Kreis Pinneberg. Schnappschildkröten, Schlangen, Leguane: Immer mehr ausgesetzte Exoten belasten das Artenschutzzentrum. Das hat nun Konsequenzen.

Irgendwann ist es genug: Jedes Jahr nehmen die Mitarbeiter des Wildtier- und Artenschutzzentrum in Klein Offenseth-Sparrieshoop im Kreis Pinneberg circa 2500 Tiere auf, pflegen sie gesund und entlassen sie, wenn möglich, in der Natur. Gegründet haben Christian und Katharina Erdmann die Station, um verletzte und verwaiste heimische Wildtiere, die durch Autounfälle, Stacheldraht oder Windkraftanlagen verletzt wurden, aufzupäppeln.

In den vergangenen Jahren landen aber immer häufiger auch ausgesetzte exotische Tiere wie Papageien, Schlangen oder Schildkröten in der Wildtierstation. Und die können nicht einfach wieder ausgewildert werden. Auch die Vermittlung an Zoos wird immer schwieriger. Die Naturschützer bleiben auf den Exoten sitzen. Deshalb verhängt das Team nun einen Aufnahmestopp für exotische Wasserschildkröten.

Wildtierstation verhängt Aufnahmestopp für exotische Wasserschildkröten

„Ohne finanzielle Unterstützung vom Land sehen wir uns gezwungen, diesen Schritt zu gehen. Wer ab August 2024 eine exotische Wasserschildkröte findet, muss sich jetzt an die zuständigen Ämter wenden“, so Stationsleiter Christian Erdmann.

„Aktuell leben etwa 40 Wasserschildkröten in der Wildtierstation“, sagt er. „Unsere zwei Teiche sind voll.“ Es handele sich ausschließlich um Fundtiere, keine Abgabetiere. Immer häufiger werden erwachsene, vermutlich ausgesetzte Tiere in Stadtparkseen und Gräben gefunden, eingefangen und in die Station nach Sparrieshoop gebracht.

Exotische Wasserschildkröten sind Gefahr für heimische Amphibien

Durch gute Kontakte zu Tierparks konnten in der Vergangenheit immer wieder Tiere abgegeben werden. Nun sei aber die Schmerzgrenze erreicht, so Erdmann. Die wärmeliebenden Wasserschildkröten ließen sich kaum noch vermitteln.

Diese tote Schildkröte wurde in Ellerbek gefunden. Es handelt sich um eine 20 Kilogramm schwere Spornschildkröte, wie Christian Erdmann, Leiter des Wildtier- und Artenschutzzentrums, sagt. Der Halter hatte sie ausgesetzt oder entsorgt.
Diese tote Schildkröte wurde in Ellerbek gefunden. Es handelt sich um eine 20 Kilogramm schwere Spornschildkröte, wie Christian Erdmann, Leiter des Wildtier- und Artenschutzzentrums, sagt. Der Halter hatte sie ausgesetzt oder entsorgt. © HA | Wildtier- und Artenschutzzentrum

„Dabei müssten diese exotischen invasiven Arten der Natur entnommen werden, weil sie heimische Amphibien fressen“, sagt Erdmann, der sich als gelernter Zootierpfleger gut mit exotischen Tieren auskennt. Er prophezeit: „Bei den klimatischen Veränderungen werden sich diese Exoten bald auch in Deutschland fortpflanzen.“ Dies gelte es eigentlich zu verhindern. Doch ausgesetzte Exemplare können in Deutschland durchaus mehrere Jahre in Seen und Flüssen überleben.

Schnappschildkröte in Stadtparksee in Norderstedt gefunden

Der Experte ist seit mehr als 30 Jahren in der Wildtierhilfe aktiv und muss immer wieder exotische Tiere bergen. Erst im Mai war eine extrem bissige Schnappschildkröte im Stadtparksee in Norderstedt gefunden worden. Das fast sieben Kilogramm schwere Männchen könne ohne Weiteres einen Besenstiel oder eine Kinderhand durchbeißen, so der Tierschützer.

