Wedel. Kostenexplosion in Wedel um bis zu 1000 Prozent. Die neue Gebührensatzung sei „ungerecht“ und „undurchsichtig“. Politik will Klarheit.
Die Verärgerung über die neue Satzung zu den Straßenreinigungsgebühren in Wedel ist weiter groß. Das von der Stadtverwaltung Wedel eingeführte Berechnungssystem sorgt für riesige Verwirrung – und explodierende Kosten in den Haushalten der Stadt. Etwa 500 Einspruchsschreiben gegen die Gebührenbescheide sind bei der Verwaltung eingegangen – und müssen bearbeitet werden.
Hintergrund der Aufregung und des Widerstandes ist, dass die Gebührenordnung mit Zustimmung des Rates im April reformiert wurde. Begründet wurde die Erhöhung mit Steigerungen bei Betriebs-, Personal- und Entsorgungskosten.
Straßenreinigungsgebühr in Wedel: SPD greift die Verwaltung an
Doch selbst einige mit der Materie vertraute Politiker haben zugegeben, dass sie von den tatsächlichen Auswirkungen der Änderung für die Wedeler nichts geahnt hätten. Im Haushalt für das laufende Jahr wird mit Einnahmen von 625.700 Euro wegen der neuen Satzung gerechnet. Die Kosten für die Verwaltung werden indes für die Jahre 2023 bis 2025 jährlich mit gut 890.000 Euro veranschlagt.
Für wenig Akzeptanz sorgt, dass die Kosten für ähnliche oder sogar gleich große Grundstücke undurchsichtig und unterschiedlich berechnet wurden. Meist wird der Faktor 6,37 pro Meter angelegt – in anderen Gemeinden liege jener nach SPD-Einschätzung bei zwei Euro – oder darunter.
SPD Wedel ist unzufrieden mit den Antworten aus der Verwaltung
Viele Wedeler empfinden die neue Satzung als ungerecht. Einige träfe die neue Gebührensatzung besonders heftig – mit einer Steigerung der Kosten um weit als 1000 Prozent. In der Sitzung des Umwelt-, Bau- und Feuerwehrausschusses (UBF) am Donnerstag, 14. September, stellte die SPD deswegen einen Antrag, dass die Stadt eine Neuberechnung starten möge und die Satzung überarbeite.
Von 19 Uhr an wurde im Ratssaal debattiert – die Grünen-Fraktion meldete Beratungsbedarf an. Daher ist die Entscheidung über den SPD-Antrag nun auf den November vertagt. Zuvor soll es noch einen Runden Tisch mit Vertretern aller Parteien und der Verwaltung geben.
Die Sozialdemokraten hatten Ende Juni der Stadt konkrete Fragen gestellt – und sehen bei der Beantwortung deutlich Luft nach oben. „Die Antworten der Verwaltung hierzu sind für uns als SPD-Fraktion größtenteils unbefriedigend“, heißt es in einer Stellungnahme der SPD.
Verwaltung bezieht sich auf ein 21 Jahre altes Gerichtsurteil
Denn: In besagter Mitteilungsvorlage beziehe sich die Verwaltung beispielsweise mehrfach auf ein 21 Jahre altes Gerichtsurteil, bei dem für die Ermittlung der Frontmeterlänge das gewählte Projektionsverfahren (fiktiver Frontmetermaßstab) mit dem Grundgesetz vereinbar sein könne.
Selbst „wenn für gleich große Grundstücke eine unterschiedlich hohe Straßenreinigungsgebühr allein deswegen anfällt, weil die Grundstücksgrenzen in unterschiedlichen Winkeln auf die Straßenmittelachse treffen.“
Straßenreinigungssatzung: Wedel ist unzufrieden mit den Antworten aus der Verwaltung
Die Wedeler SPD weist auf die Kann-Situation hin: „Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass ein solches Vorgehen auch nicht rechtens sein kann, Die Wedeler Satzung unterliegt daher aus juristischer Sicht einer Einzelfallprüfung.“
Zudem sei an anderer Stelle in diesem Gerichtsurteil nur von Beträgen im Bagatellbereich die Rede. „Und nicht, wie in Wedel, von unterschiedlich hohen Gebühren im Bereich des Vielfachen“, erklärt die SPD.
