Hetlingen. 300 Produkte rund um die Uhr: In Dörfern ist das Interesse am Konzept groß. Junge Unternehmer sehen im kleinen Hetlingen eine Chance.

Viele Dörfer haben keinen Supermarkt mehr - oder hatten noch nie einen. Die drei jungen Unternehmer Victor Benz, Fjonn Kuhnmünch und Arthur Libovych von Tante Thea aus dem Kreis Pinneberg wollen diese Lücke schließen und bieten im ländlichen Bereich eine Nahversorgung der besonderen Art.

Sieben Tage lang rund um die Uhr geöffnet und 300 Produkte im Sortiment, die per Selbstbedienung aus einem Automaten gezogen werden können. Ihre Idee, neuerdings mit „24/7-Einkaufen“ abgekürzt, haben die Pinneberger im vergangenen Bauausschuss den Politikern in Hetlingen vorgestellt – und sind dort auf offene Ohren gestoßen.

24/7-Supermarkt: Idee aus Pinneberg scheitert in Appen am Standort

Wer Milch, Butter oder Eier beim Wochenendeinkauf vergessen hat, muss nicht mehr mit dem Auto oder dem Bus über Land fahren, sondern kann sich diese an der Ecke aus einem der Automaten des etwa sechs Meter langen Verkaufsstelle ziehen, so die Idee der Drei. Die Freunde kennen sich aus der Schule, sind alle 23 Jahre jung und studieren in Hamburg Wirtschaftspsychologie.

In Appen sind sie mit ihrer Idee, einen 24/7-Supermarkt zu eröffnen, gescheitert. Der geplante Standort für ihren Verkaufscontainer vor dem Restaurant „Estia“ an der Appener Hauptstraße – der einzige, der für drei jungen Unternehmer Victor Benz, Fjonn Kuhnmünch und Arthur Libovych von Tante Thea infrage gekommen ist – wurde im Bauausschuss im nicht-öffentlichen Teil Ende März abgelehnt.

Automaten mit 300 Produkten: Tante Thea-Konzept wird in Hetlingen vorgestellt

Die Mehrheit der Mitglieder im Bauausschuss erschien der Standort mitten im Ort nicht geeignet. Bürgermeister Hans-Peter Lütje bedauerte die Entscheidung: „Ich fand das sehr schade. Aber nach unserer Hauptsatzung können Abweichungen im B-Plan nur im Bauausschuss genehmigt werden.“ Dabei hatte die Wählergemeinschaft Appen noch im Januar geschrieben, dass sich viele Bürger wünschen, dass hinsichtlich der Nahversorgung in Appen etwas passiere. Und die Appener hatten bereits per App über das Sortiment abgestimmt.

Ein Automat wie in dieser Animation soll in Hetlingen aufgestellt werden.
Ein Automat wie in dieser Animation soll in Hetlingen aufgestellt werden. © Tante Thea | Tante Thea

Nun unternehmen die drei Jungunternehmer von Tante Thea einen neuen Versuch und stellen ihr Konzept in Hetlingen vor. Ab dem Moment einer Zusage würde es etwa sieben Monate dauern, bis die Verkaufsstelle steht. Am zeitaufwendigsten sei das Bestellen der Automaten sowie die Bürokratie samt Bauantrag. „Die Automaten beziehen wir aus Salzhausen, etwa eine Fahrstunde von Hetlingen entfernt“, sagt Victor Benz.

Die Voraussetzungen, um einen Automaten aufzustellen, sind zum einen ein ebener Untergrund, auf dem die Verkaufsstelle steht und zum anderen ein Stromanschluss für die Automaten. Auch eine zentrale Lage an der Straße ist wichtig, um sichtbar und gut erreichbar zu sein. Die Möglichkeit zum Parken oder Halten für Autos sollte ebenfalls bestehen. Um die Bewohner nicht zu beeinträchtigen, muss auch ein gewisser Abstand zu Wohnhäusern eingehalten werden.

Kiosk im Dorf: Verkaufsstelle soll in Hetlingens Ortsbild passen

„Um sowohl den Schutz vor Witterungseinflüssen als auch ein attraktives Erscheinungsbild zu gewährleisten, wird auf eine hochwertige Fassade zurückgegriffen, die ins Hetlinger Ortsbild passt“, sagt Victor Benz. Bei der optischen Gestaltung kann die Gemeinde mitbestimmen. „Unsere Verkaufsstelle soll niemanden stören oder belästigen. Daher haben wir auch ein Lärmschutzkonzept entwickelt.“ Die Automaten selbst seien nicht lauter als ein herkömmlicher Kühlschrank.

