Kreis Pinneberg. Preiskampf, Personalmangel, wachsende Konkurrenz: Viele Marktbeschicker fürchten um ihre Zukunft. Wie die Lage im Kreis Pinneberg ist.

Regional und saisonal ist gut fürs Klima und die Gesundheit. Auf dem Wochenmarkt und im Hofladen um die Ecke gibt es die ganz frischen Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Fleisch und Eier. In Folie verpackte Bio-Tomaten aus Marokko mögen wohl biologisch angebaut sein, sind aber um die halbe Welt geflogen, und die Folie ist auch nicht eben ökologisch. Im Kreis Pinneberg kämpfen Marktbeschicker mit Personalmangel, Preisen und zunehmendem Marktdruck, wobei die Frage ist: Können die Märkte dem Druck standhalten?

„An apple a day keeps the doctor away“ sagen die Engländer. Allerdings stammt diese Redewendung, die soviel bedeutet wie „ein Apfel pro Tag hält den Doktor fern“ aus dem Jahr 1866. Damals wurden Lebensmittel noch nicht unreif geerntet und um die ganze Welt geflogen, damit man auch im Winter Erdbeeren essen kann. Sondern Obst und Gemüse wurden bei heimischen Bauern gekauft.

Wochenmärkte im Kreis Pinneberg: Halten sie dem Druck stand?

Hier hatten sie genug Zeit für die Reifung und konnten so die wertvollen Vitamine, Mineralien und Ballaststoffe entwickeln. Diese Direktvermarktung war bis ins 20. Jahrhundert nicht etwa die Ausnahme, sondern die Regel. Auf dem Markt wurde verkauft, was der Boden hergab, Einzelhändler und Hofverkauf deckten den übrigen Bedarf.

Jutta Schwan hat gut lachen: Von Umsatzrückgängen spürt sie nichts an ihren Fisch-Wagen auf den Wedeler Wochenmärkten.
Jutta Schwan hat gut lachen: Von Umsatzrückgängen spürt sie nichts an ihren Fisch-Wagen auf den Wedeler Wochenmärkten. © Sabine Skibbe | Sabine Skibbe

Erst der Ausbau der Transportwege beendete diese Ära. Durch den schnellen Transport von Waren aller Art wurde der Grundstein für den Aufstieg großer Handelsketten gelegt. Das hatte fatale Folgen für die Landwirtschaft. Einzelhändler waren nicht mehr konkurrenzfähig, viele landwirtschaftliche Betriebe konnten bei dem Preiskampf nicht mithalten.

Obst vom Wochenmarkt weist deutlich weniger Belastung auf

Heimisches Obst und Gemüse weisen gegenüber ausländischer Ware eine deutlich geringere Belastung mit Schadstoffen auf und schonen die Umwelt, weil lange Transportwege wegfallen. Der Transport eines heimischen Apfels gegenüber einem aus Übersee verbraucht zwölfmal weniger Energie und fünfmal weniger klimaschädliches Kohlendioxid. Zudem sind die Waren aus der Region frischer und haben einen höheren Vitamingehalt.

Bis vor wenigen Jahren haben Wochenmärkte und Hofläden noch zehn Prozent Marktanteil gehabt, der schrumpft aber inzwischen. Viele Menschen haben deutlich weniger Geld durch Inflation und Teuerungsrate, die Waren auf dem Wochenmarkt sind aber vielfach deutlich teurer geworden. Manch einer kann es sich nicht mehr leisten, frisches Obst und Gemüse zu kaufen. Früher hat man sich gerissen um einen Stand auf dem Wochenmarkt, heute klaffen dort zum Teil große Lücken.

Oberster Marktbeschicker im Land: Die Probleme sind vielschichtig

Stefan Wegener, Ehrenpräsident im Landesverband Schleswig-Holstein der Marktkaufleute und Vizepräsident im Bundesverband, weiß um die Schwierigkeiten der Marktbeschicker, nennt das Problem vielschichtig. Wenn jemand wie er, der ein Fleischereifachgeschäft betreibt, auf den Wochenmarkt fährt, hat er mit hohen Stromkosten zu kämpfen. „Wir brauchen ambulanten Strom, der ist ohnehin teurer“, sagt er. Aber die Kühlanlage in seinem Verkaufsfahrzeug muss besser sein als die im Supermarkt. So ein Wagen kostet etwa 200.000 Euro und hält circa zehn Jahre.

Trotzdem ist Wegener vom Konzept Wochenmarkt überzeugt. Denn hier gibt es keine Waren-Listung wie in den Supermärkten. „Notfalls verkaufen wir sogar karierte Maiglöckchen“, schmunzelt er. Er selbst bietet 378 verschiedene Wurstsorten an („das kann kein Supermarkt“) und steht auch noch selbst in seinem Ladengeschäft.

Wochenmarkt im Kreis Pinneberg: Persönliches Gespräch macht es so besonders

Auf dem Wochenmarkt, so Wegener, deckt man nicht nur den Bedarf an frischem Obst und Gemüse, sondern auch Bedürfnisse. Man kann selbst aussuchen, wo einem die Ware am besten gefällt, wo es am günstigsten ist. Persönliche Gespräche mit den Verkäufern machen auch die besondere Atmosphäre aus.

