Atomaufsicht stoppt die Umlagerung von Fässern mit Atommüll in Brunsbüttel. Betreiber Vattenfall räumt nun Kommunikationsfehler ein.

Kiel. Verrostete Fässer mit Atommüll auf dem Gelände des stillgelegten Kraftwerks Brunsbüttel haben die Atomaufsicht in Kiel aufgeschreckt und Konsequenzen ausgelöst. „Wichtig ist zunächst, dass keine unzulässige Radioaktivität freigesetzt wurde und keine Gefahr für Mitarbeiter und Anwohner besteht“, betonte der schleswig-holsteinische Atomaufsichtsminister Emil Schmalfuß (parteilos) am Mittwoch in Kiel auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz.

Der Betreiber Vattenfall hatte das am 15. Dezember festgestellte Problem zunächst verschwiegen. Erst nachdem der TÜV-Nord am 10. Januar die Atomaufsicht informierte, reagierte Vattenfall am Tag darauf auf eine entsprechende Nachfrage aus dem Kieler Ministerium. Vattenfall räumte am Mittwoch einen inakzeptablen Kommunikationsfehler ein und kündigte eine unternehmensinterne Aufarbeitung an.

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Vattenfall müsse endlich die Verantwortung für Brunsbüttel entzogen werden, forderten die Grünen und der SSW. Die Umweltorganisation Robin Wood warf Vattenfall gefährliche Schlamperei im Umgang mit Atommüll vor. Der Energiekonzern bleibe zudem seiner Linie der Geheimhaltung und Vertuschung treu. Kritik an Vattenfall äußerten auch CDU, SPD, FDP und die Linke. Die Parteien und Robin Wood betonten außerdem die Notwendigkeit, dass endlich ein atomares Endlager in Deutschland auch für hoch radioaktiven Müll gefunden werden müsse.

Die 200-Liter-Rollreifenfässer mit schwach- und mittelradioaktivem Material – darunter Filterharze und Verdampferkonzentrate – liegen in Brunsbüttel unterirdisch im sogenannten Feststofflager im gesicherten Kontrollbereich des Kraftwerks an der Unterelbe.

Am 10. Januar stellten Experten des TÜV Nord bei regelmäßigen Kontrollen fest, dass ein bereits entleertes Fass sehr stark verrostet und sein Mantel zerstört war. Auch weitere Fässer zeigen laut Schmalfuß zum Teil erhebliche Korrosionserscheinungen. Wie viele es sind, ist nicht klar. Da Experten nicht ausschließen, dass beim Umsetzen radioaktive Stoffe austreten, wurde die seit Jahren laufenden Umlagerungen in sogenannte Gusscontainer gestoppt.

Seit 2004 werden in Brunsbüttel Fassinhalte in andere Behälter umgefüllt, damit das Material später im Schacht Konrad in Salzgitter (Niedersachsen) endgelagert werden kann, was ab 2019 möglich sein soll. Laut Vattenfall wurden bereits 650 Fässer ohne Probleme umgefüllt, bei etwa 500 steht das noch an. Bei diesem Vorgang werden die Fässer in größere Überfässer gestellt und dann ausgesaugt. Normalerweise dauert das zwei bis drei Stunden, doch bei dem jetzt entdeckten Fass, das bereits seit 30 Jahren gelagert wurde, waren es acht Stunden. Dies fiel den TÜV-Kontrolleuren beim Studium der Dokumente im Januar auf. Zuvor habe es keinen vergleichbaren Vorfall gegeben, der Bedenken ausgelöst hätte, sagte Schmalfuß.

Über das Verhalten von Vattenfall zeigte er sich verärgert, auch wenn der Vorfall rein rechtlich offenkundig nicht meldepflichtig war. „Ich halte es aber angesichts der Bedeutung des Vorfalls für zwingend erforderlich, dass die Atomaufsichtsbehörde darüber umgehend informiert wird“, sagte Schmalfuß. Schon nach den aufsehenerregenden Zwischenfällen in Brunsbüttel und Krümmel im Jahr 2007 hatte der öffentliche Umgang Vattenfalls starke Kritik ausgelöst.

Der Leiter der Reaktorsicherheit im Kieler Ministerium, Wolfgang Cloosters, nannte den Fund der verrosteten Fässer besorgniserregend. Mit diesem Ausmaß der Korrosion sei nicht zu rechnen gewesen. Cloosters betonte aber, infolge der Zerstörung des Fasses sei keine zusätzliche Strahlenbelastung aufgetreten.

Viele Fässer wurden zu einer Zeit eingelagert, als niemand damit rechnete, dass der Atommüll für Jahrzehnte an den Standorten der Kraftwerke bleiben müsse, sagte Schmalfuß. Er regt Konsequenzen an: Wegen der Korrosionsgefahr in tiefer liegenden Räumen sollte die Lagerung in sogenannten Kavernen überdacht werden. In Brunsbüttel gibt es sechs davon; geschützt sind sie von einer dicken Betonsohle und ebenso dicken Wänden. Jede Kaverne kann bis zu 120 Fässer aufnehmen, je 6 stehen übereinander in einem gitterartigen Lager. Die Kavernen können nicht begangen werden, weil dafür kein Platz ist, wenn sie voll sind. Zudem herrscht zwischen ihnen eine Strahlenbelastung von bis zu 500 Millisievert je Stunde.

Kavernen gibt es vor allem an älteren Atomkraftwerken, an jüngeren wie Brokdorf werden Fasslager genutzt, die laut Atomaufsicht besser zu kontrollieren sind. Die Atomaufsicht forderte Vattenfall auf, die Kavernen wieder mit Betonriegeln abzudecken und alle Arbeiten an ihnen vorläufig abzuschließen. Auch die anderen Atomkraftwerke in Deutschland sollten auf mögliche ähnliche Vorfälle überprüft werden.

Die Atomaufsicht leitete eine Überprüfung der Lager für radioaktive Abfälle in den anderen beiden Atomkraftwerken in Schleswig-Holstein (Krümmel und Brokdorf) und dem Helmholtz-Zentrum Geesthacht (vormals GKSS) ein. (abendblatt.de/dpa)