Falls die Verkaufsstelle aus irgendeinem Grund entfernt werden müsste, sei dies problemlos und schnell umsetzbar. „Wir sind täglich vor Ort. Um die Sauberkeit, Qualität, Frische und Vollständigkeit zu gewährleisten, ist es für uns unerlässlich, die Verkaufsstelle täglich zu kontrollieren“, sagt Arthur Libovych.

Unternehmer von Tante Thea: Automaten sind gegen Vandalismus gesichert

Die Ladenfläche wird videoüberwacht und ist mit einer Gegensprechanlage ausgestattet. Für den Fall, dass jemand versucht, den Automaten zu knacken, können die jungen Männer schnell eingreifen. Die doppelte Verglasung an der Front sorgt dafür, dass praktisch nichts durch die Scheibe kommen kann. „Um kleinere Beschädigungen wie Kratzer vorzubeugen, arbeiten wir mit einer Schutzfolie, die regelmäßig ausgetauscht wird“, sagt er.

Der Gemeinde entstehen keine Kosten. „Die Stromkosten übernehmen wir“, sagt Fjonn Kuhnmünch. Es bestehe die Möglichkeit, den Strom der Verkaufsstelle über einen Stromzähler laufen zu lassen oder es über die Stadt abzurechnen. Die Gemeinde erhalte zudem eine Miete oder Pacht von Tante Thea. „Beim Bereitstellen einer geeigneten Fläche durch die Gemeinde sehen wir es als selbstverständlich an, auch eine Gegenleistung zu erbringen.“ Wie hoch diese ausfalle, müsse ausgehandelt werden.

Jugendschutz: Bier und Zigaretten können nur mit Personalausweis gekauft werden

Die Automaten seien energiesparend, benutzerfreundlich, mit einer hell erleuchteten Front und einer breiten Glasfront, die viele Produkte übersichtlich präsentiert. Bezahlt werden kann mit Karte, per Handy oder bar, mit Münzen und Geldscheinen bis zu 10 Euro.

Im Innenraum sind auch zwei Fernseher montiert. Örtliche Unternehmen, Vereine oder die Gemeinde könnten sie als Werbeplattform nutzen und rund um die Uhr Imagefilme oder Informationen zu Veranstaltungen zeigen.

Produkte wie Bier oder Zigaretten können nur mit Personalausweis oder EC-Karte gekauft werden. Die Automaten können bis zu zwei Grad Celsius gekühlt werden, sodass auch Milchprodukte wie Joghurt, Käse oder Fleisch für den Sonntagsgrill frisch bleiben.

300 Artikel im Sortiment von Tante Thea: Produktwünsche werden abgefragt

„Wir können bis zu 300 verschiedene Produkte anbieten, darunter Getränke, Snacks, Milchprodukte, Backwaren, Fleischprodukte, Teigwaren, Haushalts- und Hygieneartikel und vieles mehr“, sagt Victor Benz. Der Fokus liegt auf den Produkten, die von der Gemeinde nachgefragt werden. „Tiefkühlprodukte sowie frisches Obst und Gemüse wird es in unserer Verkaufsstelle nicht geben.“

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Um auf die Bedürfnisse der Bewohner einzugehen, wird das Sortiment monatlich aktualisiert. Mithilfe von Umfragen auf ihrer Website, die derzeit noch im Entstehen ist, oder vor Ort, wird das Sortiment optimiert. Von den Zulieferern oder Großmärkten gelangen die Produkte in das zentrale Lager von Tante Thea in Appen, das mit Kühlschränken ausgestattet ist. Von dort aus bringen die Drei die Ware in mobilen Kühlschränken zu den Automaten und füllen sie auf, sodass die Kühlkette nicht unterbrochen wird.

Mindesthaltbarkeit der Waren wird täglich überprüft

Die Qualität der Waren und die Mindesthaltbarkeit werden täglich überprüft. In den Automaten ist ein Warenwirtschaftssystem eingebaut, das den Bestand sowie die Verkäufe anzeigt. „Unterschreitet ein Produkt einen bestimmten Wert, erhalten wir ein Warnsignal“, sagt Fjonn Kuhnmünch.

Und was die Preisgestaltung betrifft, verspricht er die Preise so niedrig wie nur möglich zu halten. „Wir werden nicht annähernd so teuer sein wie Tankstellen, aber leicht teurer als im Supermarkt.“