Kreis Pinneberg. Abfallgesellschaft GAB will 50 Jahre alte Müllverbrennungsanlage ersetzen. Warum das Großprojekt nötig ist – und was es kann.

Die Entscheidung zum Neubau eines neuen Müllheizkraftwerkes (MHKW) für den Kreis Pinneberg ist gefallen. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft für Abfallbehandlung (GAB) hat nun beschlossen, das etwa 150 Millionen Euro umfassende Großprojekt bei den Genehmigungsbehörden einzureichen. Wenn die Genehmigungsbescheide bis zum nächsten Jahr vorliegen, soll bis Ende 2028 die neue Müllverbrennungsanlage nach etwa dreijähriger Bauzeit in Betrieb gehen.

Die neue Anlage wird dann bis zu 110.000 Tonnen Restmüll thermisch behandeln können. Die bisherige Anlage verfügt über eine Kapazität von rund 80.000 Tonnen im Jahr. Diese soll bis dahin weiterbetrieben werden. Der Standort der neuen Anlage wird entlang der Bundesstraße in Kummerfeld sein, auf einem Gelände zwischen der Bundesstraße 301 in Kummerfeld, wo sich das Verwaltungsgebäude der GAB befindet, und der Alten Bundesstraße 14 in Tornesch, auf dem das Verwaltungsgebäude der Hameg steht, die die eigentliche Müllabfuhr für den Kreis Pinneberg bewerkstelligt. „Diese Freifläche gehört bereits jetzt zur GAB“, erklärt GAB-Sprecher Julian Jenkel.

Neue Müllverbrennungsanlage im Kreis Pinneberg wegen verschärfter Umweltauflagen

Notwendig werde der Neubau vor allem wegen der behördlichen Umweltauflagen, teilt Jenkel weiter mit. „Das bestehende Müllheizkraftwerk ist 2024 mit seinen rund 50 Betriebsjahren an die Altersgrenze gekommen. Die Anlage wird die zukünftig geltenden gesetzlichen Anforderungen, vor allem im Bereich Bereich der Emissionen, technisch nicht vollständig erfüllen können. Umfangreiche Investitionen wären im Altbestand notwendig.“ Die in Deutschland umgesetzten europäischen Vorgaben regeln bereits seit mehr als 25 Jahren, dass Hausmüll und andere Siedlungsabfälle thermisch behandelt, also verbrannt werden müssen.

Die beiden GAB-Geschäftsführer Daniel Benedict (links) und Michael Finnern begründen den geplanten Neubau mit den verschärften Umweltauflagen und der Versorgungssicherheit für den Kreis Pinneberg.
Die beiden GAB-Geschäftsführer Daniel Benedict (links) und Michael Finnern begründen den geplanten Neubau mit den verschärften Umweltauflagen und der Versorgungssicherheit für den Kreis Pinneberg. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Eine kreiseigene Anlage bringe mehrere Vorteile mit sich, betonen die beiden Geschäftsführer Daniel Benedict und Michael Finnern, die von den beiden Gesellschaftern der GAB, Kreis Pinneberg (51 Prozent) und Remondis (49 Prozent) bestellt worden sind. Dazu gehöre insbesondere die Unabhängigkeit von Dritten, die „eine langfristige Gebührenstabilität für den Entgeltzahler“ absichere und „eine Entsorgungssicherheit für die Abfälle der Bürgerinnen und Bürgern des Kreises Pinneberg“ für die nächsten Jahrzehnte bedeute. Im vorigen Jahr wurden erstmals nach 17 Jahren wieder die Müllgebühren im Kreis Pinneberg angehoben, um durchschnittlich 25 Euro auf rund 215 Euro im Jahr.

60 Arbeitsplätze für den Pinneberger Müllofen sollen gesichert werden

Zudem würden damit die 60 Arbeitsplätze langfristig abgesichert, deren Mitarbeitende im Dreischichtsystem, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr, den Restmüll der etwa 170.000 Haushalte im Kreis Pinneberg verbrennen. „Die neue Anlage sichert zudem die Versorgungssicherheit der im Kreis Pinneberg liegenden Abnehmer der Fernwärme“, betont Geschäftsführer Benedict. Denn auch das neue MHKW werde wieder Strom und Fernwärme erzeugen und damit für warme Stuben und heißes Wasser zumindest in Pinneberg sorgen.

„Als elementarer Bestandteil der Wärmewende ist die GAB mit dem Müllheizkraftwerk Fernwärme- und Stromlieferant im Kreis Pinneberg, weil die Energie, die bei der thermischen Abfallentsorgung entsteht, effizient genutzt und in die Netze eingespeist (Strom) beziehungsweise ausgekoppelt (Fernwärme) wird“, erklärt GAB-Chef Benedict. Mittels des Verfahrens der Kraft-Wärme-Kopplung werde die Wärme, die bei der Verbrennung entsteht, in mechanische Energie zur Stromerzeugung und nutzbare Wärme zur Auskopplung als Fernwärme umgewandelt.

