Wedel. Alt-Bürgermeister winkt gleich ab. Ex-Kandidat lässt Bewerbung ebenso offen wie verdienter SPD-Mann. Das ist die Lage in Wedel.
Bürgermeister Gernot Kaser ist am Sonntag in Wedel mit großer Mehrheit – 10.758 zu 4172 Stimmen – abgewählt worden. Zwar muss der Gemeindeabstimmungsausschuss am Donnerstag, 20. Juni, das Ergebnis noch bestätigen. Aber das ist reine Formsache. Der Rathauschef muss seinen Hut nehmen.
Nun stellt sich die Frage, wie es im Rathaus in der Stadt an der Elbe an der Verwaltungsspitze mit ihren rund 450 Beschäftigten weitergeht. Eines ist klar: Spätestens Mitte Dezember muss jetzt eine neue Bürgermeisterin oder ein neuer Bürgermeister gewählt werden. Die Gemeindeordnung schreibt dazu vor, dass die Wahl innerhalb von sechs Monaten nach Freiwerden der Stelle zu erfolgen hat.
Abwahl von Gernot Kaser: Bürgermeisteramt ist mit fast 10.000 Euro im Monat dotiert
Die Ratsparteien wollen jetzt in aller Ruhe beraten, ob und wen sie als mögliche Kandidaten vorschlagen werden. Vor zwei Jahren ist keiner der vier Bewerber von einer Partei ins Rennen geschickt worden. Das dürfte jetzt anders werden. Immerhin geht es hier um eine einflussreiche und mit der Besoldungsgruppe B5 auch gut dotierte Aufgabe, die dem Amtsinhaber etwa 10.000 Euro monatliches Bruttogehalt einbringt.
Der damalige Amtsinhaber Niels Schmidt (parteilos) musste sich im Frühjahr 2022 drei unabhängigen Herausforderern stellen, die jeweils 155 Unterschriften von wahlberechtigten Bürgern vorzulegen hatten. Dies waren neben dem jetzt abgewählten Kaser noch Tobias Kiwitt und Christian Stolle. Letzterer zog dann vor der Wahl seine Kandidatur wieder zurück.
Ex-Bürgermeister Niels Schmidt wird definitiv nicht wieder antreten
Ob einer oder mehrere dieser damaligen Kandidaten wieder antreten werden, ist unklar. Theoretisch könnte auch Kaser erneut kandidieren, was aber eher unwahrscheinlich sein dürfte. Schließlich haben ihn jetzt mehr als doppelt so viele Wedeler Bürgerinnen und Wähler abgewählt als er vor zwei Jahren noch an Stimmen erhielt. Das waren damals 5189 Stimmen.
Der vor zwei Jahren Kaser in der Stichwahl unterlegene Ex-Bürgermeister Schmidt wird jedenfalls nicht wieder ins Rennen gehen. „Auf keinen Fall. Das ist ausgeschlossen. Sie können mich von der Kandidatenliste streichen“, sagte der 63-Jährige jetzt klipp und klar auf Nachfrage des Abendblatts.
Da sollte jetzt eine jüngere Generation die Nachfolge antreten, sagt der ehemalige Bürgermeister, der bis 2022 drei Amtsperioden 18 Jahre lang im Amt gewesen ist. Er wolle sich lieber um seine Enkel und seine drei Ehrenämter im Beirat des Marketingvereins, im Förderverein der Feuerwehr und im Vorstand des Theatervereins kümmern, erklärt Schmidt.
