Elmshorn/Itzehoe. Nach brutalem Angriff auf einen Angler in Elmshorn schrammt der Täter knapp an lebenslang vorbei. Warum er auf Revision verzichtet.

Seine Verteidigerin hatte vier Jahre und zwei Monate Haft gefordert, die Staatsanwältin elf Jahre: Das Landgericht Itzehoe schickte den Elmshorner Markus E. nun 13 Jahre ins Gefängnis – und der brutale Messerstecher nimmt das knallharte Urteil sogar überraschend an: Nach Angaben des Gerichtes hat der 28 Jahre alte Mann die Revisionsfrist verstreichen lassen.

„Das Urteil hat Rechtskraft erlangt“, so Gerichtssprecherin Frederike Milhoffer auf Abendblatt-Anfrage. Weil Markus E. noch eine Reststrafe aus einer früheren Verurteilung absitzen muss, wird er nun eine zweistellige Zahl von Jahren im Gefängnis verbringen müssen – unabhängig davon, ob ihm erneut ein Strafrest zur Bewährung erlassen wird.

Knallhartes Urteil: Angeklagter schrammt knapp an lebenslänglicher Strafe vorbei

Der Angeklagte, der einen Angler in Elmshorn brutal mit einem Messer angegriffen und einen Raubüberfall auf einen Schulfreund verübt hat, sei „nur knapp an einer lebenslänglichen Strafe vorbeigeschrammt“, urteilte die Schwurgerichtskammer unter Vorsitz von Johann Lohmann am 21. Mai..

Seit Anfang Januar musste sich der kahlgeschorene, 28 Jahre alte Elmshorner vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe verantworten – unter anderem wegen versuchten Mordes, schwerer räuberischer Erpressung, Nötigung sowie Körperverletzung. Angeklagt waren zwei Taten aus dem Juli 2023, bei dem es dem arbeits- und wohnungslosen Angeklagten vor allem um eines ging: Geld für seinen Drogenkonsum zu erlangen.

Angriff auf Angler: Angeklagter nahm Tod seines Opfers billigend in Kauf

Besonders die Tat zum Nachteil des Anglers Wolfgang P. (36), die sich am Abend des 21. Juli am Südufer des Elmshorner Hafens ereignet hat, war an Brutalität kaum zu überbieten. Der Angeklagte habe, so der Vorsitzende Richter, mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt. Den Tod seines Opfers habe er zumindest billigend in Kauf genommen.

Wolfgang P. befand sich ab 18 Uhr hinter dem Rewe-Markt beim dortigen Industriedenkmal beim Angeln, als ihn der Angeklagte gegen 18.30 Uhr ansprach und fragte, ob er Geld wechseln könne. Wolfgang P. schaute in sein Portemonnaie und verneinte. Im Anschluss verwickelte Markus E. das spätere Opfer in ein längeres Gespräch – und passte den Moment ab, als der 36-Jährige aufgrund des einsetzenden Regens seine Angelsachen zusammenpackte.

Als das Opfer ihm den Rücken zuwandte, griff Markus E. von hinten an

„Als das Opfer dem Angeklagten den Rücken zuwandte, zog der ein Messer und stach unvermittelt von hinten mindestens fünfmal auf den Kopf des Opfers ein“, so Lohmann weiter. Ein Stich war so heftig, dass er die Schädeldecke durchstach und ein bis zwei Zentimeter tief in die Hirnhaut eindrang. Dabei brach die Messerspitze ab und blieb im Gehirn stecken.

Dennoch habe Markus E. den Angriff fortgesetzt und das Messer mit der abgebrochenen Klinge dem Angler noch mehrfach in den Rücken gerammt. Sowohl der Stich in die Schulter sowie die Kopfverletzungen seien potenziell lebensgefährlich gewesen.

