Rellingen. Kahlschlag: Trotz riesiger Resonanz auf eine Petition zum Erhalt des Baumes in Rellingen findet die CDU, die Linde steht nur im Weg.

Die 200 Jahre alte Linde in Rellingen ist nicht schützenswert, findet die CDU – und stimmte Dienstagabend im Ausschuss für Bauwesen und Umwelt geschlossen dafür, die Winterlinde am Oberen Ehmschen aus dem Baumkataster der Gemeinde zu streichen. Grüne, SPD und FDP sprachen sich für den Erhalt aus, konnten sich aber gegen die absolute Mehrheit der Christdemokraten nicht durchsetzen.

Die Gemeinde muss dringend den Regen- und Schmutzwasserkanal an der Straße Oberer Ehmschen und im Erlengrund erneuern, da die Straßen regelmäßig überflutet sind. Die Linde steht ihr bei dem Bauvorhaben offenbar im Weg. Um den Baum fällen zu können, musste er erst einmal aus dem Baumkataster gestrichen werden. Das ist nun geschehen.

Kahlschlag in Rellingen: 200 Jahre alte Linde verliert Schutzstatus

Der alte Baum wächst im Garten der Familie Wieda. Sie möchte unbedingt verhindern, dass die Linde gefällt wird und hatte deshalb am 23. März sogar eine Petition gestartet. 22.475 Menschen hatten auf der Plattform Change.org für die Rettung der Linde unterschrieben. Christopher Wieda überreichte zu Beginn des Ausschusses die 446 Seiten mit den Unterschriften an den Vorsitzenden Steffen Böhm-Rupprecht (CDU).

In Rellingen kämpft Familie Wieda mit einer Petition um ihre etwa 200 Jahre alte Linde.
In Rellingen kämpft Familie Wieda mit einer Petition um ihre etwa 200 Jahre alte Linde. © privat | Wieda

Maja Wieda ist enttäuscht von der politischen Entscheidung: „Der Baum wurde regelrecht kaputt geredet. Das hatte schon etwas Manipulatives.“ Sie lebt mit ihrem Mann Christopher und zwei Kindern seit zwölf Jahren in dem Haus mit der schönen Linde im Garten. „Wir werden rechtliche Schritte einleiten“, sagt Maja Wieda. Bei der Unteren Naturschutzbehörde hat sie einen Antrag auf Feststellung zum Naturdenkmal gestellt.

Eigentümer mit der Fällung der Linde nicht einverstanden

Der Verwaltung und Politik in Rellingen begegnet sie mittlerweile mit einer gewissen Skepsis. „Über den Vorgang sollte bereits im Februar im Ausschuss entschieden werden. Ich hatte rein zufällig davon erfahren und bin zu der öffentlichen Sitzung im Rathaus gegangen. Dort wurde dann behauptet, die Eigentümer seien mit der Fällung der Linde einverstanden“, sagt Maja Wieda. Sie meldet sich in dem Ausschuss zu Wort und gibt sich als Grundstückseigentümerin zu erkennen – und dass sie nicht einmal über die Pläne informiert worden sei.

Die Entscheidung wurde daraufhin vertagt und eine Vor-Ort-Begehung mit Vertretern aus Politik, Verwaltung und dem Bürgermeister vereinbart, die im März stattfand. „Wir hatten danach nicht das Gefühl, dass die Entscheider den Baum erhalten möchten“, sagt sie.

Mehr als 22.000 Menschen unterschreiben Petition

Die Familie will um ihre Linde kämpfen. Sie verteilte Flugblätter in der Nachbarschaft und startete die Petition auf der Online-Plattform change.org – und trifft damit offenbar einen Nerv bei Tausenden von Menschen. „So ein alter Baum ist von unschätzbarem Wert“, kommentiert eine Unterstützerin. Andere schreiben, gerade in Zeiten des Klimawandels sei jeder Baum schutzwürdig.

Innerhalb der ersten vier Tage kamen 2200 Unterschriften zusammen. Einen Monat später sind es zehnmal so viele. „An der Meinung der Entscheider hat das am Ende nichts geändert“, sagt Maja Wieda.

Linde in Rellingen ist Lebensraum für viele Tiere

„Die Linde ist Lebensraum von Eichhörnchen, Insekten und Vögeln und leistet einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz“, sagt sie. Der Baumbestand in der Umgebung verschwinde zusehends, weshalb der Erhalt jedes einzelnen Baums hier umso wichtiger sei. „Rellingen wirbt gern damit, eine grüne Gemeinde zu sein. Es gibt einen Klimabeirat und das Baumkataster. Das hat nicht jede Gemeinde“, sagt sie. Und: „Es bräuchte 400 Jungbäume, um die Umweltleistung eines alten Baumes zu ersetzen.“

Auch Eichhörnchen lieben die Linde in Rellingen.
Auch Eichhörnchen lieben die Linde in Rellingen. © privat | Wieda

Die Linde sei noch gut in Schuss, es gebe keinen Anlass, sie zu opfern. Und auch Neupflanzungen könnten den alten Baum nicht ersetzen. Ihr persönlich blute das Herz, wenn sie daran denke, die Linde, die ihnen im Sommer Schatten spendet, unter der sie schon viele Kindergeburtstage gefeiert haben und in der es im Sommer so herrlich summt, würde abgeholzt.

Linde in Rellingen soll wegen Kanalarbeiten gefällt werden

Die Gemeinde beabsichtigt die Linde fällen zu lassen, weil ihre Wurzeln einer neuen Wasserleitung im Weg stehen. „Dabei gibt es Alternativen“, sagt Maja Wieda. Das beauftragte Ingenieurbüro hatte die Fällung im ersten Entwurf als alternativlos dargestellt, in einer Überarbeitung aber eine technische Lösung vorgeschlagen, wie die Wurzeln umgangen und der Baum erhalten werden könnte.

Dabei soll der östliche Stauraumkanal im Bereich des Wurzelwerks unterbrochen und an den zweiten, parallel verlaufenden Stauraumkanal angeschlossen werden. Dadurch würde ein Abstand von circa anderthalb Metern zum Wurzelpaket geschaffen. Nach Aussage des Baumgutachters erhöht sich die Überlebenschance der Linde dadurch erheblich. Die geschätzten zusätzlichen Baukosten für diese Variante belaufen sich auf etwa 93.000 Euro.

Naturschützer schreibt offenen Brief an Rellingens Bürgermeister

Unterstützung erhält Familie Wieda auch von Rainer Reischuck vom BUND Pinneberg. Er hat einen offenen und emotionalen Brief an Rellingens Bürgermeister Marc Trampe formuliert, in dem er ihn bittet, die Linde zu retten. „Die Unsicherheit des weiteren Überlebens der alten, lebensstarken Winterlinde beschäftigt mich sehr. Hier gibt es nun einen Eigentümer, der sich vehement für die Erhaltung dieser circa 200 Jahre alten Winterlinde auf seinem Grundstück einsetzt, und das ist gut so“, beginnt er das Schreiben.

Mehr zum Thema

Und weiter: „Nun haben Sie in ihrer Gemeinde ein Baumkataster, das sich zielgerecht um diese alten Bäume kümmern soll. Wenden Sie bitte dieses Schutzinstrument an! Der hinzugezogene Baumgutachter spricht von einer Machbarkeit der erforderlichen Baumaßnahme an diesem Ort, ohne den Baum fällen zu müssen.“ Zwei bis drei Prozent Mehrkosten, die hierbei veranschlagt werden, sollte sich die Gemeinde leisten können, so Reischuck.