Kreis Pinneberg. Weniger Nordbahn-Züge zwischen Altona und Pinneberg: Das sorgt für Frust bei Pendlern – und ruft die Hamburger Politik auf den Plan.

Seit dem 10. Dezember gilt der neue HVV-Fahrplan. Für Nordbahn-Fahrgäste brachte dieser eine massive Verschlechterung. Das ist zumindest die Meinung vieler Abendblatt-Leserinnen und -Leser aus dem Kreis Pinneberg. Seit einigen Wochen fährt das Verkehrsunternehmen nur noch einmal pro Stunde zwischen Pinneberg und Hamburg-Altona.

Das beschäftigt nicht nur viele Pendlerinnen und Pendler, sondern mittlerweile auch die Hamburger Politik. Die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft hat eine schriftliche kleine Anfrage an den Senat gestellt, in der es auch um das eingeschränkte Nordbahn-Angebot aus Hamburg in Richtung Norden geht.

Nordbahn reduziert Fahrplan – Abendblatt-Leser sind genervt

Nach Auskunft des Hamburger Senats verlängert sich die Reisezeiten zwischen Pinneberg und Altona um mindestens 15 Minuten, Wartezeiten nicht eingerechnet, wenn Fahrgäste auf die S-Bahn ausweichen. Eine Erhöhung der S-Bahn-Kapazitäten sei nicht vorgesehen. Bislang gilt das verringerte Fahrtangebot laut Nordbahn für das gesamte Fahrplanjahr 2024.

Entsprechend äußert sich auch der Hamburger Senat in der Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion. „Das gesamte Fahrplanjahr 2024 ist mit dem reduzierten Angebot geplant. Ob die Trassen im kommenden Jahr für ein wieder verbessertes Angebot von der DB Netz AG zur Verfügung gestellt werden können, ist noch nicht bekannt.“

Hamburger Linken-Bürgerschaftsfraktion übt Kritik an geringerem Angebot

„Das ist eine Zumutung für die Pendlerinnen und Pendler aus Schleswig-Holstein. Statt Verbesserungen bekommen sie überfüllte Züge und verlängerte Reisezeiten“, sagt Heike Sudmann, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft. „Nie und nimmer lässt sich die Mobilitätswende mit weniger Zügen erreichen.“

Der Grund für das reduzierte Angebot sind Bauarbeiten der Deutschen Bahn im Bereich Diebsteich für den neuen Fernbahnhof Altona-Nord. Auch der Wegfall zahlreicher Fernzüge an den Bahnhöfen Altona und Dammtor wird mit diesen Bauarbeiten begründet. Baustellenbedingt sei die Schienenkapazität im Bereich Altona und Eidelstedt verringert, heißt es in der Senatsantwort.

Abendblatt-Leser äußern ihren Unmut über Fahrplanänderungen

„Die verkehrspolitisch unsinnige Verlagerung des heutigen Regional- und Fernbahnhofs Altona zum Diebsteich führt schon lange vor ihrer Realisierung zu starken Einschränkungen des Bahnverkehrs“, so Sudmann. „Noch ist es nicht zu spät, diese Fehlentscheidung, die zu weniger Gleiskapazität führen wird, zu stoppen. Hier können Bahn und Staat Millionen sparen und sie zur überfälligen Sanierung der Bahninfrastruktur einsetzen.“

Es fährt kein Zug nach Altona: Die Nordbahn musste ihr Fahrtangebot zwischen Pinneberg und Hamburg-Altona deutlich reduzieren.
Es fährt kein Zug nach Altona: Die Nordbahn musste ihr Fahrtangebot zwischen Pinneberg und Hamburg-Altona deutlich reduzieren. © Funke | Anne Dewitz

Das Abendblatt hatte über die Änderungen auf der Nordbahnstrecke zwischen Pinneberg und Hamburg-Altona berichtet und wollte wissen: Wie sehen die Leserinnen und Leser das Thema? Wie sind ihre Erfahrungen mit dem neuen Fahrplan? In einigen Punkten gehen die Meinungen auseinander. Einig ist man sich in der Leserschaft aber bei einem Punkt: Verkehrswende geht anders. Das sagen unsere Leserinnen und Leser:

Knut Petersen aus Tornesch: „Unzumutbare Unverschämtheit“

„Was sich die DB Netz AG hier leistet, grenzt einfach an eine unzumutbare Unverschämtheit und ist, man mag es schon gar nicht mehr erwähnen, in Bezug auf die so vielfach im ökologischen Sinne geforderte Verkehrswende absolut kontraproduktiv. Ganz nebenbei stellen die 25 Prozent Fahrplanreduktion nur einen Teil der Wahrheit dar.

Fast täglich vielfache Ausfälle und Verspätungen durch sogenannte Oberleitungsstörungen, Signalausfälle, Weichenstörungen und einfach nur Zugstreichungen, komplettieren den regelmäßigen Zustand, die Nichterfüllung einer gebuchten Dienstleistung. Für Pendler zwischen den Kreisen Pinneberg, Steinburg und der Stadt Hamburg eine unglaubliche Herausforderung, mit hieraus resultierendem persönlichen wie gesamt-volkswirtschaftlichen Schaden.

