon aus, dass sich eine CO2-Verpressung noch in 100 Kilometern Entfernung auswirken könnte. Das Kohlendioxid würde stark salziges Wasser aus unterirdischen Lagerstätten verdrängen – wohin, weiß niemand genau. Dies könnte viele Lebewesen im Meer und auch Trinkwasser gefährden, sagen die Kritiker. Inseln und Nordseeküste seien bedroht, meint Reinhard Knof von einer Bürgerinitiative gegen das CO2-Endlager mit Sitz in Stadum (Nordfriesland). Auch Sprengungen zur Untersuchung des Untergrundes würden erhebliche Belastungen für Tiere verursachen, sagt Knof voraus. „Bereits die Erkundung birgt unabsehbare Gefahren. Die das betreiben, handeln unverantwortlich.“

Von einem unnötigen technischen Risiko spricht Energieexperte Detlef Matthiessen von den Grünen in Schleswig-Holstein. „CCS ist eine Legitimationsstrategie zum Bau neuer Kohlekraftwerke ohne CCS.“ Greenpeace-Energieexpertin Anike Peters rügt die Haltung der Nord-Länder: „Schleswig-Holstein und Niedersachsen wollen im Bundesrat einer Risikotechnik zustimmen, die sie im eigenen Vorgarten selbst nicht ausprobieren wollen.“ Wenn beide Länder der Technik nicht über den Weg trauten, müssten sie den Gesetzentwurf ablehnen.

Auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) forderte angesichts der Widersprüchlichkeit der Situation vor wenigen Tagen klare Kante: „Entweder die Speicherung von CO2 wird als sichere und zukunftsfähige Technologie für ganz Deutschland anerkannt und weiter erprobt oder sie findet vorerst nirgends statt.“ Nach bisherigem Stand plant der Stromkonzern Vattenfall in Ostbrandenburg zwei CO2-Endlager. Im brandenburgischen Jänschwalde will Vattenfall bis 2015 ein Demonstrationskraftwerk errichten.