Quickborn. Der Tatort, wo der 19 Jahre alte Paul Warnecke von SA-Truppen ermordet wurde, soll umbenannt werden. Doch die CDU ziert sich.

Er war das erste Opfer des Nationalsozialismus in Quickborn: Paul Warnecke. In der Nacht zum 5. März 1933, gegen 2.30 Uhr, dem Tag der letzten Reichstagswahl vor der Hitler-Diktatur, ist der 19 Jahre junge Schlosser von SA-Truppen hinterrücks erschossen worden. Warnecke war unbewaffnet. Der junge Mann gehörte damals einer kommunistischen Häuserschutzstaffel an, die Übergriffe der Nazis abwehren sollte.

Jetzt, 91 Jahre später, gibt es in Quickborn zum dritten Mal eine politische Initiative, den Tatort des Mordes an Paul Warnecke nach ihm zu benennen. Die ersten beiden, in den 80er-Jahren und vor genau zehn Jahren, sind seinerzeit an der politischen Mehrheit von CDU und FDP gescheitert.

NS-Opfer in Quickborn: Erstmals kann es eine Mehrheit für würdiges Gedenken geben

Jetzt scheint mit SPD, Grünen und Teilen der FDP die erforderliche Mehrheit da zu sein, das mit Birken und hüfthohen Büschen bewachsene kleine Wäldchen zwischen den AKN-Bahnschienen, der Querstraße und dem Harksheider Weg nach ihm zu benennen. Es soll Paul-Warnecke-Platz oder Paul-Warnecke-Weg heißen. Am Donnerstag, 6. Juni, berät und entscheidet darüber der Ausschuss für Bildung, Kultur und Freizeit der Ratsversammlung.

Der Schlosser Paul Warnecke wurde nur 19 Jahre alt. 1933 ist er in einem Birkenwäldchen am Harksheider Weg in Quickborn von NS-Schergen hinterrücks erschossen worden. Warnecke war das erste NS-Opfer in Quickborn.
Der Schlosser Paul Warnecke wurde nur 19 Jahre alt. 1933 ist er in einem Birkenwäldchen am Harksheider Weg in Quickborn von NS-Schergen hinterrücks erschossen worden. Warnecke war das erste NS-Opfer in Quickborn. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Die Initiatoren sind diesmal die Grünen. „Mit dem feigen Mord an Paul Warnecke kam der Naziterror, kurz nach der Selbstabschaffung der ersten deutschen Demokratie, endgültig auch in Quickborn an“, schreibt dazu Antragsteller Luca Moriconi, der stellvertretender Vorsitzender der Grünen in Quickborn und Pinnebergs Kreissprecher der Grünen Jugend ist. „Es ist höchste Zeit, dass alle Parteien Quickborns sich unmissverständlich gegen das Vergessen aussprechen. Ein sichtbares Zeichen dafür wäre die Benennung des Platzes zu Ehren des ersten NS-Opfers Quickborns mit seinem Namen.“

Grüne fordern, dass Quickborn seines ersten NS-Opfers gebührend gedenkt

Die Quickborner Grünen setzten sich dafür ein, „dass diese unrühmliche Geschichte der Politik Quickborns endlich ein Ende findet“, ergänzt Grünen-Parteichefin Anke Thomsen. „Wir fordern, dass die Quickborner Politik hier vorbildhaft vorangeht und erstmalig einen öffentlichen Raum nach einem örtlichen Opfer des Nationalsozialismus offiziell und für jedermann sichtbar benennt.“ Und sie rufen alle Bürgerinnen und Bürger Quickborns dazu auf, sich dieser wichtigen Initiative anzuschließen und „gemeinsam ein Zeichen gegen das Vergessen zu setzen.“

Erst 1946, ein Jahr nach dem Krieg wurde der Mörder Warneckes zu zehn Jahren Haft verurteilt. 1951 ist er vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Seltsam: Der Quickborner Gemeinderat entschied 1946, das kleine Birkenwäldchen, das seit 1943 nach dem SA-Sturmführer Horst Wessel benannt war, nach Paul Warnecke zu benennen – aber dieser Beschluss wurde nie umgesetzt.