Jan Mählmann aus Todesfelde steht immer sonnabends auf dem Wochenmarkt in Pinneberg.
Jan Mählmann aus Todesfelde steht immer sonnabends auf dem Wochenmarkt in Pinneberg. © Sabine Skibbe | Sabine Skibbe

Gleichwohl ist Stefan Wegener sich auch im Klaren über die Schwierigkeiten, mit denen die Marktbeschicker zu kämpfen haben. Zu allererst sind es Nachwuchssorgen. Personal zu finden wird immer schwieriger. Dann ist der Wochenmarkt natürlich auch kompakt, was das Sortiment, die Öffnungszeiten und die Wochentage betrifft. „Markt geht bis mittags. Nur einige wenige, wie der in Norderstedt sind Ganztagsmärkte. Und nur dort, wo die Leute entlang laufen, können wir etwas verkaufen“, sagt Wegener.

Umfrage auf Wochenmarkt: Ein einheitliches Bild zeigt sich nicht

Bei einer Umfrage unter Marktbeschickern und Hofladen-Betreibern im Kreis Pinneberg zeigt sich kein einheitliches Stimmungsbild. Jan Markmann zum Beispiel steht mit seinem großen Stand seit 25 Jahren am Haseldorfer Schloßpark direkt vor dem Elbmarschenhaus. Hier gibt es Obst und Gemüse in hoher Qualität und überwiegend aus der Region.

„Ich arbeite seit vielen Jahren immer mit denselben Erzeugern“, sagt er. Seine Umsätze seien nicht eingebrochen, aber er sei auch zum Glück nicht betroffen von den hohen Kosten, die zum Beispiel durch die Lkw-Maut entstünden. Bei Wind und Wetter steht er von Dienstag bis Sonntag in Haseldorf, bietet aktuell auch frischen Spargel, Sauce hollandaise und Schinken an, außerdem gibt es unter anderem frische Kräuter, Salate, Kartoffeln und Eier.

Marktbeschicker musste schon einen Mitarbeiter entlassen

Jan Mählmann aus Todesfelde im Kreis Segeberg hat es da nicht so gut getroffen. Jeden Sonnabend steht er in Pinneberg auf dem Wochenmarkt, aber er musste einen festangestellten Mitarbeiter entlassen, weil nach der Coronazeit viele neue Kunden wieder zurückgekehrt sind in ihre Büros und nun nicht mehr auf den Markt gehen.

Aber: „Als Landwirt ist man immer optimistisch. Es kommen auch wieder bessere Zeiten“, ist Mählmann optimistisch. Schließlich gibt es seinen Familienbetrieb schon fast 30 Jahre. Da Mählmann eigentlich eine Landwirtschaft betreibt, kann er auch eine Menge aus eigener Ernte anbieten. Lauchzwiebeln, Knoblauch, Brokkoli zum Beispiel.

Wochenmarkt Pinneberg: Fleischer beobachtet anderes Kaufverhalten

Marcel Schmidt, der gemeinsam mit seinem Bruder die Landschlachterei Kummerfeld betreibt, steht ebenfalls sonnabends in Pinneberg vor dem Rathaus. Er kann sich nicht über Umsatzeinbußen beklagen. Allerdings ist ihm aufgefallen, dass die Leute weniger Schweinefleisch kaufen. Würstchen, Leberwurst, Blutwurst und besonders der Kummerfelder Katenschinken sind dennoch sehr beliebt bei seinen Kunden.

Der Kummerfelder Katenschinken ist nach wie vor der Renner bei Marcel Schmidt von der Landschlachterei. Kummerfeld
Der Kummerfelder Katenschinken ist nach wie vor der Renner bei Marcel Schmidt von der Landschlachterei. Kummerfeld © Sabine Skibbe | Sabine Skibbe

Ann Kathrin Ladiges vom Hofladen Ladiges am Kreuzweg 1 in Holm hingegen spürt eine gewisse Kaufzurückhaltung. Allerdings weiß sie auch, was ihr großer Pluspunkt ist: Obst und Gemüse aus eigenem Anbau lockt die Käufer. Erbsen, Bohnen, frische Salate, Radieschen, Tomaten, Paprika, Gurken, Zwiebeln, Zucchini, Kartoffeln und noch viel mehr zieht sie in ihren Gewächshäusern und auf den eigenen Feldern. Ergänzt wird das Sortiment im Hofladen durch Eier aus Quickborn, Wurstwaren von Fülscher aus Seestermühe, selbstgekochte Marmeladen, Honig aus Hetlingen, Kaffee aus Tornesch und Eingemachtes von der Großmutter.

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In Wedel auf den verschiedenen Märkten steht Jutta Schwan. Seit mehr als drei Jahrzehnten ist die Hetlingerin dabei, hat den Fischhandel inzwischen ganz übernommen von ihrem Vater. „Mit 80 Jahren durfte mein Vater nun auch mal in den Ruhestand gehen“, erzählt sie. Obwohl Fisch ja ein sehr teures Lebensmittel ist, spürt Jutta Schwan nichts von Kaufzurückhaltung.

An ihrem Verkaufswagen auf dem Roland-Marktplatz in Wedel bildet sich eine lange Schlange. Vermutlich liegt es an der Qualität und der Frische. Das gesamte Sortiment beziehen Jutta Schwan und ihr Team aus den nordatlantischen Gewässern um Dänemark und Norwegen.

Aus Gründen des Bestandsschutzes wird gänzlich auf Jungtiere verzichtet. Eine Besonderheit im Angebot ist der Räucherfisch, der schon seit jeher in einem alten Ofen aus Schamottstein geräuchert wird. Die hausgemachten Fischfrikadellen werden immer noch nach Opas Geheimrezept frisch zubereitet, es gibt eine Vielzahl von selbstgemachten Salaten, und eine weitere Besonderheit sind die nordisch eingelegten Matjes aus eigener Produktion.