Verspätungen und Zugausfälle sind ein großes Ärgernis

Rechnen wir noch die regelmäßigen, fast täglichen Streichungen und Ausfälle einzelner Züge der Nordbahn selbst hinzu, zumeist begründet durch erforderliche Reparaturen am Zug, dann sind wir nicht bei 25 Prozent, sondern gefühlt eher bei 50 Prozent an Wegfall und Verspätungen. Alles in allem Umstände, die mich seit Jahren veranlassen, z.B. vielfach erforderliche Dienstreisen nur noch mit dem Pkw zu absolvieren. Nur so bin ich in der Lage, Termintreue und bezahlte Dienstleistung am Kunden zu gewährleisten.

Und ehrlich, absolut nicht in meinem Sinne. Würde ich mich hier von der Bahn und den erforderlichen Anschlussverbindungen in Richtung Hamburg und weiter abhängig machen, ich könnte meinen Laden schließen. Am Ende alles zulasten einer doch so sehr gewünscht verbesserten Ökobilanz. Also bleibt zunächst zu betrachten, wo Hausaufgaben zu machen sind.“ - Knut Petersen, Tornesch

S-Bahn fährt häufiger: „Jammern auf hohem Niveau“

„Leider wird in Ihrem Bericht komplett vernachlässigt, dass die S3 von 6 bis 22 Uhr im Zehn-Minuten-Takt von Altona nach Pinneberg fährt und danach bis Betriebsschluss alle 20 Minuten. Wo bleibt denn da die Flexibilität auf der Strecke? Dann muss halt auch mal umgestiegen werden, was übrigens aufgrund fehlender Querverbindungen den meisten anderen Fahrgästen des HVV auch nicht erspart bleibt. Das ist Jammern auf hohem Niveau.

Ich finde, seit der Einführung des neuen Fahrplans läuft es runder im HVV, vor allem dank der neuen Streckenpläne mit weniger betrieblichen Störungen bei der S-Bahn.“ - Eirik Stöckl

Manfred Christen aus Tornesch: „Ein perfides Spiel“

„Die Bahn treibt ein perfides Spiel mit ihren Berufspendlern von und nach Hamburg, die oft – außer dem allseits geächteten Auto – gar keine andere Möglichkeit haben, ihren Arbeitsplatz tagtäglich zu erreichen. Sie gewährt den eigenen Regional-Express-Zügen RE6/7/70 in gewohntem Umfang freie Fahrt durch die Baustelle Diebsteich, während die Nordbahn qua Anordnung rund 25 Prozent der Regionalbahnverbindungen via Elmshorn einstellen musste.

Von Tornesch komme ich nur einmal die Stunde ohne Umsteigen nach Altona und einmal zum Hauptbahnhof oder zurück. An dieser Stelle sollte Herr Minister Madsen noch einmal medienwirksam auftreten (wie kurz vor Weihnachten schon einmal) und die Bahn öffentlich abwatschen ob ihrer verlogenen Ansage, den ÖPNV auf der Schiene in Fahrt bringen zu wollen.“ - Manfred Christen, Tornesch

Zustände zwischen Pinneberg und Altona „völlig untragbar“

„Als Pendlerin von Tornesch nach Altona empfinde ich den Wegfall der sog. Verstärker-Züge als eine unglaubliche Frechheit! Statt morgens die Wahl zwischen zwei zum Arbeitsbeginn passenden Abfahrten in Richtung Altona zu haben (7.45 Uhr bzw. 8.09 Uhr), gibt es für mich nur noch den Zug um 7.45 Uhr (oder dann eine Stunde später, sodass ich zu spät ankomme).

Den Umstieg in Pinneberg habe ich ausprobiert, statt nach sonst 19 Minuten in Altona anzukommen, war ich 50 Minuten unterwegs, da die S-Bahn in Pinneberg abfährt, obwohl auf der anderen Seite des Bahnsteigs die Nordbahn gerade ankommt und außerdem die Bahn dann in Altona nur mit Verspätung in den Bahnhof einfahren durfte.

Abends bedeutet es für mich, dass ich eine Stunde meines Feierabends verliere, wenn ich den Zug verpasse. Das ist auf einer von so vielen Pendler benutzen Strecke einfach völlig untragbar! Dazu kommt, dass auch schon in der Vergangenheit viele Züge der Nordbahn ausfielen bzw. oft Verspätung hatten, Bahnfahren auf dieser Strecke ist eh schon Glückssache gewesen! Und ja, ich werde, wann immer möglich, wieder mit dem Auto fahren. Verkehrswende – ja gerne – aber so definitiv nicht!“ - A. Volkmer, Tornesch

Fahrzeit hat sich deutlich erhöht

„Das Zugangebot nach dem Fahrplanwechsel in Tornesch ‚begeistert‘ mich wirklich. Jahrelang wird einem versprochen, dass das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs in Tornesch verbessert werden soll. Jetzt mit dem neuen Fahrplan kam dann die Überraschung. Die Nordbahnzüge verkehren jetzt nur noch einmal die Stunde von Tornesch nach Hamburg-Altona.