Seltsames Verhalten der Nachkriegspolitik habe Warnecke erneut zum Opfer gemacht

„Mit dieser Haftentlassung und der Verweigerung der Benennung des Platzes wurde Warnecke in gewisser Weise ein weiteres Mal politisches Opfer von Quickborner*innen“, heißt es dazu in der Antragsbegründung der Grünen. „Dieses Mal durch die Öffentlichkeit, die ihm und damit auch seiner Familie die Anerkennung als politisches Mordopfer einer menschenverachtenden Ideologie verweigerte.“

Und weiter in der Begründung der Grünen: „Die Tat seines Mörders jedoch wurde relativiert durch die kurze Haftstrafe, verbunden mit der frühen Entlassung mit der Begründung, dass der Mörder ‚ein Opfer der damaligen verkehrten deutschen Politik geworden‘ sei. Quickborn war damals noch nicht bereit, sich mit der eigenen Geschichte zu konfrontieren.“

Ex-CDU-Bürgermeister Köppl sprach sich für die Würdigung Warneckes aus

Das war vor zehn Jahren nicht viel anders. Da war es die Initiative selbstbewusstes Quickbornmit der damaligen und heutigen Kreis-Vizepräsidentin Sabine Schaefer-Maniezki und dem damaligen SPD-Fraktionschef Jens-Olaf Nuckel, die diese namentliche Würdigung des NS-Opfers Warnecke forderten. Den zuständigen Ausschuss vermochten sie noch davon zu überzeugen. Die Ratsversammlung kippte dann mit 15 gegen zehn Stimmen diesen Beschluss wieder.

Auch der ehemalige Bürgermeister Thomas Köppl (zweiter von rechts) sagte 2019 bei der Aufstellung der Gedenktafel: „Ich hätte mir diese Umwidmung des Birkenwäldchens in ‘Paul-Warnecke-Platz‘ gut vorstellen können. Indem wir den NS-Opfern ein Gesicht geben, machen wir ihre schreckliche Geschichte begreifbar.“ Mit im Bild (von links): der damalige Bürgervorsteher Henning Meyn, Enno Hasbargen von der KZ-Gedenkstätte Springhirsch, Christa Abendroth und Kreis-Vizepräsidentin Elke Schreiber.
Auch der ehemalige Bürgermeister Thomas Köppl (zweiter von rechts) sagte 2019 bei der Aufstellung der Gedenktafel: „Ich hätte mir diese Umwidmung des Birkenwäldchens in ‘Paul-Warnecke-Platz‘ gut vorstellen können. Indem wir den NS-Opfern ein Gesicht geben, machen wir ihre schreckliche Geschichte begreifbar.“ Mit im Bild (von links): der damalige Bürgervorsteher Henning Meyn, Enno Hasbargen von der KZ-Gedenkstätte Springhirsch, Christa Abendroth und Kreis-Vizepräsidentin Elke Schreiber. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Dabei sprach sich auch der damalige Bürgermeister Thomas Köppl (CDU) vehement für die Würdigung Warneckes aus. „Es ist gute Kultur in Quickborn, Menschen zu ehren, die Opfer des NS-Regimes waren“, erinnerte der an das nach Dietrich Bonhoeffer benannte Gymnasium und die nach Lilli Henoch benannte Sporthalle. Warnecke habe gewaltfreien Widerstand gegen die Nazis geleistet und sei hinterrücks erschossen worden, zitierte Köppl die Recherchen von Gymnasiasten, die 2009 dazu führten, dass der Kölner Künstler Gunter Demnig einen seiner europaweit verlegten Stolpersteine zum Gedenken von NS-Opfern im Namen von Paul Warnecke in Quickborn zementierte.

