Wahlkampfstreit und Nachdenklichkeit im Kieler Landtag: Scheidender Regierungschef hält emotionale Rede. Respekt der Opposition.

Kiel. Wahlkampf und Emotionen pur im Parlament: Zum Auftakt seiner letzten Tagung vor der Neuwahl hat der Kieler Landtag am Mittwoch die verhärteten Positionen zwischen dem schwarz-gelben Regierungslager und der Opposition offenbart. Zugleich wurde es mit einer Abschiedsrede des scheidenden CDU-Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen hoch emotional. Mit stockender Stimme sagte der seit

2005 amtierende Regierungschef in seiner vermutlich letzten Parlamentsrede, er gehe in Nachdenklichkeit und in tiefer Dankbarkeit. Sein Amt habe er mit Freude und mit höchsten Respekt ausgeführt, betonte Carstensen elf Tage vor der Landtagswahl, bei der er nicht wieder antritt.

Er plädierte für Respekt zwischen Politikern, für Augenhöhe zwischen Regierenden und Regierten, für Aufrichtigkeit und Gesprächsbereitschaft. „Die Menschen wollen Alltagsgespräche und keine Sonntagsreden“, betonte der 65-Jährige. Eine seiner schwierigsten Entscheidungen sei es gewesen, den Weg in den Schuldenstaat zu stoppen. Dies sei ein historischer Schritt gewesen. „Die haushaltspolitische Kehrtwende hat mich auch persönlich viel Kraft gekostet.“ Ihm sei es wichtig gewesen, dies durchzusetzen, damit die Kinder und Enkel überhaupt wieder Spielraum bekommen.

Wem er selber gegenüber respektlos gewesen sei, den bitte er um Verzeihung, sagte Carstensen. Seine Rede schloss er mit den Worten „Gott schütze Schleswig-Holstein“. Carstensen bekam Beifall nicht nur von CDU/FDP, sondern auch aus der Opposition: Grüne, SSW-Vertreter, einige SPD-Abgeordnete und eine Linke applaudierten mit. „Du hast deinen Job verdammt gut gemacht“, sagte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki in Richtung Carstensen. SPD-Fraktionschef Ralf Stegner reagierte auf Carstensen mit Kritik und handelte sich dafür den Vorwurf Kubickis ein, er habe weder Benehmen noch Würde.

Stegner hatte zum Auftakt der Sitzung in einer Aktuellen Stunde der Koalition eine verheerende Leistungsbilanz vorgeworfen. Carstensen betonte Grundsätzliches: Bei der Wahl am 6. Mai gehe es darum, ob Schleswig-Holstein weiter nach dem Prinzip Verantwortung regiert werde oder ob es zurückgehe in einen Schuldenstaat. „Das Schuldenmachen ist ein politisches Vergehen an unseren Kindern.“ Die CDU/FDP-Koalition habe viel erreicht; das Land stehe in vielen Punkten so gut da wie nie zuvor in seiner Geschichte, betonte der Regierungschef. Die Arbeitslosigkeit sei die niedrigste seit fast 20 Jahren.

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Seine letzte Parlamentssitzung sei nach 29 Jahren im Bundestag und im Landtag schon etwas Besonderes für ihn, sagte Carstensen. Die Legislaturperiode sei von einer reibungslosen Zusammenarbeit in der Koalition mit der FDP geprägt gewesen.

CDU-Fraktionschef Johannes Callsen meinte, eine von SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig avisierte „Dänen-Ampel“ mit Grünen und SSW würde das Land zurückführen in eine Sackgasse mit weiter ausufernder Verschuldung. Formaler Anlass der Debatte war eine von der SPD auf die Tagesordnung gebrachte Aktuelle Stunde mit der Frage, ob die Koalition schon vor der Wahl am Ende sei. Auslöser waren angebliche Differenzen bei Schwarz-Gelb zur Tariftreue und zur Reform der Kurtaxe. Diese Inhalte traten angesichts des Wahlkampfstreits völlig in den Hintergrund. Stegner habe versucht, mit einer SPD-Parteitagsrede Klamauk zu machen, während die Koalition für die Zukunft des Landes arbeite, befand Callsen.

Auch Kubicki warf Stegner vor, es gehe ihm nicht um die Sache, sondern um billige Wahlkampfreden. Er schade damit dem Parlamentarismus mehr, als es die Piratenpartei je könnte. Grünen-Fraktionschef Robert Habeck meinte mit einem Seitenhieb auf den potenziellen Bündnispartner SPD, aus seiner Sicht hätte es dieser Aktuellen Stunde nicht bedurft. Jeder wisse ohnehin, dass Schwarz-Gelb in Kiel wie in Berlin am Ende sei. Dem schlossen sich Sprecher von Linken und SSW an.

(dpa)