Haseldorf. Die erste Blüte endet schon, die Obst-Saison startet eher. Warum Höfe im Kreis Pinneberg dennoch vor großen Herausforderungen stehen.
Obstliebhaber aus dem Kreis Pinneberg mögen es angesichts des Aprilwetters kaum glauben, aber sie werden in diesem Jahr früher mit Kirschen, Äpfeln und Co. aus der Haseldorfer Marsch versorgt. Um gute zwei Wochen ist der Start diesmal vorverlegt. Schuld daran: Die hohen Temperaturen. „Die ersten Kirschen wird es bei uns voraussichtlich Anfang oder Mitte Juni geben. Die Hauptzeit der Ernte ist wohl Anfang Juli“, schätzt Torben Krieger.
Er ist auf dem Hof in Haseldorf sozusagen der „Obstbau-Meister“, offiziell nennt sich der Titel Gärtnermeister mit dem Schwerpunkt Obstbau. Und der Anbau von Obst auf den fruchtbaren Böden der Marschlandschaft entlang der Elbe ist ein Wirtschaftsfaktor für die Region: Laut einer Erhebung des Statistikamts Nords von 2022 stellt der Kreis Pinneberg mit gut 270 Hektar Anbaufläche fast 54 Prozent der Gesamtanbaufläche Schleswig-Holsteins.
Obstanbau in der Haseldorfer Marsch: Enorme Herausforderungen für Höfe im Kreis Pinneberg
Doch neben der harten Arbeit sehen Krieger und seine Kollegen sich in Zukunft mit vielen weiteren Herausforderungen konfrontiert. Es war ein ungewöhnlich milder Winter – Januar, Februar und März waren nicht kalt. Es gab keinen Frost. Die höheren Temperaturen sorgen dafür, dass die Bäume früher Blüten bilden.
Für den 29 Jahre alten Krieger, der mit Ausnahme der Erntezeit alle Bäume mit seinem Vater Wolfgang in Eigenregie beackert, ist es die „früheste Blüte“, die er je seit seinem Ausbildungsbeginn vor zwölf Jahren erlebt hat.
Die Premieren-Äpfel 2024 auf der insgesamt 20 Hektar großen Anbaufläche des Obsthofs Krieger wird es wohl bereits Mitte/Ende August geben. Üblicherweise geht es eher im September los. Der fortschreitende Klimawandel verändert auch die Landwirtschaft. Die kalten Winter, in denen der Boden durch Frost aufgelockert werden würden oder die Pflanzen über Monate hinweg zur Ruhe kommen können, fehlen.
Obsthof Krieger setzt vornehmlich auf Kirschen und Äpfel
Angebaut werden größtenteils Kirschen (Knubberkirschen und Sauerkirschen) und Äpfel, doch auch Erdbeeren, Pflaumen, Zwetschgen, Mirabellen, Reineclauden, Aprikosen und Pfirsich wachsen auf dem Marschboden. Imker aus Haseldorf, Uetersen oder Wedel kommen im Frühjahr gern mit ihren fleißigen Bienenvölkern auf den Obsthof für ihren Blütenhonig, Obstbauern profitieren im Gegenzug von einer flächendeckenden Bestäubung
Über die Kirschbäume sind seit der Blühphase, die in wenigen Tagen beendet ist, große weiße Planen aus Plastik gespannt. Optisch sieht es nicht gerade ansprechend aus, wenn der Blick auf Bäume und Blüte eingeschränkt ist. Aber der Zweck heiligt die Mittel. Das Dach bleibt dauerhaft während der Saison stehen.
Plastikdächer schützen Früchte vor Regen und Hagel
„Wenn der Baum bald Früchte trägt, würden die Kirschen bei Regen zu nass werden und sich vollsaugen. Dann platzen sie auf“, erklärt der Obstbauer. Auch Hagel kann dem empfindlichen Obst so weniger anhaben. Und: Diese Planen halten die Vögel vom Naschen ab.
Dadurch ließen sie sich einfach schlechter verkaufen. Der Schutz vor Hagel ist ebenfalls gegeben. Eine Art Gewächshauseffekt würde sich durch solch eine Bedachung laut Krieger nur „minimal“ ergeben. Die Apfelbäume auf dem Obsthof Krieger sind übrigens nicht bedacht, weil solche Kernobst-Arten vergleichsweise widerstandsfähiger seien.