Gleich große Grundstücke dürften nicht unterschiedlich berechnet werden
Es gebe mehrere aktuelle Urteile, in denen die unterschiedliche Berechnung von gleich großen Grundstücken eben nicht konform mit dem Grundgesetz sei.
Die Sozialdemokraten haben sich von einem Anwalt für Verwaltungsrecht, Spezialgebiet Gebühren beraten lassen. Diese habe erklärt, dass die Stadt in einem ersten Schritt detaillierte Zahlen über Kosten und Einnahmen bei der Straßenreinigungsgebühren veröffentlichen müsste, damit eine juristische Prüfung möglich sei.
Wedel: Bei der Straßenreinigung gleiche Grundstücke unterschiedlich berechnet
Einige Anlieger am Wedeler Elbhochufer erhielten einen Gebührenbescheid über fünf Meter Frontlänge, was einem jährlichen Gebührenbeitrag von 31,85 Euro entspräche, während viele hintere Anlieger, deren Grundstücke lediglich in einem anderen Winkel zur Straße stehen, zum Beispiel 143,33 Euro im Jahr an Gebühren entrichten sollen.
Dass Gebühren erhoben werden sollen, die die tatsächliche Straßenlänge um ein Vielfaches übersteigt, erschließt sich der Wedeler SPD-Fraktion nicht.
Dem Ratsherr Wolfgang Rüdiger, neben Gerrit Baars (bürgerliches Mitglied im UBF-Ausschuss) Unterzeichner der Stellungnahme, sei ein Urteil bekannt, bei dem sich die Straßenreinigungsgebühr auf die eigene Straße beziehe – und eben nicht, wie von der Stadt proklamiert, auf das gesamte Stadtgebiet umgerechnet werde.
Stadt Wedel stellt neue Gebührensatzung als alternativlos dar
Die Verwaltung stellt die neue Gebührensatzung weiterhin als alternativlos dar. „Dabei gibt es ganz unterschiedliche Modelle zur Berechnung einer Straßenreinigungsgebühr. Zum Beispiel gibt es auch die Möglichkeit, als Berechnungsgrundlage eine Quadratwurzel aus der Grundstücksgröße zu ziehen“, so die SPD-Vertreter.
Oder aber jeder Bürger wäre einfach selbst dafür verantwortlich, seine eigene Straße zu reinigen. Im Herbst könnten für das Laub dann Container aufgestellt werden.
SPD-Fraktion fühlt sich „völlig unzureichend informiert“
Die SPD-Fraktion fühle sich von der Verwaltung völlig unzureichend informiert: „Alternativberechnungen, auch mit Vor- und Nachteilen, wurden nicht vorgestellt und die rechtlichen Auskünfte der Verwaltung beinhalten lediglich eine Wiederholung des gleichen Satzes und stellen keine aktuelle und vollständige Rechtsauskunft dar.“
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Auch hätten die Sozialdemokraten im Nachgang der Beantwortung der Fragen von der Verwaltung festgestellt, dass die generelle Erhöhung um 313,8 Prozent nicht plausibel dargestellt sei. Für viele Grundstücke in Wedel werden jetzt 6,37 Euro pro Meter als Gebühr zugrunde gelegt.
Straßenreinigung in Wedel: Andere Kommunen weniger Gebühren
„Fast alle Städte verlangten lediglich Gebühren von zwei Euro pro Meter oder noch deutlich weniger. Die im Vergleich zu anderen Städten sehr hohen Straßenreinigungsgebühren erklären sich uns nicht“, so die SPD.
Ein Bewohner der Königsbergstraße hatte Glück, seine Straßenmeter wurden von 20 auf sieben Meter reduziert – in derselben Straße bleibt es bei einem anderen Bewohner bei den zuvor veranschlagten 23 Metern. Teilweise erhöhen sich nach dem Einspruch allerdings sogar die Gebühren nach der Prüfung.