Barmstedt. Nach Brandbrief will die Politik zwar endlich sanieren. Weil das aber anders vorgesehen war, muss umgeplant werden – und das dauert.
Der Streit um die dringend notwendige Sanierung der AWO-Kindertagesstätte in Barmstedt geht in die nächste Runde. Die Stadtvertretung hat nun während einer turbulenten Sitzung im Rathaus beschlossen, das Haus endlich zu sanieren und zu modernisieren. Viele Eltern sind mit dieser Lösung aber überhaupt nicht zufrieden.
Von Weitem betrachtet wirkt das Gebäude an der Straße Heederbrook in der Kleinstadt im Norden des Kreises Pinneberg völlig in Ordnung. Anfang der 90er-Jahre war die Kita nahe der James-Krüss-Schule gebaut worden. Nur wer genau hinschaut, entdeckt zum Teil grobe Mängel.
Schwerster Schaden: Eine Deckenleuchte fällt im Gruppenraum von der Decke
„Ein großer Strahler ist in der Gruppe meiner Tochter von der Decke gekracht. Zum Glück hat dort gerade niemand gespielt“, berichtet Kathrin Wauer, Haupt-Elternsprecherin der Einrichtung. Das war nur die Spitze des Eisbergs der wachsenden Zerstörung, wie es auch die Stadtvertreter in einem Brief der Arbeiterwohlfahrt nachschauen können, der in den öffentlichen Ratsunterlagen einzusehen ist.
Gesperrte Waschbecken, Kacheln, die von den Wänden in der Toilette gefallen sind, kaputte Fugen in den Außenwänden, die bis ins Innere durchfeuchten – das sind weitere vom Träger der Einrichtung dokumentierte Mängel. Eltern und Erzieher klagen immer wieder über unangenehme Gerüche, die aus den Toilettenanlagen ziehen. Vermutlich sind die Abflussrohre marode. Und: „Es regnet durch die Dachfenster“, erzählt Janne Evers, Elternvertreterin einer Krippengruppe und Mutter zweier Kinder.
Marode Kita: Seit fünf Jahren wird versprochen zu sanieren, bislang ohne Taten
Eigentlich sollten diese Mängel schon längst behoben sein. Erstmalig im November 2019 und im Juni 2021 erneut hatte die Stadtvertretung den Umbau- und Anbauplänen zugestimmt. „In den Plänen wurden sowohl die pädagogischen Konzepte der Kneipp-Pädagogik und des ‚Hauses der kleinen Forscher‘ als auch die gesetzlich vorgeschriebenen förderrechtlichen räumlichen Bedingungen berücksichtigt“, heißt es in einem Brief der AWO an Verwaltung und Kommunalpolitiker.
Der Brandbrief musste geschrieben werden, weil die ursprünglichen Beschlüsse hinfällig sind. Nach der Wahl der neuen Stadtvertretung vor einem Jahr haben sich die Mehrheitsverhältnisse geändert. Nur die Freie Wählergemeinschaft Barmstedt (FWB) steht zu ihren Entscheidungen aus der vorherigen Wahlperiode. Die CDU hatte die Ausbaupläne bereits damals als „zu groß“ abgelehnt und wollte Neues im Norden der Stadt. Die anderen sind jetzt umgeschwenkt.
Freie Wählergemeinschaft kämpft vergebens für neue Mehrheiten
Tatsächlich ist die Nachfrage gerade nach Krippenplätzen in Barmstedt zurzeit fast gedeckt, aber auch nur fast. Deshalb hatte die Wählergemeinschaft den Antrag für den Ausbau um eine Gruppe gekürzt. Doch auch dafür gab es von den anderen Fraktionen keine Unterstützung. Seit der Wahl im Mai vorigen Jahres vertreten außer den sechs Mitgliedern der Freien Wählergemeinschaft sieben Christ- und je drei Sozialdemokraten sowie Grüne und vier Mitglieder der Barmstedter Linken Liste (BALL) die Interessen der Bürger im Rathaus.
