Pinneberg. In Pinneberg beginnt die Trendsportzeit. Warum die attraktive Mischung aus sportlicher Aktivität und Beach-Club auch Hamburger anzieht.
Schauplatz Côte d’Azur, Mitte der 1960er-Jahre: An Bord eines aufgemotzten Motorbootes stoßen Schöne und Reiche mit Champagner an, juchzen, lachen – und hintendran wedelt ein muskulöser Typ auf Skiern übers Wasser, produziert dabei imposante Wasserfontänen. Damals ein Sinnbild des Luxus, des „süßen Lebens“ und doch nur eine Zeiterscheinung.
Mit den Jahren hat sich die Wasserski-Szene ausdifferenziert, verschiedene Disziplinen haben sich entwickelt. Das einstige Vergnügen der Hautevolee ist zum Breitensport mutiert. Und das Wakeboard hat die Wasserskier in der Beliebtheitsskala mittlerweile abgehängt.
Wasserski-Anlage Pinneberg: Cablesport-Arena ist auch bei Hamburgern beliebt
Seit Jahren können Interessierte auch in Pinneberg – unweit des Bahnhofs auf dem Gelände des ehemaligen Natur-Freibades – ihre Runden übers Wasser drehen. Allerdings werden sie nicht mehr von Motorbooten ins Schlepptau genommen. Stattdessen lassen sich die Wassersportler von Kabeln ziehen, weswegen die Betreiber auch den Begriff „Cablesport-Arena“ kreiert haben.
Andernorts sprechen sie von „Wakeboard-Seilbahn“. Die Technik kurz erklärt: Ein Kabel, das an mehreren Pylonen aufgehängt ist, gibt die Form des Rundkurses vor. Markierungen zeigen dem Sportler die Richtung an, die einzuschlagen ist.
Pinneberg: Mitbetreiber Jonas Just hat schon als angehender Abiturient am See gejobt
Jonas Just jobbte schon vorm Abi bei der hiesigen Cablesportfirma CAP, ehe er seinen Bachelor in BWL baute und als Betriebsleiter beim Pinneberger Freizeitsport-Unternehmen einstieg. Natürlich nutzt er die Gelegenheit auf dem kleinen See mitunter auch selbst zum Wakeboarding.
Dabei ist man, genau wie auf einem Snowboard, mit beiden Füßen auf einem Brett festgeschnallt. Der Wakeboarder hält sich an einer Leine mit Holzhantel fest, die wiederum am Umlaufseil befestigt ist. Immer im Kreis, über Rampen und Hindernisse, geht die wilde Fahrt. Anfänger können dabei auch einfach an den sogenannten „Obstacles“ vorbeisteuern.
Wichtigster Tipp beim Wakeboarden: „Auf die Körperspannung kommt es an“
Worauf ist besonders zu achten? Betriebsleiter Just: „Auf Körperspannung und Gleichgewicht, ansonsten sind praktisch keine Bedingungen zu erfüllen. Nur Schwimmfähigkeit setzen wir voraus.“ Wasserski sei ein „Learning-by-doing“-Sport, die Technik entscheidender als der Kraftaufwand.
Das sehen nicht alle so. Tatiana Sommer, die samt Ehemann René und Tochter Kyra dem Sport geradezu verfallen ist, hat schon diverse Muskelkater hinter sich: „Der Zug vom Lift kommt durchgehend mit 30 Kilometern pro Stunde. Um dieser Wucht allein beim Start standzuhalten, braucht es Rumpfstabilität.“
Tatiana Sommer hat durch das Wakeboarden sieben Kilogramm Muskelmasse aufgebaut
Die bringt nicht jeder mit, sie muss antrainiert werden. Es würden Körperregionen beansprucht, die ansonsten kaum gefordert werden. Beim Ausbalancieren, Starten und Kurvenfahren wechseln An- und Entspannung ständig. „Ich habe mit der Zeit sieben Kilo Muskelmasse hinzugewonnen“, berichtet die 41-Jährige.
Mittlerweile hat der Schmerz zum Glück nachgelassen, denn je besser man die Technik beherrscht, desto mehr Kraft lässt sich einsparen. An der Ausrüstung lässt sich indes kaum sparen, höchstens über Ebay. Neu ist das Equipment nicht ganz billig. An die tausend Euro gehen für Neoprenanzug, Helm, Skier oder Wakeboard drauf.
