Elmshorn. Das Gesicht der größten Stadt im Kreis Pinneberg soll sich wandeln. Welche Orte betroffen sind - und was dort konkret geplant ist.
Die Stadt Elmshorn hat Großes vor. Bis 2034, wenn sich der Geldtopf der Städtebauförderung wieder schließen wird, soll die Krückaustadt ein fast komplett neues Herz erhalten. Das Abendblatt wollte es genau wissen und ist mit Stadtbaurat Lars Bredemeier sowie Anja Schröder und Morten Boysen vom Amt für Projektentwicklung durch die Gebiete spaziert, in denen die Zukunft der Krückaustadt im kommenden Jahrzehnt entstehen soll.
Ein beschlossener neuer Bahnhof mit neuem ZOB, ein erstes für rund 200 Wohnungen bereits durchgeplantes und beschlossenes Quartier an einem komplett neu gestalteten Buttermarkt, das neue Rathaus, eine neu entstehende Bebauung zwischen Probstendamm und Krückau sowie eine Anbindung der bisherigen Innenstadt mittels eines Durchbruchs von der Königstraße zur Krückau und darüber hinaus – Elmshorn erfindet sich neu.
Streit um das Apollo könnte die Entwicklung des Neubaugebiets verzögern
Doch wo so vieles neu gestaltet und verändert wird, kann naturgemäß nicht ausschließlich eitel Sonnenschein herrschen. Und so beginnt der Rundgang beim zurzeit größten Streitpunkt, den die Umgestaltung der Stadt mit sich bringt. Das Apollo Kulturzentrum in der Königstraße soll nach Willen der Planer möglichst bald dem Durchbruch Richtung Krückau und Buttermarktquartier weichen. Widerstand regt sich.
Auf der Sitzung des Ausschusses für Stadtumbau im März hatten die Grünen einen Antrag eingebracht, nach dem das Apollo noch für eine temporäre, mehrjährige Frist seiner bisherigen Nutzung auch weiterhin nachkommen soll. Grund: Den bisherigen Nutzern Apollo e.V. und Straßenpirat:innen e.V. stünden keine anderen geeigneten Räumlichkeiten im Innenstadtbereich zur Verfügung.
Alle Lager wollen den Durchbruch zwischen Königstraße und Krückau – aber wann?
Zwar betonten auch alle politischen Lager im Ausschuss, dass sie den Durchbruch von der Königstraße zur Krückau grundsätzlich wollen, doch sehen zumindest die Grünen einen möglichen Zeitraum für eine Zwischennutzung des Apollo gegeben. Das deckt sich jedoch nicht mit der Ansicht der städtischen Planer. Die Uhr ticke laut und vernehmlich, so deren Überzeugung. „Die größte städtebauliche Maßnahme Schleswig-Holsteins“, so Lars Bredemeier, lasse kaum Raum für Verzögerungen.
Zumal nach Evaluierung des Amtes die Weiterbetreibung des Apollos – auch für nur wenige Jahre – mit immensen Mehrkosten behaftet sei. Von Investitionen im sechsstelligen Eurobereich ist die Rede, die dazu nötig seien, einen sicheren beziehungsweise vorschriftsmäßigen Betrieb des Gebäudes zu gewährleisten. Allein die jährlichen Unterhaltskosten, ungeachtet weiterer Sanierungsmaßnahmen, würden nach Zusammenfassung durch Anja Schröder jährlich rund 19.000 Euro betragen.
Die Durchwegung zur Königstraße ist essenziell für die Erschließung des Buttermarktes
Eine Kostenwelle, die hingegen Henrik Pohlmann vom Apollo e.V. im Anschluss an die Ausschusssitzung überraschte. „Für unseren bisherigen Vermieter waren die Gegebenheiten des Gebäudes kein Grund gewesen, die Nutzung auszusetzen. Wir warten mit Interesse auf die Offenlegung der Details seitens der Stadt, warum die Nutzung nun nicht mehr möglich sein soll.“
Theoretisch ist vieles möglich. Rein auf dem Papier hätte Elmshorn natürlich bis 2035 Zeit, um alle Baumaßnahmen über die Bühne zu bringen. Aber so einfach, wie es sich liest, sei es nicht, wie Lars Bredemeier betont. „Wenn wir 2028 das neue Rathaus beziehen wollen, dann müssen wir ja auch entsprechend weit mit dem neuen Buttermarkt sein“, erläutert der Baustadtrat. „Zu dem Zeitpunkt muss dann auch die Verbindung zur Königstraße geschaffen sein. Sonst haben wir die Situation, dass wir ein neues Zentrum neben dem alten errichten, anstatt eine einzige große neue Innenstadt zu schaffen.“
Neugestaltung des Buttermarktes bietet kaum Konfliktpotenzial
Es gibt also noch viel Beratungsbedarf zwischen Stadt, Parteien und Apollonutzern, bis auf der nächsten Ausschusssitzung am 23. Mai möglicherweise eine Entscheidung fällt. Dagegen ist bei Neugestaltung des Buttermarktes mit der ihn einfassenden Schauenburger Straße und dem Probstendamm – beide ebenfalls in neuen Verläufen – vergleichsweise wenig Konfliktpotenzial zu erwarten.