Mit dem Beschluss, nur zu modernisieren und zu sanieren, muss jetzt umfangreich neu geplant werden. Das frustriert die Eltern und Erzieherinnen massiv. „Wir sind über viele Jahre hingehalten worden“, berichtet Kita-Sprecherin Kathrin Wauer über die Stimmungslage der Eltern.
Eltern sind sehr zufrieden mit dem guten Team und tollen Konzept
Bislang habe man dank des tollen Teams der AWO und des guten Konzepts für die Notlösung stillgehalten. Doch aus dieser Übergangslösung, zwei Krippengruppen in die entfernte Gebrüderstraße auszulagern, wird mit dem Beschluss von Dienstagabend eine Dauerlösung. Das werde nicht funktionieren und werde Mitarbeiter demotivieren, klagen die Eltern.
„An der Gebrüderstraße gibt es nur einen winzigen Außenbereich, einen zwei Meter breiten Grünstreifen“, erzählt die Elternsprecherin Kathrin Wauer. Dort passe kaum eine Sandkiste hin. In dem angemieteten Gebäude seien wie im Haupthaus immer wieder Brandschutzauflagen kaum zu erfüllen und wegen der Anmietung schwierig durchzusetzen.
Ausgelagerte Krippengruppen werden zur Dauerlösung. Unzumutbar?
Die Eltern haben mit der Dauertrennung von Krippe und Elementar-Kita ein weiteres Problem. „Ich bin eine Dreiviertelstunde mit den Kindern per Rad unterwegs, um die einen ins Haupthaus und die dritte Tochter in die Krippe zu bringen“, erzählt Christina Magunia, die ebenfalls als Elternvertreterin für eine Krippengruppe engagiert ist. Wenn das älteste Kind im Sommer in die Schule kommt, werde der Weg noch länger dauern. „Zudem benötigen wir dann für alle drei Kinder eine Frühbetreuung, die ich einer berufstätigen Mutter wegnehme“, bedauert die Elternsprecherin. Ohne Frühbetreuung seien die Strecken gar nicht zu bewältigen.
Doch weder die Argumente der Eltern, noch der Brandbrief der AWO und auch die Argumente von Peter Gottschalk (Freie Wählergemeinschaft) änderten die Mehrheitsverhältnisse in der entscheidenden Sitzung der Stadtvertretung nicht. Statt eines Anbaus soll auf dem benachbarten Gelände der Kita ein Mehrfamilienhaus errichtetet werden. Darüber hinaus setzt die Mehrheit im Stadtrat auf eine ganz neue Kita im Norden der Stadt. Dort soll ein Neubaugebiet errichtet werden. Die kommenden sieben Jahre werde es keinen zusätzlichen Platz in einer Kita geben, meint der erfahrene Kommunalpolitiker Peter Gottschalk. Denn diese Zeit werde für Ankauf, Planung und Bau draufgehen.
Enttäuschte Mutter: „Mit meinen Kindern werde ich die Sanierung nicht mehr erleben“
Selbst für die jetzt beschlossene Sanierung haben die vollkommen enttäuschten Eltern wenig Hoffnung. „Ich glaube davon gar nichts, bis da nicht der erste Handwerker steht“, kommentiert Mutter Janne Evers. „Mit meinen Kindern werde ich das nicht mehr erleben“, meint auch Christina Magunia. Sie will aber für all die Eltern weiterkämpfen, die kommen.
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Wie die AWO als Träger der Einrichtung mit dem neuen Barmstedter Beschluss umgeht, ist noch offen. Denn sowohl Brandschutz als auch Gesundheitsbehörde hatten Taten angemahnt, die mit der großen Lösung abgearbeitet worden wären. Franziska Brzezicha, Sprecherin des Landesverbandes, kündigt eine Stellungnahme für die kommende Woche an. „Das müssen wir in Ruhe prüfen und Einzelheiten in der Stadtverwaltung nachfragen.“