Anfänger unternehmen ihre ersten Fahrversuche meistens auf den Knien
Vorrangig junge Menschen zeigen sich an dem Sport interessiert. Für sie fängt es meist mit dem „Kneeboard“ an. Dabei steht man nicht, sondern kniet zunächst auf dem Brett, um ein Gefühl dafür zu bekommen, übers Wasser gezogen zu werden.
Auch wenn dabei zwei Bretter koordiniert werden müssen, ist das Wasserskifahren in der Regel schneller eingeübt und bietet mehr Beinfreiheit als das Wakeboard. Es gilt die Faustregel: Wasserskifahren ist leichter zu erlernen, Wakeboarding eröffnet mehr Möglichkeiten.
Für mehr Abwechslung werden die Hindernisse auf dem Wasser ständig umgruppiert
Das findet auch Kyra, zwölfjährige Tochter des Ehepaares Sommer: „Der Start und die Kurven machten mir zu Anfang noch Probleme. Aber wir Kinder sind ja von Haus aus etwas sportlicher als Erwachsene, und als ich die Technik draufhatte, da ging die Post ab.“ Daraus folgt: Erst wenn man sich „safe“ fühlt auf dem Wasser, wird Wakeboarden zum Funsport.
Damit es nicht zu monoton wird, werden die „Obstacles“ regelmäßig umgruppiert. Der Parcours lässt sich also nicht wie im Schlaf absolvieren, sondern fordert ständige Aufmerksamkeit. Die Cracks jagen unabhängig davon rückwärts, vorwärts, seitwärts übers Wasser, zeigen Tricks und Drehungen bis hin zum Salto.
Durch die Gastronomie und die Beachclub-Atmosphäre gibt es auch reichlich Laufkundschaft
In Pinneberg hat sich mittlerweile eine Wasserski- und Wakeboard-Community etabliert. „Durch die Lage direkt am Rosengarten und dem Stadtwald Fahlt haben wir relativ viel Laufkundschaft, die anfangs häufig durch unsere Gastronomie angelockt wird“, ehe der eine oder andere dann angefixt werde, es selbst mal auszuprobieren, sagt Jonas Just. „Wir leben eben von der Kombination aus Sport und Beachclub.“
Durch den Überbau des Wassers mit einem markanten Kran, dem „Lift“, ist die Anlage auch ein Hingucker für Passagiere vorbeifahrender S- und Regionalbahnen. Eine willkommene, kostenlose Werbung.
Wasserski Pinneberg: Betreiber Eppinger hatte 2017 die Anlage abgeben wollen
2017 hat die Welt noch anders ausgesehen. Damals wollte Sebastian Eppinger den Betrieb für 800.000 Euro abgeben und sich selbst anderen Aufgaben zuwenden. Aus dem Plan wurde nichts. Bereits bei seinem Vorgänger waren im März 2013 auf der sechs Jahre zuvor eröffneten Anlage an der Burmeisterallee die Lichter ausgegangen. Der Betrieb rechnete sich offenbar nicht.
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Aktuell ist von Schließung oder Verkauf keine Rede mehr, ganz im Gegenteil. Im Sommer feiern Betriebsleiter Just und Chef Eppinger das zehnjährige CAP-Jubiläum und hegen sogar noch Expansionspläne, speziell außerhalb der Saison. Ein „Winterdorf“ während der Advents- und Weihnachtszeit ist angedacht, muss aber noch mit Ideen gefüllt und mit den zuständigen Behörden abgestimmt werden.
Cablesport Arena: Einige Freaks fahren auch auf Klodeckeln oder mit Wischeimern
Bis dahin könnten sie sich vielleicht mit einem Kuriositäten-Contest behelfen. Denn manchen genügt ein simples Board nicht, sie suchen das Schrullige. Die Liste der kolportierten Eskapaden ist bemerkenswert. Es soll Wasserski-Freaks geben, die auf einem Klodeckel, mit zwei Wischeimern, in Gummistiefeln oder gleich barfuß fahren.
Familie Sommer gefällt’s freilich auch ohne derlei Schnickschnack, zumal sie es von ihrem Wohnort Appen aus nicht weit haben bis zur Arena. „Wir sind Verrückte“, sagt Vater René (41). „Im Sommer kommen wir, wenn das Wetter einigermaßen passt, fast jeden Tag hierher. Das ist für uns wie Urlaub am Meer.“