Auch Schlangen kommen immer wieder in die Wildtierstation von Christian Erdmann, hier mit einer geretteten Albino-Königspython.
Auch Schlangen kommen immer wieder in die Wildtierstation von Christian Erdmann, hier mit einer geretteten Albino-Königspython. © Wildtierstation HH/SH | Wildtierstation HH/SH

Beheimatet seien die auch Alligatorschildkröten genannten Tiere in Nordamerika. Das gefährliche Tier wurde im Badesee ausgesetzt. Nur zwei Tage zuvor hatte das Team der Wildtierretter eine fast doppelt so schwere Schnappschildkröte aus Ahrensburg von einem Privatgelände abgeholt. Vermutlich hatte ihr Besitzer sie dort einfach über den Zaun gesetzt.

Ahrensburg will Kosten für Schnappschildkröte nicht tragen

Nun sitzen die beiden Schnappschildkröten ausbruchsicher in Einzelgehegen in der Wildtierstation. Und niemand will sie haben. Einschläfern ist für Erdmann keine Lösung: „Tiere zu euthanasieren, weil sich niemand zuständig fühlt, finde ich zu krass“, sagt er.

Zudem möchte niemand die Kosten für die teure Unterbringung tragen. „In Ahrensburg verwies ein Verwaltungsmitarbeiter darauf, dass die Schildkröte ja von einem Privatgelände käme und ich das Geld von privat eintreiben soll“, sagt Erdmann.

Wildtierstation hat auch Aufnahmestopp für Waschbären

Für ihn steht damit fest, es bleibt bei dem Aufnahmestopp. Ein solcher hatte er zuvor schon für Waschbären durchgesetzt, die als invasive Art nicht einfach wieder ausgesetzt werden dürfen. Die Zuständigkeit liege für die putzig wirkenden Tiere bei den Jägern.

Für die Schnappschildkröte besteht seit 1999 ein bundesweites Halteverbot. Die beiden Tiere, die nun getrennt voneinander in der Wildtierstation gehalten werden müssen, haben schon einige Jahre auf dem Buckel. Vermutlich sind sie dem Besitzer zu viel geworden. Sie können immerhin 40 Jahre alt werden.

Erdmann: Handel mit Exoten für Privathaushalte verbieten

Christian Erdmann appelliert seit Jahren, den Handel von exotischen Tieren für private Haushalte zu verbieten. „Jeder bekommt auf Exotenbörsen hochsensible Schlangen und andere Reptilien zu kaufen“, sagt Erdmann. Es muss kein Sachkundenachweis erbracht werden. Auch eine Registrierung der Tiere ist nicht absehbar vorgesehen. „Ein Skandal“, findet Erdmann.

Auf den Kosten für die oft langfristige und kostspielige Unterbringung bleibe die Wildtierstation dann sitzen. „Im Gegensatz zu Niedersachsen zahlen Hamburg und Schleswig-Holstein kein Geld für Auffangstationen“, sagt Erdmann. „Und wir sind noch so nett und nehmen die Tiere auf, auch aus Hamburg.“

Kreis Pinneberg: Unterbringung von exotischen Tieren schwierig

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Für das Thema Fundtiere sind in Schleswig-Holstein die örtlichen Ordnungsbehörden zuständig, also die Kommunen. „Die Unterbringung von exotischen Tieren, die als Heimtiere gehalten werden, bereitet dabei immer wieder besondere Schwierigkeiten und scheint auch zuzunehmen“, sagt Kreissprecherin Katja Wohlers. Dies sei kein spezifisches Problem des Kreises Pinneberg, sondern landes- und bundesweit ein Thema.

Wohin beispielsweise Polizisten und Feuerwehrleute ab August gefundene Wasserschildkröten bringen sollen, darauf scheint es bislang keine Antwort zu geben.