Die Wärmeleistung aus der Müllverbrennung wird fast verdoppelt

Mit der neuen Anlage könne die Energieproduktion aufgrund des Einsatzes von neuer Technologie effizienter gestaltet werden, so Benedict weiter. „Die aktuellen Planungen gehen von einer Effizienzsteigerung von rund 40 Prozent bei gleicher Abfallreferenzmenge aus.“ Das Anlagenkonzept sei auf eine maximale Energieauskopplung ausgerichtet, um fossile Energieträger zu ersetzen. Die neue Anlage soll eine maximale Wärmeleistung von rund 114.000 Megawattstunden im Jahr erzeugen können. Die alte Anlage erreichte bisher etwa 64.000 MWh/a.

Die genau 50 Jahre alte Müllverbrennungsanlage auf dem Gelände der GAB in Tornesch-Ahrenlohe soll solange weiterbetrieben werden, bis die neue Ende 2028 in Betrieb geht.
Die genau 50 Jahre alte Müllverbrennungsanlage auf dem Gelände der GAB in Tornesch-Ahrenlohe soll solange weiterbetrieben werden, bis die neue Ende 2028 in Betrieb geht. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Nach Angaben der Stadtwerke Pinneberg werden zurzeit etwa 2500 Kunden in der Kreisstadt mit Fernwärme aus dieser Energieerzeugung aus dem Restmüll versorgt. Künftig könnten es also beinahe doppelt so viele sein. Ob auch andere angrenzende Kommunen wie Tornesch, Kummerfeld oder Ellerhoop auf diese Weise mit Fernwärme bedient werden könnten, ist noch nicht geklärt. Insbesondere die Tornescher Bürgermeisterin Sabine Kählert wünscht sich sehr einen Anschluss ihrer Stadt an dieses Fernwärmenetz.

Die Fernwärme soll künftig nicht nur die Kreisstadt Pinneberg beheizen

Dazu Geschäftsführer Benedict: „Ob weitere Kommunen wie Tornesch, Kummerfeld, Ellerhoop oder andere künftig mit Fernwärme versorgt werden können, ist Bestandteil der aktuellen Planungen. Dabei berücksichtigen wir die geplante höhere Energieeinspeisung und –auskopplung.“

Wer fürchten sollte, die neue, größere Verbrennungsanlage könnte mehr Schadstoffe in die Luft blasen, den beruhigt Mitgeschäftsführer Finnern: „Die Bundesimmissionsschutzverordnung regelt die Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes, welches mit der neuen Anlage eingehalten und langfristig erfüllt wird.“ Die zur Genehmigung vorliegenden Emissionsschutzgrenzwerte würden im Vergleich von alter zu neuer Anlage deutlich niedriger ausfallen.

Die Grenzwerte der Schadstoff-Emissionen würden weit unterschritten

„Die dann genehmigten Grenzwerte werden im Regelbetrieb der neuen Anlage zudem unterschritten“, versichert der GAB-Chef. Die Planungen für den Neubau verfolgten den Ansatz, die zurzeit bestverfügbare Technik einzusetzen, „sodass gewährleistet werde, die Vorgaben einzuhalten und die Auswirkungen auf die Umwelt bestmöglich zu vermindern.“ Zudem würden die Rauchemissionen der Anlage wie bisher auch von den Behörden ständig kontrolliert. Dafür sei das Landesamt für Umwelt zuständig, das die Einhaltung der Grenzwerte „in Echtzeit überwacht“, betont Finnern. „Wir sprechen deshalb auch von einem gläsernen Schornstein.“

Ein Blick in die alte Anlage, wo ein Kran den Restmüll aufgreift und in den fast 1000 Grad Celsius heißen Verbrennungsofen wirft.   
Ein Blick in die alte Anlage, wo ein Kran den Restmüll aufgreift und in den fast 1000 Grad Celsius heißen Verbrennungsofen wirft.    © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Wie bisher auch soll „im wesentlichen“ der Hausmüll und andere im Kreis Pinneberg angefallene Siedlungsabfälle in der neu geplanten Anlage thermisch behandelt werden, betonen die beiden GAB-Chefs. Darüber hinaus sei geplant, gewerbliche Abfälle, die von den Gesellschaften des GAB-Unternehmensverbunds eingebracht werden, hier zu verbrennen.

Eine vergleichbare Anlage hat 2020 etwa 135 Millionen Euro gekostet

Zu der für den Neubau benötigten Investitionssumme macht die GAB keine konkreten Angaben. „Zum jetzigen Zeitpunkt können noch keine Investitionssummen genannt werden, weil zu viele Einflussfaktoren vorherrschen“, heißt es dazu auf Abendblatt-Nachfrage. Eine ähnlich große Anlage, die 2020 in Mannheim in Betrieb ging, hat rund 135 Millionen Euro gekostet.

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Die Gesellschaft für Abfallwirtschaft und Abfallbehandlung mbH (GAB-Umweltservice) erwirtschaftet etwa einen Jahresumsatz von rund 55 Millionen Euro und erzielte 2021 einen Gewinn von 5,4 Millionen Euro nach Steuern. Das Unternehmen beschäftigt durch die HAMEG-Eingliederung in die GAB etwa 320 Mitarbeiter, davon 70 Angestellte und 250 gewerblich Mitarbeitende.