Wedel. Fleisch und Gemüse in Spitzenqualität gibt es im Hofladen des Haidehofs zu kaufen. Warum das Gut Vorreiter in der Landwirtschaft ist.
- Ohne Pestizide und Fungizide – regenerative Landwirtschaft wird auf dem Gut Haidehof gelebt.
- Gemüse gibt es im Hofladen zu kaufen oder als Abo-Kiste wöchentlich nach Hause geliefert.
- Betreiber wünschen sich mehr Unterstützung seitens der Politik, um regenerative Landwirtschaft vorantreiben zu können.
„Das ist das beste Gemüse, das ich je in der Hand gehalten habe“, sagt Florian Weischer. Er ist Mitgesellschafter und Geschäftsführer auf dem Gut Haidehof in Wedel. Absender dieser Nachricht war ein Hamburger Sternekoch. Das sei natürlich das größte Lob, das man bekommen könne, sagt Weischer.
Auf 3000 Quadratmetern Beetfläche kümmern sich auf dem Bio-Hof täglich vier Mitarbeiter um etwa 160 Gemüsesorten, die in sorgfältigster Handarbeit angebaut und gepflegt werden. Das gesamte Team, international aufgestellt, ist gut viermal so groß.
Bio-Gemüse vom Wedeler Gut Haidehof: Selbst der Sternekoch schwärmt
Das Konzept beruht auf Ursprünglichkeit. Die großen Schlagworte: Regenerative Landwirtschaft. „Ein Leuchtturm der Landwirtschaft“ nennt Weischer das Projekt, das nun seit bereits vier Jahren auf dem Haidehof täglich mit Leben gefüllt wird.
Das Gemüse wird ohne Pestizide, Fungizide oder dergleichen angebaut. Auf dem Hofgelände gibt es einen Traktor und eine Erntehilfemaschine – sonst wird auf technisches Equipment verzichtet. „Natürlich ist es ein hoher Aufwand, aber wir sind stolz auf unsere Arbeit. Dafür lohnt es sich auf jeden Fall“, sagte Hannes Höhne, Teil der Betriebsleitung des Hofs.
Gut Haidehof in Wedel: Produkte sind beliebt in der Region
Es geht darum, die Natur und ihre Zyklen zu respektieren und zu schätzen. Auch die Tiere werden – obwohl das Fleisch verkauft wird – wertgeschätzt. Die Produkte des Wedeler Hofes werden in der Region ausgeliefert. Auch an Privatpersonen – es gibt aktuell 110 Abo-Kisten im wöchentlichen Rhythmus für die Vertragspartner.
Zudem gibt es einen kleinen Hofladen, in dem unter anderem Tomaten, Kohlrabi und vieles mehr an Gemüse und Säften erworben werden kann. 2022 wurden laut Aussage Weischers etwa 1000 Menschen von Lieferungen des Hofs ernährt. Übrig gebliebenes Gemüse geht vom Hof stets an die Tafeln.
Ziel der EU: Ökologische Landwirtschaft vorantreiben
„Mit frühzeitiger Planung sind auch größere Lieferungen möglich. Ein bisschen mehr Fläche zum Anbauen wäre trotzdem nicht schlecht“, so Höhne. Und die Ausweitung der ökologisch betriebenen Landwirtschaft ist sogar ein Ziel der Europäischen Union: Bis zum Jahr 2030 sollen mindestens 25 Prozent der Agrarflächen auf diese Art bewirtschaftet werden. In Deutschland gibt es auch noch viel Luft nach oben. „Momentan liegt der Anteil bei elf Prozent“, sagt Weischer.
Neben Gemüse sind auf dem Haidehof auch Rinder und Hühner heimisch. Die Rinder werden bis zu dreimal täglich auf eine der 90 Grünflächen des Hofs geführt. So fressen die Tiere immer frisches Gras, während sich der Rasen durch die ständige Rinder-Rotation – inklusive Hinterlassenschaften – bestmöglich regenerieren und mit Nährstoffen selbst versorgen kann. Zwischen 60 und 90 Tage dauert es, bis das Rind wieder auf dieselbe Grünfläche, auf der es einst gegrast hatte, zurückkehrt.
Innovative und nachhaltige Methoden werden eingesetzt
Verschwendung soll es auf dem Haidehof nicht geben. So wird beispielsweise auch Regenwasser aufgefangen und zur Bewässerung der Pflanzen verwendet. Ein Bewässerungssystem entlang der Beete wird zusätzlich genutzt.
Auch der Boden wird mit der sogenannten No-Dig-Methode behandelt. Das bedeutet: Im Gegensatz zu konventioneller Landwirtschaft wird der Boden gar nicht gepflügt. Nur so könne sich nach Angaben der Betreiber im Boden ein Ökosystem für Pilze bilden, die wiederum zur Gesundheit und Langlebigkeit des Gemüses beitrügen.
Wedeler Haidehof: Umweltschutz wird auf dem Hof gelebt
Diese Methode sei sehr schonend für die Umwelt, da so Nährstoffe im Boden gespeichert würden. Beim Pflügen in der konventionellen Landwirtschaft würden sonst Treibhausgase – beim Abbau von organischem Material entsteht CO2 – in die Atmosphäre befördert.
