Tangstedt. Zu viel Regen 2017 lässt im Kreis den Ertrag an Heu und Stroh ins Wasser fallen. Reitstallbetreiber müssen nun teuer dazukaufen

Am kommenden Freitag beginnt auf der Reitanlage Sellhorn in Tangstedt das traditionelle, dreitägige Springturnier. Doch Reitstallbe­­treiber Harald Sellhorn hat neben der Organisationsarbeit zurzeit ganz andere Sorgen. Er ist stocksauer. 32 Heuballen, jeder 300 Kilo schwer, hat ein Bauer aus Mecklenburg-Vorpommern gerade für Sellhorns Hof in Tangstedt geliefert – und dann das: Auf den ersten Blick sind sie einwandfrei, doch beim Öffnen der Ballen offenbart sich das Elend. Das Heu ist feucht, verschimmelt, unbrauchbar.

„Der Typ hat mich über den Tisch gezogen“, schimpft Sellhorn. 2500 Euro hat der 69-Jährige für die Lieferung bar bezahlt; das Geld wird er wohl nie wiedersehen. Der miese Deal wirft ein Schlaglicht auf die Situation der Landwirte und Reitstallbetreiber im Kreis Pinneberg. Heu ist knapp und teuer, Stroh ebenso. Die Betroffenen können den Bedarf nicht mehr aus eigener Kraft decken, sie müssen zukaufen.

Grund für die Misere ist das Wetter. „Meine Weiden an der Pinnau haben sich in eine Seenplatte verwandelt“, stellt Harald Sellhorn lakonisch fest. „Die schlechte Ernte von 2017 zeigt sich nun mit voller Wucht und ihren Spät­folgen. Ab Juni war es keine drei Tage im Stück trocken; nun ziehen die Preise für Heu und Stroh nach oben“, sagt Peer Jensen-Nissen (37), Geschäftsführer vom Kreisbauern­verband Pinneberg. „Unsere Ernte ist buchstäblich ins Wasser gefallen. Im Vergleich zu 2017 ist der Ertrag um fast ein Drittel eingebrochen.“

Das hat im von Landwirtschaft geprägten Kreis Pinneberg dramatische Folgen. „Das Kreisgebiet umfasst 35.000 Hektar Grünland und Ackerfläche“, sagt Jensen-Nissen. „Davon werden 16.000 Hektar von Pferden und Rindern beansprucht, 15.000 Hektar stehen als Ackerland zur Verfügung, der Rest verteilt sich auf Silomais und Sonderkulturen, wie Obst und Baumschulflächen.“

Mit 30 Hektar Weideland ist Sell-horn als Heu-Selbstversorger gut aufgestellt – eigentlich. „900 Ballen produziere ich für circa 70 bis 80 Pferde, damit komme ich normalerweise gut über ein Jahr“, sagt Harald Sellhorn. „Allerdings reduzierte sich die Heu­ernte 2017 auf 700 Stück; der Rest war nicht zu gebrauchen.“

Doch ohne Heu und Stroh läuft nichts in der Pferdewirtschaft. Heu dient als Futter, mit Stroh werden die Böden der Boxen ausgestattet, den die Tiere als Ruhe- und Futterplatz nutzen. Dort erleichtern sie sich auch. Je nach Pferd und Fütterung fallen pro Tier täglich zwischen zehn und 20 Kilo Kot und fünf bis zehn Liter Urin an.

Das bedeutet zusammen mit der Einstreu 20 bis 30 Kilo Mist pro Pferd und Tag. Daraus ergeben sich auch die wichtigsten Gründe, warum eine Pferdebox eingestreut wird. „Die Einstreu stellt einen trockenen und damit behaglichen Bereich dar, den die Pferde gern als Liegeplatz nutzen“, sagt der Agrarexperte Peer Jensen-Nissen. „Außerdem sorgt die Saugfähigkeit des Einstreumaterials dafür, dass es auch so bleibt.“

Während eine Tonne Stroh zum Beispiel im Oktober 2015 noch 70 bis 98 Euro kostete, stieg der Preis kontinuierlich an. „Im April dieses Jahr werden bis zu 135 Euro verlangt“, sagt Agrar­wissenschaftlerin Katja Wagner (35) vom Versuchszentrum Futterkamp, das Daten und Fakten aus ganz Schleswig-Holstein sammelt und auswertet.

„Bei Heu beträgt der aktuelle Marktpreis 17 bis 20 Euro pro 100 Kilogramm“, sagt Pinnbergs Kreisbauernverbands-Geschäftsführer Jensen-Nissen. Zwei Jahre zuvor waren es noch lediglich 9,50 bis 13 Euro je 100 Kilo.

Bisher konnten Pinneberger Reitstallbetriebe im Nachbarland Dänemark Heu dazukaufen. „Der Markt ist inzwischen auch dort leergefegt“, sagt der Tangstedter Harald Sellhorn. Ein Grund: „Die Niederländer haben ähnliche Probleme in der Landwirtschaft und kauften rechtzeitig ganze Lagerhallen-Bestände in Dänemark auf. Unter 50.000 Euro haben die Bauern das Scheunentor für die Holländer nicht geöffnet“, sagt Sellhorn kopfschüttelnd.

Der Tangstedter und viele seiner Kollegen weichen nun auf Mecklenburg-Vorpommern, Magdeburg und Halle an der Saale aus, um den Heu- und Strohbedarf zu decken. „In den Regionen hat es deutlich weniger geregnet“, sagt Sellhorn. Zu den gestiegenen Preisen für Heu und Stroh kommen die Transportkosten. „Die Spedition verlangt 1,20 Euro pro Kilometer. Das summiert sich schnell auf 700 Euro für Hin- und Rückfahrt. „Wenn man sich als Geschäftspartner noch nicht kennt, ist bei Anlieferung der Ware Barzahlung fällig“, sagt Sellhorn. „Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, schnelles Bezahlen ist Voraussetzung. Wenn ich da nicht mitspiele, bin ich chancenlos.“

Das Risiko, erneut verdorbene Ware geliefert zu bekommen, kann er nicht ausschließen. Der Spediteur lädt ab, kassiert, fährt wieder weg. Sellhorn: „Mir bleibt gar keine Zeit, die Qualität der ganzen Lieferung zu überprüfen.“