In einem Gutachten für Greenpeace und BUND heißt es, die Bundesländer könnten unterirdische CO2-Lager nicht verhindern.

Berlin. Norddeutschland hat ein Endlager-Problem. Doch dieses Mal handelt es sich nicht um radioaktiven Müll, eingeschweißt in Fässern oder eingeschlossen in schwere Castor-Behälter. Der Stoff, aus dem die Sorgen sind, ist dieses Mal gasförmig, geruchlos und unsichtbar: Kohlenstoffdioxid, auch unter dem Kürzel CO2 bekannt. 375 Millionen Tonnen davon entweichen jedes Jahr allein aus Schornsteinen deutscher Kraftwerke und Industriebetriebe. Doch weil CO2 als Treibhausgas Nummer eins gilt, arbeiten Forscher daran, die flüchtige Substanz aus den Abgasen herauszufiltern und für Tausende von Jahren unter der Erde zu speichern. Carbon Capture and Storage, kurz CCS nennt sich dieses Verfahren.

Die Bundesregierung sieht CCS als Hoffnung im Kampf gegen den Klimawandel und will die Technologie bis 2017 erproben lassen. Zwei bis drei Lager sollen auf Kapazitäten von maximal je drei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr beschränkt werden.

Norddeutschland gilt als besonders geeignet für die Lagerung, weil die Region als Sedimentbecken über die geeigneten Gesteinsschichten verfügt. Auf einer Karte der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe finden sich auch mehrere mögliche Standorte in der direkten Nähe Hamburgs.

"Schleswig-Holstein und Niedersachsen wollen im Bundesrat einer Risikotechnik zustimmen, die sie im eigenen Vorgarten selbst nicht ausprobieren wollen“, rügte Greenpeace-Energieexpertin Anike Peters. Wenn beide Länder der Technik nicht über den Weg trauten, müssten sie den Gesetzentwurf ablehnen. "Schleswig-Holstein muss dem CCS-Gesetz ein klares Nein entgegensetzen, anders ist Sicherheit gegen CO2-Endlager nicht zu erlangen“, sagte BUND-Landeschefin Sybille Macht-Baumgarten.

Die Regierung in Kiel bekräftigte dagegen ihre Auffassung, dass die Länderklausel greift. Sie werde auch in einem endgültigen Gesetz Bestand haben, das voraussichtlich im Jahr 2018 komme, betonte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums.

Glaubt man Kritikern, hat CCS seine ganz spezifischen Restrisiken. Rund 3000 bis 4000 Technologie-Skeptiker haben sich überregional in einer Bürgerinitiative gegen das CO2-Endlager zusammen geschlossen. Reinhard Knof, Sprecher des Vereins und selbst promovierter Chemiker, zählt die Risiken der Speicherung auf: "Es besteht die Gefahr, dass bei der Abscheidung oder beim Transport CO2 entweicht. Vor allem aber könnte das Gas salziges Mineralwasser im Erdreich nach oben drücken und das Grundwasser versalzen." Auch bestehe noch kein geeignetes Verfahren, um Leckagen beim Transport oder bei der Einlagerung festzustellen. CO2 selbst ist nicht giftig, kann aber in größerer Konzentration in der Luft tödlich sein, wenn es den lebensnotwendigen Sauerstoff verdrängt.

Am 23. September stimmt der Bundesrat über ein neues Gesetz zur unterirdischen Kohlenstoffdioxid-Speicherung ab. Hamburg und Schleswig-Holstein wollen sich gegen mögliche Lagerstätten aussprechen. Die Regierungen beider Länder gehen davon aus, dass sie geeignete Gebiete mit Rücksicht auf den Tourismus oder aus anderen Gründen als Ausschlussgebiete definieren können und wollen so die Lager verhindern. Doch dies soll laut einem Gutachten, das für die Umweltorganisationen BUND und Greenpeace erstellt wurde, nicht möglich sein.

Die im Gesetz zur Abscheidung und Lagerung des Klimakillers CO2 vorgesehene Länderklausel biete keine ausreichende Rechtssicherheit für ein Veto. In dem Gutachten heißt es weiter, jede Ausschlussentscheidung könne juristisch angefochten werden. Die Länderklausel erlaubt es den Ländern nicht pauschal, für ihr gesamtes Territorium CO2-Lager auszuschließen. Sie dürfen es vielmehr nur für konkrete potenzielle Speicherstätten tun. "Die Länder können durch Landesgesetz bestimmen, dass eine Erprobung und Demonstration der dauerhaften Speicherung nur in bestimmten Gebieten zulässig ist oder in bestimmten Gebieten unzulässig ist“, heißt es wörtlich.

"Energiekonzerne können Verbote zu einzelnen Lagerstätten jederzeit vor Gericht anfechten“, sagte BUND-Energieexpertin Tina Löffelsend. Doch auch ohne Klagen biete die Länderklausel keine umfassende Sicherheit. "Die Landesregierungen riskieren wider besseren Wissens, dass die Meeresumwelt, Naturschutzgebiete wie das Wattenmeer und sogar küstennahe Grundwasservorkommen gefährdet werden.“ So könnten die Länder weder die Einrichtung von CO2-Lagern unter der Nordsee verhindern noch den Bau von Pipelines quer durchs Land.

Das Rechtsgutachten kommt darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass die Länderklausel auf Dauer keine rechtliche Sicherheit bietet. „Nach der jetzigen Fassung des CCS-Gesetzes können CO2-Endlager auf Landesgebiet faktisch nur für die nächsten sechs Jahre ausgeschlossen werden“, sagte Roda Verheyen, Rechtsanwältin und Autorin des Gutachtens. Nach der Revision des Gesetzes werde der Einstieg in eine unbeschränkte Anwendung erneut möglich sein. Verheyen hält die Länderklausel aus mehreren Gründen verfassungsrechtlich für anfechtbar.

Greenpeace und BUND verwiesen auf die Möglichkeit eines Verbotsgesetzes: Laut europäischer CCS-Richtlinie hätten die EU-Mitgliedstaaten das Recht, keine Speicherung auf Teilen oder auf der Gesamtheit ihres Hoheitsgebietes zuzulassen. Auf dieser Grundlage wolle zum Beispiel Österreich CO2-Endlager ausschließen.

Als geologisch geeignet gelten in Deutschland vor allem Gebiete in Norddeutschland und unter dem Boden der Nordsee. Da die Regierungen von Schleswig-Holstein und Niedersachsen die CCS-Technik auf ihren Territorien nicht einsetzen wollen, könnte die Anwendung zunächst auf Brandenburg beschränkt bleiben. (abendblatt.de/dpa/dapd)