Polizisten haben das Fahrrad des schwer verletzten Anglers sichergestellt. Der Mann wurde Freitagabend an der Krückau mit einem Messer am Kopf verletzt.
Polizisten haben das Fahrrad des schwer verletzten Anglers sichergestellt. Der Mann wurde Freitagabend an der Krückau mit einem Messer am Kopf verletzt. © Westküstennews/Florian Sprenger | Westküstennews/Florian Sprenger

Nach den Stichen habe Markus E. den Angler mit den Worten „Gib mir dein Geld“ zur Herausgabe seines Portemonnaies aufgefordert und dieses auch erhalten. Der Inhalt: 20 Euro. Während sich das schwer verletzte Opfer zu einem nahe gelegenen Supermarkt schleppte, um dort Hilfe zu holen, lief der Täter über den Krückauwanderweg davon.

Mehrere Jugendliche, durch die Hilfeschreie des Opfers aufmerksam geworden, verfolgten den Täter und konnten ihn schließlich stellen und überwältigen. „Es handelte sich um eine extrem lebensgefährliche Handlung“, urteilt der Richter. Es sei nur dem Zufall zu verdanken gewesen, dass bei dem Angler keine großen Blutgefäße verletzt worden seien und es in der Folge nicht zu einer tödlichen Hirnblutung kam.

Die Messerspitze brach ab und blieb im Gehirn des Anglers stecken

Die im Gehirn steckende Messerspitze wurde in einer Notoperation entfernt, wie durch ein Wunder kam es bei Wolfgang P. nicht zu bleibenden Schäden. Markus E. habe bei der Attacke gleich zwei Mordmerkmale verwirklicht – Habgier und Heimtücke.

„Es ging dem Angeklagten bei dem Angriff einzig darum, Geld zu erlangen und den Widerstand auszuschalten“, so Lohmann weiter. Das Opfer habe nicht mit einem Angriff rechnen können, habe dem Angeklagten im Moment der Attacke den Rücken zugewandt.

Im zweiten Fall hatte Markus E. Anfang Juli einen alten Schulfreund über Facebook angeschrieben, sich wenig später mit ihm getroffen. Offenbar entwendete er dabei das Portemonnaie seines geistig eingeschränkten Bekannten. Wenig später behauptete er, dieses gefunden zu haben.

Markus E. bedrohte einen Schulfreund mit einem Messer und raubte ihn aus

Bei der Rückgabe am 8. Juli 2023 zog Markus E. ein Messer – wiederum in dem Moment, als ihm der Schulfreund den Rücken zuwandte, um den vereinbarten Finderlohn aus einer Geldkassette zu holen. Letztlich raubte der Angeklagte 170 Euro aus der Geldkassette und schlug auf der Flucht die Mutter des Bekannten, die sich ihm in den Weg stellte, nieder.

Beide Taten, so das Gericht, würden sich durch ein planvolles Vorgehen auszeichnen. Der Angeklagte, der unter einer Heroinabhängigkeit litt und mit Methadon substituiert wurde, sei in beiden Fällen voll schuldfähig. Mit dieser Einschätzung stellte sich das Gericht gegen die Einschätzung eines Sachverständigen, der zumindest eine Verminderung der Schuldfähigkeit nicht gänzlich ausschließen wollte.

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Allerdings, so führte Lohmann aus, habe der Gutachter den Angeklagten nicht untersuchen können und damit fehle ihm eine gesicherte Grundlage für seine Einschätzung. Markus E. habe beim Eingriff auf den Angler zwar unter dem Einfluss von Methadon, Cannabis und Alkohol (1,31 Promille) gestanden.

Jedoch hätten die Zeugen und die Polizisten keine Auffälligkeiten in Motorik und Sprache feststellen können. Der 28-Jährige habe sein Opfer ausspioniert und habe sich mit Wolfgang P. absichtlich ein ebenfalls geistig eingeschränktes Opfer ausgesucht. Auch der Beginn seiner Flucht (Lohmann: „Die Verfolger mussten full speed geben, um hinterherzukommen“) deute nicht darauf hin, dass der Angeklagte durch den Alkohol- oder Drogenkonsum beeinträchtigt war.

