Elmshorn. Der Ungar bereitet sich in Elmshorn mit seiner eigenwilligen Stute auf die Weltspiele 2024 vor. Welchen Rückschlag es jetzt gab.
Vielseitigkeitsreiter werden in der Dressur- und Springszene auch liebevoll „die Buschis“ genannt. Es ist eine faszinierende und sehr anspruchsvolle Disziplin im Pferdesport, die den Reiter und sein Pferd in unterschiedlichen Bereichen an drei aufeinander folgenden Tagen herausfordert. Der erste Tag beinhaltet Dressur. Am zweiten Tag geht es ins Gelände – hoch, weit und tief wird gesprungen. Am dritten und letzten Tag ist ein Spring-Parcours die Herausforderung.
Pferdesport Vielseitigkeit: Tôth hat mit Stute Zypresse ehrgeizige Ziele
Das Konditionstraining absolviert Imre Tôth regelmäßig in Elmshorn im Rahmen des Clubs der Springreiter. Seine ehrgeizigen Ziele bislang: Teilnahme an der Europameisterschaft Mitte August im französischen Le Pin-au-Haras, für die er sich mit seiner Holsteiner Stute Zypresse bereits qualifiziert hatte, und an den Olympischen Spielen 2024 in Paris. „Meine Kollegen aus dem Springsport grinsen immer, wenn sie mich in Elmshorn sehen und sagen: Achtung, da kommt der Buschi, der kann richtig springen“, sagt Tôth.
Beim Holsteiner Verband auf dem Herbert Blöcker Platz wird trainiert, dass die Stangen liegen bleiben. Im Gelände rutschen die Vierbeiner gerne ganz knapp über die Hindernisse; allerdings geht das nicht im üblichen Springparcours, da kommen überflüssige Fehler in der Bewertung hinzu.
Bei den „Buschis“ läuft eben vieles anders. Für Zuschauer ist es bei der Geländeprüfung immer die Frage, wo platziert man sich auf der Strecke von knapp sieben Kilometer Länge. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 43 Kilometern pro Stunde donnern Pferd und Reiter durch das Gelände. Das Tempo wird bei schwierigen Hindernissen stark reduziert. „Kontrolle, richtiges Abspringen und eine sichere Landung sind das A und O“, sagt der 41 Jahre alte Vollprofi. Die Anforderungen sind besonders im Gelände mit bis zu 35 Sprüngen sehr kräftezehrend. Kondition und eine geradezu perfekte Vorbereitung sind unerlässlich.
Die Vielseitigkeitsausbildung ist zeitintensiv und erfordert Kondition
Die Ausbildung ist zeitintensiv, und es eignen sich nur spezielle Tiere, die es wollen und im Training umsetzen können. Der Geländeritt erfordert auch vom Reiter Mut und Geschicklichkeit. Die Geschwindigkeit und die besten Linien zwischen den Hindernissen zu finden entscheidet über eine erfolgreiche Runde. Furchteinflößende Buschoxer, nachgebaute Billardtische, terrassenförmige Hindernisse, die sich harmlos Wellenbahn nennen, wo Pferd und Reiter über zwei Ebene hochspringen und dann in das Gefälle springen. Da ist pure Muskelkraft gefragt. Zudem müssen alle Vierbeiner grundsätzlich Wasser mögen, es geht in flachen Teichen über Entenhäuser oder stilisierte Schiffe.
In der Praxis geht jeder „Buschi“ fünf- bis sechsmal den langen Parcours ab, damit jeder Galoppsprung am Hindernis passt. Imre Tôths Lebenspartnerin Aenny Lütjens (39) kommt dabei grundsätzlich nicht mit. „Für mich sind Angstsprünge dabei, die Nerven habe ich nicht. Da bin ich definitiv keine Hilfe für Imre“, sagt Lütjens. Die Dressurreiterin liebt die Sicherheitsvariante. „Wenn es für Imre ins Gelände geht, benötige ich meine Mädels, die mich beruhigen.“
Mit 19 Jahren verlässt Tôth Ungarn und kommt mit 120 Mark in der Tasche nach Deutschland
Seine Laufbahn unterscheidet sich von allen Reitern. Der Ungar hatte mit 19 Jahren beschlossen, sein Land mit nur 120 Mark im Geldbeutel zu verlassen. Das Wichtigste hatte er dabei, seine Reitstiefel und eine kleine Reisetasche. Dann ging es per Anhalter nach Deutschland, für ihn das Mekka der Reiter. „Im Vielseitigkeitssport haben immer die deutschen Reiter das erste Olympische Gold geholt“, sagt Tôth.
Marina Köhncke nahm Imre Tôth spontan auf. Arbeit gibt es im Stall der Vielseitigkeitsreiterin zu Genüge. Tôths Arbeitgeberin kennt alle Plätze dieser Welt. Sie wird die Mentorin des jungen Ungarn, fördert immer noch sein Talent. „Vom ersten Lohn kaufte ich mir zunächst das Nötigste“, sagt der inzwischen erfolgreiche Reiter, Ausbilder und Pferdehändler.
Imre Tôth schwört auf die Qualität von Holsteiner Pferden
„Ich schwöre, nach meinen Erfahrungen kommen mir für große internationale Prüfungen nur Holsteiner unter meinen Sattel“, sagt Tôth. Mit den Erfolgen bei Turnieren und der Qualifikation für die Europameisterschaft kommen natürlich auch Kaufangebote. Allerdings sind alle an Zypresse gescheitert. „Nach zwei Testtagen habe ich Zypresse in der Regel immer wieder abgeholt. Entweder kommt Madame nicht aus der Box, oder sie macht ihren Job nicht. Schlägt einen Hasenhaken oder dreht urplötzlich die Richtung, wenn Pferde entgegen kommen. Ich lag früher x-Mal im Sand“, sagt Tôth. „Eine Pferdepflegerin mussten wir entlassen; da hat sich unsere Madame komplett stur gestellt. Wir rätseln heute noch über die Ursachen“, sagt der 41-Jährige.
Mit Zypresse hat Tôth das EM-Ticket schon sicher, dann der Rückschlag
Zypresse war schon immer sehr eigenwillig, doch wenn es um etwas geht, spürt sie es und ist voll dabei. Inzwischen hat sich Tôth für die Olympischen Spiele 2024 in Paris den dritten Platz in der ungarischen Nationalmannschaft erarbeitet. „Ich will auf den zweiten Platz kommen. Dann ist meine Teilnahme endgültig gesichert. Die Punkte sammeln wir bei Turnieren in Holland und Polen“, sagt Tôth zielstrebig.
Dann diese Woche der Rückschlag: Zypresse hat ein dickes Bein. Der Tierarzt attestiert eine Entzündung. Ausgeschlossen, dass die Stute bis zu Beginn der Europameisterschaft am 9. August fit ist. Das Regelwerk erlaubt nicht, Zypresse durch ein anderes Pferd zu ersetzen. Außerdem sind seine beiden anderen Trümpfe Anissa und Lussuri noch nicht reif für die Vier-Sterne-Turniere der Vielseitigkeit.
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„Dumm gelaufen, aber das Tierwohl steht an erster Stelle“, sagt Imre Tôth. Zypresse wird sich im Stall in Schwarzenbek (Kreis Herzogtum Lauenburg) auskurieren. Und Tôth wird weiter in Elmshorn trainieren, zunächst nur mit Anissa und Lussuri. „Zypresse ist für die Olympischen Spiele gesetzt“, sagt Tôth. „Wie ich Madame und ihre Allüren kenne, gefällt es ihr, auch mal ein paar Tage einfach nur in der Box zu bleiben.“