Man hat dann zusätzlich noch die Möglichkeit, einmal die Stunde nach Pinneberg zu fahren und dort in die wesentlich langsamere S-Bahn umzusteigen, wenn man Anschluss hat. Bei den ständigen Verspätungen erhöht sich die Fahrzeit um circa 15 Minuten pro Tour. Wenn man die S-Bahn in Pinneberg verpasst, kommen noch mal zehn Minuten dazu.

Das nenne ich doch ein attraktives Angebot. Dieses Angebot motiviert sicher jeden Autofahrer, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen und somit unsere CO₂-Bilanz zu verbessern. Ich überlege auf jeden Fall, künftig doch auch wieder gelegentlich das Auto zu nutzen.“ - K. Matthies

„Ein Großversuch zum Thema Frustrationstoleranz“

„Seit gut zwei Jahren fahre ich mit der Regionalbahn nach Hamburg. Zuvor war ich Autofahrer. Inzwischen bin ich mir sicher, unwissender Teilnehmer an einer geheimen wissenschaftlichen Studie zur Resilienzforschung zu sein. Das einzig regelmäßige an den Zügen der Nordbahn ist die Unregelmäßigkeit. Eine pünktliche Bahn ist im Vergleich zu den verspäteten Zügen statistisch nicht signifikant.

Teil der vermuteten Studien muss auch ein Großversuch zum Thema Frustrationstoleranz im Zusammenhang mit der Kommunikation sein. Egal ob Anzeigetafel, App oder Durchsage: Die Bahn versteht es wunderbar, die Verspätungen immer so kurzfristig mitzuteilen, dass man es nicht mehr schafft, in eine alternative (aber im Normalfall doppelt so langsame) S-Bahn zu wechseln.

„Wie groß wird die Verspätung heute sein?“

Zu oft habe ich am verregneten Bahnsteig die DB-App geöffnet und überrascht zur Kenntnis genommen, dass ich eigentlich in einem fahrenden Zug sitze. Vermutlich gibt es Geisterzüge. Mich würde einmal interessieren, ob die Pünktlichkeitsstatistik mit den oft falschen Angaben in der DB-App gefüttert wird.

Aber Ihre Frage bezog sich ja auf den neuen Fahrplan – wobei: schon das Wort ‚-plan‘ lässt mich schmunzeln. Ich merke, dass der Bahnsteig bereits sehr früh am Morgen mit vielen Menschen gut gefüllt ist, noch mehr als zuvor. Die Stimmung ist irgendwo zwischen bangen und hoffen: Wie groß wird die Verspätung heute sein?

Nordbahn kommt oft schon verspätet in Pinneberg an

Weil nun viele Menschen mehr Zeit zum Einsteigen brauchen als wenige Menschen, hat sich die Verspätung bis Pinneberg auf normalerweise acht bis zehn Minuten kumuliert. Manchmal weniger, oft mehr. Im Zug kommt man sich dann näher und tauscht die Viren der Saison aus. Manchmal erlaubt sich die Nordbahn den Spaß und fährt mit weniger Wagons. Dann fühlt man sich so wie in der S-Bahn Stellingen kurz nach einem HSV-Spiel. Der ideale Start in einen Arbeitstag im Büro.

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Als ich den Jubel „So geht die Mobilitätswende – mit mehr und besserem ÖPNV“ vom Landkreis gelesen habe, hatte ich erst gedacht, dass ich dann den Fahrplan falsch interpretiert haben muss. Später wurde mir klar, dass ich wohl einfach nur nicht den speziellen Humor der Behörde verstanden habe.

Abendblatt-Leser klagen über „schlechten Dienstleister“

Es fällt mir trotz eines Arbeitsplatzes in der Nähe der Alster wirklich schwer, nicht wieder auf das Auto umzusteigen. Auch dort gibt es mal einen Stau, auch dort muss man sich manchmal ärgern – und die Kosten für einen Parkplatz führen zu Schnappatmung.

Aber die Nordbahn schafft es jeden Tag, den Blutdruck bei allen Fahrgästen zu steigern. Das Gefühl, einem schlechten Dienstleister ausgeliefert zu sein, der zumindest mittelfristig über ein Monopol verfügt, macht es einem wirklich nicht leicht, beim klimafreundlichen Fortbewegungsmittel zu bleiben.“ - Jörg S.

Die Zuschriften geben die Meinungen der Einsender wieder. Kürzungen vorbehalten. Sie haben gute oder schlechte Erfahrungen mit dem neuen HVV-Fahrplan gemacht? Schreiben Sie uns eine E-Mail mit dem Betreff „HVV-Fahrplan“ an pinneberg-abendblatt@funkemedien.de