Elmshorn/Kreis Pinneberg . Krankenhaus investiert 2,5 Millionen Euro in neues Gerät. Die OPs sollen dadurch viel präziser, sicherer und schonender werden.

Bei den Regio Kliniken im Kreis Pinneberg operiert der Roboter jetzt mit. Für schwerwiegende Eingriffe wie Prostata-, Nieren-, Blasen- und Darmkrebs und bald auch Lungenkrebs sowie andere Organtumoren wird jetzt im Klinikum Elmshorn ein neues High-Tech-Verfahren eingesetzt, das es in dieser Form nur noch im Universitätsklinikum in Kiel und Lübeck in Schleswig-Holstein gibt. „Da Vinci XI“ heißt das vierarmige Gerät in fünfter Generation eines US-Herstellers, in das die Klinik 2,5 Millionen Euro investiert hat.

„Auf diese Weise können wir jetzt viel präziser, schneller und viel sicherer und schonender für die Patienten operieren“, erklärt Regios Urologie-Chefarzt Ousman Doh, der bereits etwa 20 Eingriffe seit Ende Mai mit dem neuen Verfahren erfolgreich absolviert hat. Er versichert aber: „Ein Chirurg muss natürlich immer dabei sein. Sonst funktioniert es nicht. Der Roboter kann nicht allein operieren.“

OP mit Roboter: Hochauflösende 3-D-Kamera macht die Eingriffe präziser und sicherer

Mit Hilfe der zehnfachen Vergrößerung und dem Vierfach-Zoom der Spezialkamera in dreidimensionaler HD-Qualität von da Vinci ließe sich die Prostata und die sie umgebenden Nervenzellen rundum von allen Seiten so deutlich und in einer nie dagewesenen Auflösung auf einem großen Bildschirm verfolgen und operieren. Die Schnitte würden so extrem sicher und präzise sein, sagt der Chefarzt, der sich schon seit etwa zehn Jahren dieses neuartige Gerät für seine OPs gewünscht hat.

So sitzt der Chirurg Dr. Ousman Doh während der OP an dem Gerät und bedient die vier Greifarme wie mit einer Computerkonsole.
So sitzt der Chirurg Dr. Ousman Doh während der OP an dem Gerät und bedient die vier Greifarme wie mit einer Computerkonsole. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

„Die Patienten haben nach der OP kaum noch Schmerzen“, sagt Dr. Doh. Statt zuvor in vier Stunden könne die Prostata und Samenleiter jetzt in etwa zwei Stunden entfernt werden, erklärt er. Theoretisch könnte der Patient schon zwei Tage danach die Klinik wieder verlassen. Aus Sicherheitsgründen aber sollte er lieber noch sechs Tage zur Beobachtung stationär im Krankenhaus verbleiben. Noch in den 90er Jahren dauerte der Klinikaufenthalt für eine solche aufwendige OP vier bis sechs Wochen, erklärt der erfahrene Chirurg, der etwa 5000 Patienten an der Prostata und ähnlichen Eingriffen operiert hat.

Elmshorn: Roboterassistent mit den Greifarmen wird wie mit einer Computerkonsole bedient

Das neuartige Gerät da Vinci ist High-Tech in Reinkultur. Es besteht aus einem Roboter mit vier Greifarmen, mit deren Hilfe die Kamera, das Licht, Schneide- und Wundversorgungsapparaturen in den Unterbauch des Patienten eingeführt werden. Die Einschnitte sind nur wenige Millimeter groß – der Eingriff also höchst minimalinvasiv, Schlüssellochmethode.

Der Chirurg steht nun nicht mehr die ganze Zeit am Patienten und muss selbst stundenlang Hand anlegen, was ihn auf Dauer ermüden kann. Er sitzt in seinem Operationsstuhl, was ergonomisch viel besser sei, und bedient nun wie mit einem Joystick an der Computer-Konsole die Greifarme nach Belieben. Über Fußpedalen setzt er die Schnitte und reguliert das austretende Blut.