Zwar gab es Proteste um die nun zur Fällung freigegebene Blutbuche in der Schauenburger Straße, doch deren – durch die Umgebungsveränderung ungewisser – Erhalt wäre auf Kosten von rund 30 Wohnungen gegangen. Diese würden dann im Siegerentwurf des Quartiers am Buttermarkt nicht errichtet werden. „Zumal der Baum nicht so alt ist, wie es bei den Protesten hieß“, sagte Bredemeier. „Für erste Arbeiten hatten wir hier schon Platanen wegnehmen müssen, die älter waren. Da ist niemand auf die Barrikaden gegangen.“
Die Ost-West-Achse von neuem Bahnhof bis Hafen wird Kernstück der Innenstadt
Opfer, wie die Blutbuche müssten aber gebracht werden, da ist sich der Baustadtrat sicher: „Das Gesamtkonzept unserer neuen Innenstadt beruht auf den beiden Achsen Buttermarkt in Ost-West-Richtung zwischen Hafen und künftigem Bahnhof sowie dem Durchbruch über die Krückau zwischen Buttermarkt und Königstraße.“
Achsen, die auch mit reichlich Grün, sprich neuen Bäumen, die Elmshorner Bürger auch zum Verweilen und nicht zum „bloß schnell durch“-Passieren einladen sollen. Allein im Gebiet Berliner Straße zwischen Buttermarkt und Schloßstraße sei mit 106 neuen Bäumen zu rechnen, die an der grünen Stadtkante das „Parken unter Bäumen“ in Doppelreihe als Ausgleich für die auf dem Buttermarkt wegfallenden Parkplätze schöner gestalten sollen.
Die Vision der neuen Innenstadt überzeugt auch die Deutsche Bahn von ihrem Engagement
Schön – das ist ohnehin das Stichwort, unter dem die Planungen und bereits angelaufenen Arbeiten stehen. Denn auch wenn die Entwicklung der neuen Innenstadt aus vielen Einzelprojekten bestehe, so sei es doch erst das große Ganze, das die ganze Wirkung des Umbaus entfalte.
„Wir wollen das tolle neue Rathaus haben, die anderen tollen neuen Gebäude; dafür muss die Platzsituation gegeben sein“, sagt Anja Schröder. „Wir können demnächst, und das ist ja auch der Grund, weshalb die Deutsche Bahn so bereitwillig auf die neuen Bahnhofspläne angesprungen ist, vom Bahnhof bis zum Hafen gucken, nur mit der Markthalle auf halber Strecke dazwischen.“ Lars Bredemeier ergänzt: „Die Vorstellung, dass Bahngäste aus dem Bahnhof direkt in eine lebendige Stadt mit Blumen, Bäumen, Cafés und Verweilmöglichkeiten kommen, war sehr überzeugend.“
Die Bauarbeiten müssen voranschreiten, solange noch genug Freifläche besteht
Mit dieser Vision vor Augen betont Anja Schröder noch einmal, wie bedeutend die zügige Umsetzung aller geplanten Schritte sei, jetzt, wo noch Platz zur Verfügung stehe: „Es ist entsprechend wichtig, wenn die Menschen demnächst hier oder am Steindammpark in den Bus umsteigen, dass sie auf einem kurzen Weg Richtung Königstraße kommen“, betont Anja Schröder. „Wir können die Innenstadt ja nicht zwei, drei Jahre komplett dicht machen und dann alle Bauunternehmen nebeneinandersetzen. Jeder Bau braucht seine eigenen Flächen. Aber wenn es dann eng wird, kommt ja keiner mehr vom Fleck.“
„Bevor dort etwas entstehen kann, wo jetzt der alte Buttermarkt ist und davor, muss die Durchwegung mit Brücke fertiggestellt sein“, sagt Bredemeier. Anja Schröder bestätigt: „Es pressiert, es ist allerhöchste Zeit.“
Um die Bürger zu informieren, wird ein neues Modell zur Veranschaulichung erstellt
Dazu gehöre auch, die Bürger auf diesem Weg zur neuen Innenstadt frühzeitig und umfassend mitzunehmen. Transparenz ist wichtiger denn je. „Das Verständnis für unser Vorhaben ist sehr schwierig, wenn man sich nur die Pläne anguckt, da wir dieses Gebiet räumlich drastisch neu ordnen“, sagt Morten Boysen. „Deswegen sind wir auch grad dabei, ein neues Model für das gesamte Gebiet erstellen zu lassen, weil sich so plastisch das Konzept viel besser erfassen lässt und auch die geplante Begrünung besser zur Geltung kommt“, ergänzt Bredemeier.