Ex-Bürgermeister Köppl: Paul Warnecke hat damals Zivilcourage gezeigt

Warnecke habe damals Zivilcourage gezeigt, plädierte Köppl 2014 für die Umbenennung des Wäldchens in dessen Namen. „Zivilcourage ist etwas, was wir dringend brauchen in unserer Gesellschaft, egal welche Hautfarbe jemand hat oder welcher Partei er angehört.“ Immerhin wurde dann 2019 eine Gedenktafel mit den Hintergründen zum Tod Warneckes an dieser Stelle im Birkenwäldchen aufgestellt. Der Ausschuss für Bildung, Kultur und Freizeit der Ratsversammlung hatte dafür 3000 Euro bereitgestellt.

Die CDU-Ratsfraktion kann sich heute immer noch nicht mit der Benennung des Birkenwäldchens nach Paul Warnecke anfreunden. Ihr Vizefraktionschef und Erster Stadtrat Eike Kuhrcke hält das Gedenken an dieses erste Nazi-Opfer Quickborns mit der Stele und dem Stolperstein für ausreichend. „Wir sind gegen eine zusätzliche Benennung des Parks nach Paul Warnecke“, sagt er. „Gedenken ja, aber keine Ehrung seiner Person.“

CDU will das Birkenwäldchen lieber in „Park der Freiheit“ benennen

Darum schlage die CDU nun vor, das Wäldchen in „Park der Freiheit“ und den Trampelpfad mit der Gedenktafel als „Weg des Gedenkens“ zu benennen, kündigt Kuhrcke an. „Wir sollten es loslösen von der Person Warneckes.“

Mehr zum Thema

Das sehen die anderen Fraktionen zum großen Teil anders. SPD-Fraktionschefin Astrid Huemke. „Wir werden uns auf jeden Fall für eine Umbenennung des Birkenwäldchens zu Ehren Paul Warneckes aussprechen“, sagt sie. Ob es dann Paul-Warnecke-Platz oder –Weg heißen solle, was die SPD alternativ vorgeschlagen habe, dafür seien sie offen.

Fraktionschef Scharley: Die FDP wird überwiegend für Warnecke-Platz stimmen

Und FDP-Fraktionschef Jürgen Scharley sagt: „Wir stehen dem überwiegend positiv gegenüber.“ Die Erinnerungskultur an die NS-Opfer gebiete es seiner Meinung nach, dass der Quickborner Paul Warnecke über die Stele hinaus gewürdigt und an sein kurzes Leben erinnert werde. „Ich glaube, dass wir dafür eine Mehrheit finden.“

Die inzwischen verstorbene und letzte Verwandte des NS-Opfers Paul Warnecke, Christa Abendroth, 2019 bei der Aufstellung der Gedenktafel zu Ehren ihres ermordeten Neffen: „Das war schon eine Scheiß-Zeit.“
Die inzwischen verstorbene und letzte Verwandte des NS-Opfers Paul Warnecke, Christa Abendroth, 2019 bei der Aufstellung der Gedenktafel zu Ehren ihres ermordeten Neffen: „Das war schon eine Scheiß-Zeit.“ © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

NS-Forscher Jörg Penning, von der Initiative Spurensuche, der mehrere Aufsätze über die Ermordung Warneckes verfasste, bedauert, dass keine seiner Angehörigen dies noch miterleben könnten. Die frühere langjährige Awo-Vorsitzende Christa Abendroth, eine Nichte Warneckes, sei erst vor wenigen Wochen Mitte Mai verstorben. Im Juni 2019, als die Stele zum Gedenken ihres Onkels aufgestellt wurde, sagte sie dem Abendblatt noch: „Das war schon eine Scheiß-Zeit.“

Der Ausschuss für Bildung, Kultur und Freizeit der Ratsversammlung Quickborn berät darüber am Donnerstag, 6. Juni. Die Sitzung beginnt um 19 Uhr in der Mensa der Comeniusschule, Am Freibad 3-11. Sie ist öffentlich.