Wedel. Politik ist uneins über die Planung an der Holmer Straße – und vertagt den Beschluss. Bauherr wirft FDP „Lobbyismus“ vor.
Manchmal verdeutlichen Zahlen ein Problem besser als 1000 Worte: In Wedel gibt es aktuell 561 Haushalte, die eine bezahlbare Wohnung suchen und auf der Warteliste des Sozialamtes für Sozialwohnungen stehen. Die Anzahl dieser Wohnberechtigungsscheine, die jeweils ein Jahr gültig sind, steigt stetig: 2020 waren es 210 Scheine, ein Jahr später 267 und 2022 sind es 318. Dadurch wird klar: Bezahlbarer Wohnraum für einkommensschwächere Schichten ist in der Stadt Mangelware.
Wedel: Stadt zögert den Bau von sozialem Wohnraum hinaus
Bauherr Thomas Volk möchte daran seit bald 20 Jahren etwas ändern (das Abendblatt berichtete) und an der Holmer Straße am Ortseingang bauen – bis zu 48 Wohnungen von gut 100 sollen dabei förderungswürdig werden und bezahlbar für die Mieter. Über den Mix soll das Vorhaben für ihn finanzierbar bleiben. Bislang verhindert aber eine fehlende Verschiebung der sogenannten Regionallinie durch das Land Schleswig-Holstein eine detaillierte Planung auf dem Areal.
Laut Auskunft des Landes sollen die Entwürfe dieser Regionalplanungen im August vorliegen. „Das sollten sie schon 2019“, sagte Olaf Wuttke (parteilos) im Planungsausschuss am Dienstagabend. Eine gute Stunde wurde über den dazugehörigen Bebauungsplan 27d leidenschaftlich diskutiert.
Die Fraktion Die Linke wollte per Antrag eine Fortführung des Bebauungsplanverfahrens erreichen. Darüber sollte abgestimmt werden. Auch vor dem Hintergrund der Bundesgesetze (Grundsteuerreform und Mobilisierung von baureifen Grundstücken).
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Wedeler Politiker können sich nicht einigen – Entscheidung vertagt
Kurzfristig hatte Martin Schumacher (FDP) ebenfalls einen Antrag eingereicht und forderte darin die Verwaltung auf, Vorbereitungen dafür zu treffen, dass die Flächen des B-Plan-Entwurfes „in einem erforderlichen neuen Flächennutzungsplan und korrespondierendem Landschaftsplan in einem Parallelverfahren als künftige Wohngebiete ausgewiesen werden.“
Beide Pläne müssten nach Ansicht Schumachers aktualisiert werden – alle Grundstückseigentümer einbezogen werden. „Sozialwohnungen wollen wir auch, aber auf dem rechtlich, planerisch und politisch vernünftigsten Weg“, heißt es im Änderungsantrag. Die FDP warnte vor einer „Splittersiedlung“ am Ortseingang.
Überdies gab es einen Diskurs darüber, ob es überhaupt noch einen gültigen Bebauungsplan für die Flächen von Volk gibt – infrage gestellt wurde die Gültigkeit des Aufstellungsbeschlusses sowie die bestehenden Verträge mit der Stadt. Am Ende gab es keine Einigung, denn die SPD-Fraktion um Manfred Eichhorn meldete internen Beratungsbedarf an. Die Entscheidung wurde vertagt.
Wedel: Will die Politik sozialen Wohnungsbau verhindern? Bauherr sauer
„Ich habe nicht vermutet, dass es auf politischer Ebene derartige Bestrebungen gibt, auf meiner Fläche sozialen Wohnungsbau zu verhindern. Der Antrag von Herrn Schumacher hatte nur das Ziel, eine Entscheidung zu vertagen. Aus meiner Sicht ist das Lobbyismus“, sagte Volk im Anschluss an die Sitzung. Durch eine Änderung des bestehenden Flächennutzungsplanes sei im Baurecht die ursprünglich favorisierte „villenähnliche Bebauung mit vier Wohneinheiten auf den Grundstücken“ wieder möglich.
Der Bauherr pocht darauf, sich in einem gültigen Bebauungsplanverfahren zu befinden. Den Aufstellungsbeschluss gab es 2005, 2010 hätte die Verwaltung laut Volk nach Entscheidung des Landes, dass vorläufig keine zusätzlichen Flächen zur Verfügung gestellt werden können, die Gelegenheit verpasst, den Plan zu kippen.
Das Thema wird Verwaltung und Politik weiterhin beschäftigen. Bürgermeister Gernot Kaser hatte zuvor um eine positive Grundstimmung seitens der Politik bezüglich bezahlbaren Wohnraumes geworben. Während der Sitzung sagte er: „Für Unternehmen, die sich ansiedeln wollen, ist bezahlbarer Wohnraum für ihre Mitarbeiter mittlerweile ein echter Standortfaktor.“