Durch eine im Vergleich zur konventionellen Methode sieben mal dichtere Pflanzung des Gemüses wird auf dem Haidehof unter anderem der Ertrag erhöht und das Unkraut automatisch bekämpft, da jenem das Licht zum Wachsen fehlt.
Auch die Politik schaut sich die Arbeit auf dem Haidehof an
Auch zwei SPD-Politiker schauten sich kürzlich auf dem Gut Haidehof im Rahmen einer Nachhaltigkeitstour im Norden um: Delara Burkhardt, Abgeordnete im Europa-Parlament, und der Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Thomas Hölck ließen sich die Besonderheiten des Wedeler Hofs erklären.
Zu den politischen Schwerpunkten Burkhardts gehören unter anderem internationale Klimapolitik und Biodiversität. Die Vielfältigkeit der angebauten Pflanzen, die sorgfältige Behandlung des Bodens und der komplette Verzicht auf Pestizide beeindruckten die beiden Politiker sehr.
Haidehof Wedel – bald auch Ausbildungsstätte?
„Wir sind dabei, auf politischer Ebene die Pestizid-Verordnung auf den Weg zu bringen. Das sind solch große Räder, die in Bezug auf ökologische Landwirtschaft helfen werden“, sagt Burkhardt. Dann müssten solche Räder auch wirklich greifen, und das schnellstmöglich, entgegnet Weischer auf direktem Wege. Eine Abstimmung im EU-Parlament über diese Verordnung soll im Oktober kommen.
Längeres Warten sind auch Haidehof-Interessenten gewohnt: „Wir haben etwa 100 Bewerbungen pro Stelle“, erzählt Weischer. Für ein Praktikum habe es sogar 204 Bewerbungen gegeben. Hölck hat solche Zahlen nicht erwartet. „Das überrascht mich aber nun tatsächlich, wenn ich da zum Beispiel an das Handwerk denke, das über zu wenig Bewerber klagt“.
Gesellschafter beklagt mangelhafte Unterstützung
Die Nachfrage nach Arbeit auf dem Hof sei in den letzten Jahren immens gestiegen. Das liege laut Weischer auch daran, dass immer mehr Menschen einen anderen Weg als den „klassischen Bürojob“ einschlagen wollen. „Es sind fast ausschließlich Quereinsteiger, die sich bei uns bewerben“, so einer der beiden Geschäftsführer des Hofs.
Theoretisch möchten die Betreiber des Hofes ihre Mitarbeiter gern selbst ausbilden, um dieser hohen Nachfrage gerecht zu werden. Diesem Vorhaben steht jedoch vor allem das Baurecht im Weg. „Uns ist es derzeit leider aufgrund verschiedener Vorschriften nicht gestattet, ein Gebäude für Seminarräume oder weiteres zu bauen. Daran arbeiten wir jedoch,“ erzählt Höhne.
Florian Weischer fordert „mehr Initiative“ der Politik
Um dieses Projekt weiterzuentwickeln, bedarf es Förderungen seitens des Staats und der EU. Diese fielen laut Aussage des Geschäftsführers jedoch bisher äußerst knapp aus. Das Wirtschaften in aktuellen Krisenzeiten ist nicht gerade einfach – aus einer „roten Null“ solle möglichst in zwei Jahren wenigstens eine „schwarze Null“ werden, so der Geschäftsführer.
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„Von den Zuschüssen, die wir erhalten, ist es sehr schwierig für uns, den Hof wachsen zu lassen. Anstatt die Arbeit auf dem Feld zu subventionieren, gibt es eine festgeschriebene Summe pro Hektar des Hofs“, sagt er. Von der bisherigen Regelung profitierten vor allem die Großbetriebe mit riesigen Flächen. Da könne der Haidehof nicht mithalten. „Unser Hof umfasst etwa 20 Hektar Fläche“, so Weischer. 12.000 Euro Fördergeld sind das im Jahr.
Änderungen an der europäischen Subventionierung seien bereits geplant, in Zukunft solle der landwirtschaftliche Mehrwert der entscheidende Faktor sein. Weischer wünscht sich außerdem mehr Initiative seitens der Politik.
Leidenschaft für Natur pur – Gut Haidehof in Wedel
„Die Zielsetzungen der Politik sind die Richtigen. Es dauert nur leider sehr lange, bis zum Beispiel ein neuer Bescheid genehmigt wird. Unsere Innovationen stoßen leider regelmäßig auf Stolpersteine. Regenerative Landwirtschaft ist für alle Seiten von Vorteil, und ich würde mir wünschen, dass unsere Methoden von anderen adaptiert werden“, sagt Weischer.
Zurzeit gibt es in Deutschland laut Aussage des Geschäftsführers knapp ein Dutzend Betriebe, die vergleichbare Methoden anwenden. Er möchte viele weitere Landwirte mit der Idee der regenerativen Landwirtschaft infizieren. Weischer fordert: „Wir müssen weg von konventioneller Landwirtschaft – der Umwelt und uns Menschen zuliebe.“