Steigende Produktionskosten für Landwirte – auch im Obstbau
Auch die Produktionskosten steigen. „Da geht es nicht nur um Diesel für die Traktoren, sondern auch um andere Dinge, wie zum Beispiel Materialkosten“, erklärt Krieger. Wenn beispielsweise ein Stück Draht nun 30 statt 20 Cent koste, dann läppere sich das mit allen anderen Preissteigerungen schon ordentlich, so der Haseldorfer.
Die Holzpfähle für die Stabilisierung der Bäume seien etwa teurer geworden oder auch schon die Bäume selbst. Pflanzenschutz- und Düngemittel ebenfalls. Der Obsthof Krieger ist QS-Gap-zertifiziert, das Siegel signalisiert dem Verbraucher eine lückenlose Qualitätssicherung, der Hof selbst muss seinen Einsatz der chemikalischen Mittel einsehbar für das Institut dokumentieren.
Kirschessigfliege aus Asien ist in der Haseldorfer Marsch angekommen
Die Obstbauen haben zusätzlich mit invasiven Insekten-Arten zu kämpfen. Beispielsweise mit der Kirschessigfliege, die ursprünglich aus Asien stammt. Sie dringt nun auch gern seit gut zehn Jahren in Beerenfrüchte in der Haseldorfer Marsch ein. Generell seien Früchte, die zum Weichobst zählen, anfälliger für Schäden. Starkregen zieht Erdbeer-Pflanzen ordentlich in Mitleidenschaft.
Das Wetter seriös einschätzen zu können, sei schwierig geworden für alle Obstbauern. Krieger ist jedoch verhalten optimistisch, was die Ernte in dieser Saison angeht: „Die Bienen sind in diesem Jahr gut geflogen, bisher gab es keinen Frost, durch den die befruchteten Blüten beschädigt werden oder abfallen können.“
Die Voraussetzungen für eine vernünftige Ernte seien zum jetzigen Zeitpunkt gegeben, so der Frucht-Experte. Angestrebt werden 40 Tonnen Äpfel pro Hektar und insgesamt 15 Tonnen Kirschen. Bei einer guten Ernte besteht das Helferteam aus bis zu acht Mitarbeitern.
Familie Krieger ist vom Getreide-Anbau auf Obst umgeschwenkt
Den Haseldorfer Obsthof gibt es seit 1949, Mitte der 1950er Jahre haben sich die Kriegers ihren Betrieb vermehrt vom Getreide-Anbau in Richtung Obstkulturen bewegt. 1988 übernahm dann Wolfgang Krieger das Geschäft. Die Äpfel von diesem Haseldorfer Obsthof landen beim Großhändler und dann beim Supermarkt-Kunden der Rewe-Gruppe.
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Oder sie werden direkt beim Erzeuger im Hofladen (Altenfeldsdeich 16) verkauft. Dort werden aktuell die Äpfel der Vorsaison verkauft, die in speziellen Kammern mit nur 1,5 Prozent Sauerstoff-Anteil eingelagert worden waren. Es gibt ab Erntebeginn auch die Möglichkeit, selbst pflücken zu gehen. Beliebt seien bei den Kunden neben der Sorte Wellant, beispielsweise Delbar, Zari, Elstar und Jonagold.
Apfelsorte Holsteiner Cox ist vom Aussterben bedroht
Die einst vorherrschende Apfelvariante Holsteiner Cox ist hitze-empfindlich und könnte schon bald wegen der zu heißen Sommermonate ohne Regenfälle aus dem Anbauplan der Höfe in der Haseldorfer Marsch endgültig verschwinden.
Wie sieht der Obstanbau der Zukunft aus? Krieger überlegt: „Tjoa, wenn man das jetzt schon genau wüsste. Ich denke, dass der geschützte Anbau zunehmen und erweitert wird. Und meiner Meinung nach müsste auch mehr und intensiver geforscht werden, um Obst-Sorten besser an die sich verändernden äußeren Bedingungen anpassen zu können.“