Eine Unterbringung im Maßregelvollzug stand nicht zur Debatte

Die dem Angeklagten zugebilligte volle Schuldfähigkeit bedeutet auch, dass es für eine eventuelle Unterbringung im Maßregelvollzug oder in einer Entzugsklinik keine Handhabe gibt. Auch für eine Sicherungsverwahrung sieht das Gericht keinen Anlass – trotz einer massiven Vorstrafe.

Vor knapp sechs Jahren stand der damals 22-Jährige schon einmal vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe, die ihn am 17. Mai 2018 wegen gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Nötigung und Sachbeschädigung zu vier Jahren Gefängnis verurteilte.

Gericht sieht keinen Grund, eine Sicherungsverwahrung zu verhängen

Auch damals musste sich der Elmshorner wegen versuchten Mordes verantworten, diesen Vorwurf ließen die Richter im Urteil jedoch fallen. Der seinerzeit 22-Jährige war in der Nacht zum 1. November 2017 offenbar grundlos auf seinen Bekannten Frank N. losgegangen, hatte auf ihn eingeschlagen und eingetreten, ihm in den Mund uriniert und das Opfer im Kofferraum seines Wagens eingesperrt. Dann fuhr er mit dem Bekannten auf den Parkplatz der Liether Kalkgrube, wo er ihn bis zur Luftnot würgte.

„Damals handelte es sich offenbar um eine Augenblickstat“, so Lohmann. Diese Tat weise im Vorgehen deutliche Unterschiede zu den jetzigen Taten auf. Von den vier Jahren hatte der Elmshorner zwei Drittel abgesessen, der Rest der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Diese dürfte jetzt widerrufen werden, sodass der Elmshorner die Reststrafe auch wird absitzen müssen.

Während Markus E. im früheren Prozess ein Geständnis abgelegt hatte, verfolgte er dieses Mal den gesamten Prozess wortlos. Bei der Polizei hatte er noch dreist behauptet, er sei von dem Angler angegriffen worden, habe diesem das Messer abgenommen und sich damit dann gegen die Angriffe gewehrt. „Das ist widerlegt“, so Lohmann.

Gericht hat keinen Zweifel: Angriff auf Angler ging vom Angeklagten aus

Die Zeugenaussagen, DNA-Spuren am Messer, das bei Markus E. gefunden wurde und nicht zuletzt das Gutachten der Rechtsmedizin würden keinen Zweifel daran lassen, dass der Angriff auf den Angler von dem Angeklagten ausging. Auch der versuchte Mord hätte mit einer lebenslangen Strafe geahndet werden können.

„Es sprach einiges dafür“, so Lohmann weiter. Zugunsten des Angeklagten hätten kaum Punkte gefunden werden können, zulasten jedoch jede Menge. Letztlich habe sich die Kammer jedoch dafür entschieden, den Strafrahmen für diese Tat auf fünf bis 15 Jahre herabzusetzen und eine Einzelstrafe von elf Jahren zu verhängen.

Verteidigerin sah einen minderschweren Fall als erfüllt an

Für die Attacke auf den Schulfreund und seine Mutter verhängten die Richter sechs Jahre. Beide Strafen zog die Kammer dann zu einer Gesamtstrafe von 13 Jahren zusammen. Staatsanwältin Madeleine Hader hatte elf Jahre Haft gefordert. Das Gericht übertraf damit die Forderung der Staatsanwältin um zwei Jahre.

Verteidigerin Katja Münzel wollte für die Tat zum Nachteil des Schulfreundes einen Freispruch aus Mangel an Beweisen, den Angriff auf den Angler beurteilte sie als minderschweren Fall und beantragte vier Jahre und zwei Monate Haft. „Ein minderschwerer Fall scheidet aus“, befand Lohmann und betonte mehrmals, der Angeklagte sei nur knapp einem dauerhaften Aufenthalt im Gefängnis entgangen.