Tangstedt. Regine Schneider (64) trainiert in Tangstedt für Wettkämpfe der Hunterklasse. Eine Konkurrenz speziell für Spät- und Wiedereinsteiger

Meistens ist es doch so: Junge Mädchen entdecken ihre Leidenschaft für den Reitsport, das Pferd ist die erste große Liebe. Bei Regine Schneider läuft das ganz anders. Mit 64 Jahren schwingt sich die Hamburgerin in den Sattel, um auf dem Hof von Stallbetreiber Harald Sellhorn (61) in Tangstedt so reiten zu lernen, dass sie an einem Turnier teilnehmen kann.

Beweglichkeit, Muskelkraft und Ausdauer sind Voraussetzungen für einen guten Einstieg in den Reitsport, unabhängig vom Alter. Und Schneider hat sich den Auftakt genau überlegt. „Erst bin ich zu den Weight Watchers gegangen, 15 Kilogramm mussten runter, überflüssiges Gewicht soll mein Vierbeiner nicht tragen“, sagt Regine Schneider. Dann hat sich die selbstbewusste Frau ein erfahrenes und ruhiges Pferd gekauft – dachte sie jedenfalls.

Der Kampf um Sattelfestigkeit ist der erste wichtige Schritt

„Es war immer ein Highlight, wenn ich im Sattel blieb. Wie oft ich herunter gefallen bin? Das Mitzählen hatte ich aufgegeben“, sagt Schneider und lacht. Ihre erste Reitlehrerin Susanne Ladwig hatte sich dann Strategien überlegt, um Reiterin und Pferd auf einen guten Weg zu bringen. Zunächst war die Sattelfestigkeit das Problem, der eigene Körper benötigt viel Spannung, um die Bewegung des Pferdes auszubalancieren.

Kaum saß die erste Lektion, ging es an der Longe mit Leichttraben weiter – wieder ein neues Gefühl. „Zusätzlich habe ich zu Hause mit einem Medizinball mein Gefühl für Balance immer wieder geübt“, erklärt Schneider. „Der ist dafür perfekt geeignet, weil man sich daran nicht festhalten kann – genauso wenig wie auf einem Pferd.“ Als auch die Trab-Lektion saß, ging es im Galopp weiter. „Der war für mich zunächst enorm aufregend und anstrengend. Ich war nach zwei Runden völlig fertig, da ich das regelmäßige Atmen vergessen hatte“, sagt Schneider. Um die Kondition für den Reitsport zu bekommen, geht Schneider nun regelmäßig joggen.

Damit sie auch im Sport vorankommt, reitet Schneider nun den braunen Holsteiner Wallach Indorado (9). „Die Stute, die ich vorher hatte, war zu wild, es passte einfach nicht“, sagt Schneider. Vom zweiten Holsteiner Pferd Escado hat sich die Reiterin kürzlich getrennt. „Ein Tier kam immer zu kurz, ich musste mich entscheiden“, sagt Schneider. Ihr vierzehn Jahre alter Rappe Escado wird seinen Hafer nun bei einer Familie in Finnland fressen.

Der Einstieg in den Reitsport gehört finanziell gut geplant

Ein- bis zweimal in der Woche zu reiten, wie einige es betreiben, ist viel zu wenig, wenn man ein konkretes Ziel hat. „Ich möchte in den Prüfungen der Hunterklasse an den Start gehen. Dort muss ich nicht mit jungen Reitern oder sogar Profis konkurrieren“, sagt Schneider. Beim Einstieg in den Reitsport muss finanziell alles gut überlegt sein. „Wenn man sich für ein Pferd entscheidet, spielen Zeit und Geld eine Rolle. Das Tier muss jeden Tag gepflegt und bewegt werden“, erklärt Schneider. Zu den Anschaffungskosten des Pferdes – wenigstens mehrere Tausend Euro - kommen Sattel, Trense, Gamaschen (Beinschutz), Versicherung sowie unterschiedliche Pferdedecken je nach Temperatur und Jahreszeit hinzu.

Die laufenden Kosten für den Hufschmied liegen mit vier Eisen je nach Anfertigung und Ausführung alle sechs bis acht Wochen im Schnitt bei 150 Euro. Denn das ist klassische Hand- und Maßarbeit. Tierarztkosten liegen bei 90 Euro für einfache Impfungen, die im Pferdepass für Turniere registriert sind. Notgeld für einen plötzlichen Arztbesuch muss einkalkuliert werde.

Die Unterbringung schlägt mit rund 400 Euro zu Buche

„Auf der Weide kann immer ein Unfall passieren, da sollte finanziell ein Puffer vorhanden sein“, sagt Schneider. Hinzu kommen Kosten für die Unterbringung im Reitstall. Unter 400 Euro im Monat läuft da nichts, Vollpension mit regelmäßiger Bewegung in einer Führmaschine und Einsatz eines Bereiters kann durchaus 1500 Euro im Monat kosten.

Und ohne Unterricht (30 bis 45 Minuten je Einheit) kommen Amateure in der Regel nicht erfolgreich an den Start. Reitlehrer Mikko Piirala (41) coacht Schneider seit zwei Jahren zweimal in der Woche durch einen Parcours, um die Kondition fürs nächste Turnier zu fördern. Hinzu kommen eine Dressurstunde sowie zwei weitere Einsätze pro Woche, bei denen die 64-Jährige nach Lust und Laune reitet. „Wichtig sind korrektes Anreiten der Hindernisse und gutes Gefühl. Wer einen kleinen Warming-Up-Parcours sauber reitet, hat die Basis für höhere Aufgaben“, sagt Piirala.

Der internationale Springreiter aus Appen ermahnt zur Konzentration. Zwischen ihm und Schneider gibt es eine Abmachung: „Du bekommst nur Unterricht, wenn ich Bemühungen sehe und du Fortschritte machst.“ Zehn Jahre hat Piirala vor der Selbstständigkeit für den zweifachen Derby-Sieger Carsten-Otto Nagel in Wedel als Pferdetrainer gearbeitet. Der Mann weiß, wovon er spricht.

Wer in den Sattel steigen möchte, sollte überlegen, welche Reitweise zu ihm passt ist. Möchte man viel ausreiten, sich nach dem Büro entspannen oder mit der klassischen Reitlehre intensiv beschäftigen? Für jeden Bedarf gibt es unterschiedliche Reitställe.

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