Schmidt rät der Politik: Wedel braucht jetzt endlich wieder Ruhe
Er empfinde keinerlei Schadenfreude, dass sein Widersacher von vor zwei Jahren nun so schnell gescheitert ist, sagt Schmidt. „Aber das ist die richtige Entscheidung für Wedel. Die Stadt braucht jetzt erst einmal Ruhe“, glaubt Schmidt. Er hätte sich nicht ausmalen wollen, was gewesen wäre, wenn die Wählerinnen und Wähler trotz des Abwahlverfahrens, das sechs Fraktionen angestrengt haben, Kaser im Amt bestätigt hätten. „Diese Einigkeit der Ratsfraktionen hatte es so noch nicht in Wedel gegeben.“
Bei Tobias Kiwitt dagegen sieht es anders aus. Dem heute 44-Jährigen Rechtsanwalt fehlten 2022 genau 678 Stimmen, um in die Stichwahl gegen Schmidt zu kommen. Inzwischen ist Kiwitt Mitglied der Grünen-Ratsfraktion, die ihn nach der Kommunalwahl vor einem Jahr zum dritten Stellvertreter des Bürgermeisters vorschlug und von der Ratsversammlung wählen ließ. Seitdem hat Kiwitt häufiger Kaser und auch die zweite Stellvertreterin Julia Fisauli-Aalto (CDU) in dieser Funktion vertreten, wie er erklärt. „Wir wechseln uns in dieser Funktion ab.“
Ex-Kandidat Tobiias Kiwitt lässt offen, ob er nochmal kandidieren wird
Ob er im Herbst erneut für das Bürgermeisteramt kandidieren werde, sei noch nicht geklärt, sagt Kiwitt dazu. Mögliche Kandidaturen würden nun von den Parteien ausgewählt und beraten. Er lässt seine persönlichen Ambitionen offen. Er schließe aber nicht aus, dass er es noch einmal versuchen würde. Immerhin habe er bei der Kommunalwahl 2023 auf Anhieb eines von drei Direktmandaten für die Grünen im Wahlbezirk 7 (Gebrüder-Humboldt-.Schule) gewinnen können.
Die Fraktionschefs der Ratsfraktionen betonen, dass ein möglicher Kandidat unbedingt Führungsstärke und bestenfalls auch Verwaltungserfahrung mitbringen sollte – im Gegensatz zum jetzt abgewählten Bürgermeister, der Quereinsteiger war. Grünen-Fraktionschefin Dagmar Süß sagt: „Es ist wichtig, dass er Menschen führen und überzeugen kann.“ Darum sollte er oder sie auch im bisherigen beruflichen Leben eine leitende Position mit Personalverantwortung innegehabt haben. Und idealerweise auch Impulse geben können, fordert Dagmar Süß.
Fraktionen wünschen sich Führungsstärke und Verwaltungserfahrung vom Bewerber
Damit es nicht wieder zu diesen Missverständnissen, „diesem Theater“, wie mit Kaser kommen könnte, wäre auch ein „gewisses Grundverständnis“ für Verwaltungsarbeit von Vorteil, findet die Grünen-Fraktionschefin. Dies könnte ein geeigneter Bewerber aber auch lernen, sofern er bereit dazu sei, sich dem anzupassen. „Das ist ja kein Hexenwerk.“
SPD-Fraktionschef Lothar Barop sagt, ein möglicher Kandidat oder Kandidatin sollte „gute Menschenführung und Verwaltungserfahrung“ vorweisen. Die SPD werde dieses Mal bestimmt einen eigenen Kandidaten vorschlagen, ist er überzeugt. Schließlich habe Wedel viele gute Bürgermeister mit SPD-Parteibuch gestellt.
DLRG-Präsident Jochen Möller könnte ein möglicher Kandidat sein
Dies könnte vielleicht Jochen Möller sein. Der 53-Jährige, der schon sein ganzes Leben in Wedel lebt und bei einer Sparkasse arbeitet, ist SPD-Mitglied. Er war bis 2021 Ortsvorsitzender der DLRG - und zwar 26 Jahre lang. Zurzeit ist er DLRG-Präsident von Schleswig-.Holstein. Möller sagt auf Abendblatt-Anfrage zu einer möglichen Kandidatur. „Ich habe mich noch nicht dazu geäußert. Mal schauen, was passiert.“
Keine eigenen Kandidaten werden Die Linke und die WSI aufstellen. Für den Linken-Ratsherrn Detlef Murphy steht ebenfalls „Verwaltungserfahrung“ im Vordergrund. „Das war der Hauptgrund für das Scheitern von Herrn Kaser“, glaubt er. Zudem sollte der künftige Bürgermeister „unbedingt Rückhalt in der Stadtvertretung haben.“
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Und WSI-Vorsitzender Peter Ammer wünscht sich ebenfalls Verwaltungserfahrung von einem möglichen Bewerber oder Bewerberin. „Und er oder sie sollte auch menschlich zu uns passen“, sagt Ammer. „Die WSI wird aber keinen eigenen Kandidaten aufstellen. Dafür sind wir eine zu kleine Wählergemeinschaft.“
Ob die neue hauptamtliche Stelle eines Ersten Stadtrats vor oder nach der nächsten Bürgermeisterwahl besetzt werden soll – darüber sind sich die Fraktionen noch nicht einig.