Feinste Nervenzellen und Gefäße sind besser erkennbar und machen die OP schonender für Patienten

Über einen großen Bildschirm sieht er nun das kranke Organ in 3-D-Auflösung und kann insbesondere die feinen Nervenzellen ganz genau sehen, die um die Prostata gespannt sind und die die Erektionsfähigkeit beim Mann steuern. Wenn die zerstört sind, ist es damit für immer vorbei. Der Mann sei nach einer Prostataentfernung zwar nicht mehr zeugungsfähig, könnte aber noch einen sogenannten trockenen Orgasmus haben, erklärt der erfahrene Mediziner. Das neuartige Verfahren sorge nun für eine noch viel größere Sicherheit als zuvor, dass dies auch so bleibt und die OP-Schnitte viel exakter gesetzt werden können.

An einem Zehn-Euro-Schein ist zu sehen, wie die hochauflösende Kamera den Schriftzug, der nicht mit dem bloßen Auge zu erkennen ist, gut lesbar macht.
An einem Zehn-Euro-Schein ist zu sehen, wie die hochauflösende Kamera den Schriftzug, der nicht mit dem bloßen Auge zu erkennen ist, gut lesbar macht. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Chefarzt Dr. Doh zeigt die enorme Vergrößerung und Auflösung der OP-Kamera am Beispiel eines Zehn-Euro-Scheins. Nur Millimeter groß, für das bloße Auge nicht zu erkennen, sind Nummern und „10 Euro“ eingewebt. „Da Vinci“ vergrößert sie mit dem Zoom um das 40-fache, was den Chirurg Gewebe und Nervenzellen viel deutlicher erkennen lässt.

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Das sei nicht für das Schneiden, sondern auch hinterher für das Nähen der Wunde von großem Vorteil, da der Chirurg nun mit Hilfe des Roboters 360 Grad-Bewegungen ausführen könne. „Das ist einzigartig“, sagt Dr. Doh.

Bald sollen neben Prostata-, Darm- und Nierenkrebs weitere Anwendungen folgen

Etwa 67.000 Männer erkranken in Deutschland jedes Jahr an Prostatakrebs, erklärt Dr. Doh. 140 Patienten würden zurzeit pro Jahr im Klinikum Elmshorn daran operiert. In den Regio Kliniken soll das neue Gerät zunächst in der Urologie bei schweren Tumorerkrankungen wie eben Prostata-, aber auch Blasen-, Darm- und Nierenkrebs sowie Schließmuskel- und Harnleiter-Rekonstruktionen eingesetzt werden. Aber schon bald sollen die Thorax- (Lungen) und Viszeralchirurgie (Bauch) folgen. Bis zu 2000 OPs im Jahr wären mit dem neuen Verfahren pro Jahr möglich.

So sieht das Blickfeld des Operateurs von der Steuerungskonsole aus.
So sieht das Blickfeld des Operateurs von der Steuerungskonsole aus. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

In dem gesamten Geräteprogramm, das die Regio Kliniken jetzt eingekauft haben, sind die Einweisung und der Wartungsservice des US-Geräteherstellers Intuitiv enthalten, erklärt Dr. Doh. So würden auch bald weitere Chirurgen außer ihm und dem leitenden Oberarzt Dr. Christoph Eimer damit gut arbeiten können.

Chirurg müsste nicht im OP-Saal sein: Das ist hier aber nicht erlaubt

In den USA würden Operationen mit diesem Roboter-Assistenten bereits aus der geografischen Entfernung gemacht, berichtet der Chefarzt. Da operiere der Arzt von New York aus einen Patienten in Los Angeles. Möglich wäre das auch hier. „Aber in Deutschland ist das nicht erlaubt. Da muss der Chirurg noch ganz nah dran am Patienten sein.“