So werde sich dann auch erschließen, dass das entstehende Quartier an der Krückau keinen Verlust an Natur mit sich bringen werde. „Man kann eher davon ausgehen, dass sich der Grünstreifen zwischen Häusern und Krückau dann eher noch vergrößert, wenn wir die Bushaltestelle wegnehmen und der Probstendamm seinen neuen Verlauf erhält“, sagt der Baustadtrat.
Das Bauvorhaben beschert der Stadt zwei neue Straßen – Namen werden gesucht
Neuer Verlauf ist ohnehin ein gutes Stichwort: Das Gesamtbauvorhaben beschert der Stadt auch zwei neue Straßen. Planstraße B soll von der Berliner Straße aus zwischen Knecht’schen Hallen und künftigem Quartier am Buttermarkt das Areal ebenso erschließen wie die Planstraße A, die von der Schloßstraße aus an der Westseite der Hallen Richtung Markthalle zwischen Rathaus- und Buttermarktquartier ins neue Elmshorner Herz vorstoßen wird.
„Planstraße A und B“ – das soll aber doch nicht so bleiben? „Normalerweise werden Straßen erst benannt, wenn sie fertiggestellt sind“, erläutert Anja Schröder, lässt aber durchblicken, dass in diesem Fall vielleicht eine Ausnahme gemacht werden könne. „Straßenbenennungen nimmt normalerweise der Ausschuss für Kultur und Weiterbildung vor. Und ich denke, in diesem Fall werden sie einen Vorschlag machen, und der Ausschuss für Stadtumbau wird dann zustimmen. Denn bei diesem Vorhaben von Planstraße A und B zu sprechen, das ist irgendwie unangebracht.“
Der neue Buttermarkt soll schlank werden und zum Verweilen einladen
Dass am Buttermarkt selbst die Schauenburger Straße und Probstendamm näher an den Markt heranrücken, habe den Zweck, eine länglichere Marktfläche zu erzeugen. Sie zu queren solle nicht den Effekt einer weiten Strecke haben; alles sei darauf ausgerichtet, Freude am Verweilen zu erzeugen. Für die Schauenburger Straße sind noch bis November Kanalbauarbeiten im Vortriebsverfahren im Gange, dann gehts auch oberirdisch weiter.
Doch damit das entstehende neue Zentrum für die Besucher nicht zu abrupt beginnt, bereitet die Berliner Straße als „grüne Stadtkante“ in ihrer vollen Länge bereits von der Reichenstraße aus nordwärts die Besucher auf das neue Stadtbild vor. Zumal zwischen Schloß- und Osterfeldstraße südlich der Knecht’schen Hallen auch noch ein Quartier entstehen wird. Hierfür werden die bisherigen Häuserzeilen an der Berliner Straße mit Ausnahme des Klinkerbaus und des historischen Kranhauses an der Ecke zur Schloßstraße weichen müssen.
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Auf jeden Fall ist davon auszugehen, dass in die Schloßstraße eine ganz neue Qualität von Leben Einzug halten wird. Führt sie doch zur momentan noch freudlos so benannten Planstraße A, die künftig quasi als neue Hauptschlagader zwischen Knecht’schen Hallen und Buttermarktquartier zur Rechten sowie Quartier an den Knecht’schen Hallen und Rathausquartier zur Linken ins neue Herz von Elmshorn vorstößt.
Für Vormstegen mit seiner alten Wohnbebauung bietet das neue Zentrum eine Chance
Und auch für die Straße Vormstegen mit ihren deutlich über 100 Jahre alten Häusern tun sich durch die Veränderungen neue Möglichkeiten auf. Schließlich entstehen in direkter Nähe weitere Wohnquartiere mit Kita und auch Gastronomie. „Vormstegen war früher ein eigenständiges Dorf, deswegen ist der Name auch für das Erschließungsgebiet Krückau-Vormstegen erhalten geblieben“, erläutert Morten Boysen.
Hier, von der Rückseite des künftigen Rathausquartiers, ist es dann nicht mehr weit bis zum Elmshorner Hafen. „Ein weiteres Gebiet, das wir für ein schöneres Verweilen herrichten wollen“, sagt Bredemeier. „Sobald wir am Nordufer die Spundwände saniert haben, sollen die historischen Schiffe dorthin zurückkehren und wir können dann auch hier Gastronomie ansiedeln.“
Auch wenn noch zehn Jahre Zeit sind, die Uhr tickt für das Bauvorhaben
Morten Boysen ergänzt: „Bis hierher wird sich dann der Buttermarkt als eine Achse fortsetzen und so unser Konzept vollenden.“ Es gibt also noch viel zu tun. Zehn Jahre Frist, die zur Vollendung des Städtebauprojekts zur Verfügung stehen, klingen nach ausreichend Zeit. Aber Anja Schröder betont es noch einmal: „Die Uhr tickt. Jeder Bauschritt, den wir früher beginnen können, ist ein Gewinn für uns alle.“