Uetersen. Nach schwerem Sturz ist ein Übungstag die Lehre aus dem Unglück. Was Senioren dabei gelernt haben. Demnächst übt Halstenbek.
Lilo Widow möchte gern mal mit dem Linienbus zum Einkaufen oder Bummeln in die Stadt fahren. Bislang hat sie sich noch nicht allein getraut, da sie dabei auf einen Rollator angewiesen ist. Deshalb holte sich die Rentnerin aus Uetersen gern Tipps von erfahrenen Menschen.
Das war eine sehr weise Entscheidung. Denn die eine oder andere Rentnerin kann viel erzählen, was schon so im Bus passiert. Ein Beispiel: Im Sommer vorigen Jahres stürzte eine Seniorin aus der Marsch, kurz bevor sie sich hinsetzen konnte. Der Bus war zu schnell angefahren. Die alte Dame erlitt „großflächige Blutergüsse“.
Seniorin aus der Marsch bat nach Sturz, die Verkehrsgesellschaft zu handeln
Um Abhilfe zu schaffen, wandte sie sich mit einem Brief an die Verkehrsgesellschaft. Doch die reagierte erst, als sich der Seniorenbeirat der Stadt Uetersen des Falls annahm. Und nicht nur reden wollten die Interessenvertreter älterer Menschen, sondern handeln.
Bei der Kreisverkehrsgesellschaft in Pinneberg, kurz KviP, stießen sie auf Mitarbeiter, die zuhörten. Gemeinsam planten die Beteiligten einen Trainingstag. Dazu parkte ein Linienbus direkt am Wochenmarkt in Uetersen.
Uetersens Seniorenbeirat initiierte Rollatortraining mit Busgesellschaft
Gut 30 Senioren mit und fast genauso so viele ohne Rollator ließen sich beraten und übten. Als „Cheftrainer“ wirkte Heinrich Stanneck. Er ist Busfahrer mit Leib und Seele, und das seit 46 Jahren, ein Drittel davon in seiner alten Heimat Osnabrück und den Rest an seiner Lieblingsarbeitsstätte KviP.
Stanneck zeigte bei allen Schritten rein und aus dem Bus raus, was wichtig ist. Diese Übungen sind am Dienstag, 7. Mai, auch in Halstenbek möglich. Dort lädt der DRK-Ortsverein gemeinsam mit dem HVV zu einer Mobilitätsberatung auf dem Halstenbeker Marktplatz ein. Von 10 bis 12 Uhr dürfen alle Interessierten vor am HVV-Bus üben, wie man mit Rollstuhl oder Rollator sicher ein- und aussteigt.
Acht Tipps, um sich optimal im Bus zu bewegen und zu platzieren
Tipp 1: Der Rollator darf nur so schwer sein, wie er auch gut allein in und aus dem Bus bewegt werden kann. Lilo Widow bedauert: „Dann sind Kartoffeln und Wurzeln vom Markt zu schwer.“ Dafür muss der Ehemann also weiterhin als Chauffeur ran.
Tipp 2: Nicht den Rollator in den Bus reinheben, sondern mit dem Fuß auf das kleine Pedal hinten rechts oder links treten, und der Rollator hebt sich vorn wie mit Geisterhand ein Stück hoch, um ihn dann in den Bus zu schieben.
Tipp 3: Steht der Rollator ganz drinnen. Bremsen anziehen und sich dann selbst in den Bus ziehen.
Tipp 4: Den Platz rechts im Einstiegsbereich wählen. Mit der einen Hand Sitz runterklappen. Immer dabei irgendwo festhalten. Hinweis von „Cheftrainer“ Sanneck: „Sollte der Bus jetzt anfahren, landen sie durch die Fliehkraft auf dem Sitz.“
Tipp 5: Niemals selbst versuchen, eine Fahrkarte zu lösen! Oder sie frei zu stempeln. Busfahrer Sanneck: „Bitten Sie einen Fahrgast, das für Sie zu tun!“ Und wenn es keiner macht? „Das wird jemand übernehmen und sonst trotzdem sitzen bleiben.“ Niemand werde deshalb bestraft.
Tipp 6: Einstieg wie Ausstieg. Langsam! Wieder drehen. Rückwärts raustreten mit fester Bremse!
Tipp 7: Sowohl an den Sitzplätzen für gehandicapte Senioren, als auch draußen beim Einstieg ist ein großer blau umrandeter Knopf mit Rollstuhlsymbol. Wenn der gedrückt wird, weiß der Busfahrer, dass jemand mit Einschränkungen ein- oder aussteigt und kann darauf besser achten.
Tipp 8: Am besten vorher eine Fahrkarte besorgen! Gern auch Enkel oder andere Verwandten bitten, eine Prepaidkarte zu besorgen. Die kann im Internet unter hvv.de/prepaidcard gekauft werden.
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Und wenn das nicht gelingt, weil es bei Rewe, Penny und Co. keine Karten zum Wiederaufladen gab? Dann darf im Kreis Pinneberg im Gegensatz zu Hamburg immer noch in bar bezahlt werden. Die Busse der KviP haben eine Barkasse an Bord. Aber Achtung: Nicht selbst mühsam durch den Bus gehen, sondern einen mobilen Fahrgast darum bitten.
Und wenn er mit dem Geld abhaut? Busfahrer Stanneck sagt schmunzelnd: „Das kann er ja nicht, weil der Bus ja fährt!“