Der 1. FC Quickborn hofft auf den Verbleib von Afghanistan-Flüchtling Aliakbar B., 17, der nach Ungarn abgeschoben werden soll
Quickborn. Am Mittwoch, 4. März, wird es so weit sein. Aliakbar B. bestreitet auswärts gegen den SV Henstedt-Ulzburg seinen ersten Einsatz für die A-Junioren des 1. FC Quickborn, ein Freundschaftsspiel. „Ich schmeiße ihn rein“, kündigte Trainer Jan Ketelsen in der Sprache der Fußballer an. Der Anpfiff auf dem Sportplatz an der Theodor-Storm-Straße ertönt um 20 Uhr.
Eine Welle der Solidarität hat sich entwickelt
Für den Jungen aus Afghanistan, 17, liegt das Trikot mit der Rückennummer 20 bereit. Ebenso wie die Stiefel und die weitere Ausstattung handelt es sich um eine Gabe von Teamsponsor „Schüler-Hilfe Quickborn“. Der Club setzte den mittellosen Stürmer beitragsfrei. „Eine Welle der Solidarität mit Aliakbar entwickelt sich“, spürt Thomas Krohn vom Fachdienst „Jugend und Bildung“ im Kreis Pinneberg, den das Jugendamt zum Vormund bestimmte. Der Kampf um den jungen Mann hat begonnen.
Dem droht die „Rückführung“, wie es im Amtsdeutsch heißt, nach Ungarn. Dort hatte B. nach seiner wahrscheinlich abenteuerlichen Flucht ohne weitere Familienangehörige aus der Provinz-Hauptstadt Ghazni im Juli 2014 einen Antrag auf Asylrecht eingereicht. Im Oktober tauchte er in der Pinneberger Diakonie auf. Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht lehnte seinen Antrag ab, in Deutschland bleiben zu dürfen. Ein unanfechtbarer Beschluss, von dem niemand weiß, wann ihn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Neumünster umsetzen wird. „Das sogenannte Dublin-Abkommen der EU-Länder sieht leider vor, dass Flüchtlinge sich dort aufhalten müssen, wo sie zuerst einen entsprechenden Antrag gestellt haben. Das wäre in diesem Falle Ungarn“, brachte Jan Ketelsen in Erfahrung. Gängiges Recht würde auf das persönliche Schicksal eines Minderjährigen treffen. Doch die Quickborner Kicker fordern ein 1:0 für die Menschlichkeit.
Schließlich sei die Bereitschaft von B., sich zu vollständig zu integrieren, offenkundig. „Er hat sich in kurzer Zeit sehr gut eingeführt“, sagt Lehrerin Antje Reese von der Beruflichen Schule in Pinneberg, Bahnhofsstraße, die dem Neuankömmling zwölf Stunden pro Woche die deutsche Sprache beibringt. Bald wird eine problemlose Verständigung auf dem Spielfeld möglich sein, nachdem man sich beim ersten gemeinsamen Training am 2. Februar noch mit Händen, Füßen und der Hilfe eines Dolmetschers unterhalten hatte.
Gemeinsam mit über 30 weiteren jungen Asylbewerbern, überwiegend Syrer und Afghanen, lässt sich der schüchtern wirkende junge Mann auch in den Fächern Mathematik, Politik und Sport unterrichten. Schulleiter Andreas Voss beschreibt dessen Wesen als „überaus freundlich“. FCQ-Jugendleiter Mike Jeglinski und Jan Ketelsen wollen dem Nachwuchsspieler, der Stadt Barmstedt zugewiesen und dann in Quickborn untergebracht, helfen, „das Leid, das sich ganz bestimmt in seinen Kopf eingebrannt hat, für ein paar Stunden in der Woche zu vergessen“.
Jan Ketelsen bescheinigt Aliakbar großes Talent
Die Sicherheitslage in der Heimat von Aliakbar B. gilt nach wie vor als prekär. Viele ländliche Gebiete werden immer noch von den Taliban, der islamistischen Miliz, die nach einem Bericht der Vereinten Nationen in den Jahren 2009 und 2010 für über drei Viertel der zivilen Opfer verantwortlich war, beherrscht. Menschenrechtsgruppen haben den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag veranlasst, eine Untersuchung gegen die Taliban wegen systematischer Kriegsverbrechen durchzuführen.
Noch nicht einmal in der Hauptstadt Kabul herrscht Sicherheit. Fußball-Nationaltrainer Yousuf Kargar, 2013 gefeierter Südasien-Meister, erlitt bei einem Messer-Angriff Unbekannter im Januar lebensgefährliche Verletzungen und kam auf die Intensivstation. Er trat zurück. Nachfolger Slaven Skeledzic, gebürtiger Bad Homburger mit bosnischen Wurzeln, hält auf der ganzen Welt nach Akteuren für seine Auswahl Ausschau. Aus Hamburg gehört schon seit längerer Zeit Mustafa Hadid, Oberligaspieler von Altona 93, dazu.
Zu Nationalmannschaftsehren brachte es auch Ata Yamrali, der von 2002 bis 2003 für den TuS Holstein und von 2009 bis 2010 für den Wedeler TSV kickte. Die sportliche Zukunft von Aliakbar B. ist ungewiss, bei allem Talent, das ihm neben „Ballsicherheit, taktischem Verständnis und Zug zum Tor“ von Ketelsen bescheinigt wird. Zurzeit liegt noch nicht einmal die Spielberechtigung des Hamburger Fußball-Verbandes für Punktspiele vor. „Doch der Junge wirkt sehr glücklich bei uns“, sagt Jan Ketelsen. „Wir hoffen inständig, dass er jetzt nicht einfach in ein Flugzeug gesetzt und ihm erneut der Boden unter den Füßen weggerissen wird.“
Im Kreis Pinneberg (knapp über 300.000 Einwohner) gibt es heute rund 1100 Asylbewerber, 110 davon in Quickborn. Der Kreis nimmt insgesamt etwa 10,5 Prozent aller im Land auf.