Kreis Pinneberg. Jedes dritte Hilfe suchende Opfer im Kreis Pinneberg war männlich. Warum die Zahlen gestiegen sind? Das ist die Bilanz für 2023.
Immer mehr Männer, die Opfer von Kriminalität werden, wenden sich an den Weißen Ring im Kreis Pinneberg. 2019 waren noch 20 Prozent der Hilfesuchenden männlich. Im vergangenen Jahr war dann bereits jede dritte Person, die sich an die Opferhilfsorganisation wandte, männlichen Geschlechts.
Das geht aus der Bilanz für 2023 der ehrenamtlichen Opferhelfer im Kreis Pinneberg hervor, die jetzt öffentlich vorgestellt wurde. „Die Mitarbeiter der Außenstelle sind wieder 1700 Stunden im Einsatz gewesen, um einerseits die notwendige Kriminalitätsopferhilfe zu leisten und andererseits sich selbst auch fortzubilden“, fasst Uwe Kleinig, der Leiter der Außenstelle der Opferhilfsorganisation im Kreis Pinneberg, das vorige Jahr zusammen.
160 Fälle im Jahr 2023: Ehrenamtliche beim Weißen Ring haben viel zu tun
Dabei ist die Anzahl der Fälle, die von den Ehrenamtlichen bearbeitet werden, nach wie vor sehr hoch. Insgesamt betreute die Außenstelle 160 Fälle im Jahr 2023, also fünf mehr als 2022. Diese Gesamtzahl setzt sich zusammen 129 neuen Fällen und 31 Fällen aus Vorjahren, die noch weiter geführt werden mussten.
Die Anzahl der neuen Fälle hat sich damit um sieben erhöht, dafür ist die Zahl der Altfälle um zwei gesunken. Die höchste Fallzahl der vergangenen Jahre verzeichnete der Weiße Ring im Vor-Corona-Jahr 2019, damals befanden sich 183 Opfer in der Betreuung.
Mehr Opfer von Sexualdelikten bitten um Hilfe beim Weißen Ring
41 der neuen Fälle betrafen Opfer von Körperverletzungsdelikten, das sind sieben weniger als im Jahr davor. Dafür hat sich die Zahl der Opfer von Sexualdelikten um acht auf 29 erhöht.
„Auffällig ist allerdings, dass Körperverletzungen und Sexualdelikte zusammen zwar annähernd eine gleichbleibende Höhe wie im Jahr 2022 erreicht haben, bei deren Ausführung durch Partner zuhause in häuslicher Gewalt aber erneut ein deutlicher Rückgang entgegen dem Landestrend festzustellen ist,“ erläuterte Kleinig. Häusliche Gewalt war während der Corona-Pandemie stark auf dem Vormarsch.
Von den 160 Fällen, die 2023 vom Weißen Ring bearbeitet wurden, betreffen vier Tötungsdelikte. So betreuen die Opferhelfer etwa einen 36 Jahre alten Angler, der am 21. Juli 2023 am Südufer in Elmshorn von einem mutmaßlich Drogensüchtigen mit dem Messer attackiert und lebensgefährlich verletzt wurde. Derzeit läuft vor dem Landgericht Itzehoe der Prozess gegen den Messerstecher.
87 Hilfesuchende waren weiblichen, 42 männlichen Geschlechts
In 36 Fällen geht es um Sexualdelikte, 58 Mal spielt eine Körperverletzung eine Rolle. 18 Stalking-Opfer befinden sich in der Betreuung, in acht Fällen sind es Opfer von Raubüberfällen, die traumatisiert Hilfe suchen. Zehnmal ist eine Bedrohung ursächlich. Zwei Einbruchs-, vier Betrugs- und ein Diebstahlsopfer komplettieren die Statistik. 18 Fälle stuft der Weiße Ring als sonstige ein.
87 hilfesuchende Personen waren Frauen (Kleinig: „Das ist natürlich immer noch zu viel“), 42 Männer. 18 Hilfesuchende waren älter als 65 Jahre, 91 im Alter von 18 bis 64 Jahren, 16 waren Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren und in vier Fällen musste der Weiße Ring kindliche Opfer betreuen.
21.213 Euro wendet der Weiße Ring für materielle Hilfeleistungen auf
Warum sich die Zahl der Männer, die sich hilfesuchend an den Weißen Ring wenden, in den vergangenen vier Jahren stark erhöht hat, vermag Kleinig nicht genau zu erklären. Möglicherweise sei der Bekanntheitsgrad der Opferhilfsorganisation beim männlichen Geschlecht gestiegen, möglicherweise sei die Hemmschwelle, sich Hilfe und Unterstützung zu holen, beim „starken“ Geschlecht gesunken.
Von den 42 Männern, die sich 2023 beim Weißen Ring meldeten, waren 18 Opfer einer Körperverletzung. Ein Mann war von einem Tötungsdelikt innerhalb der nächsten Familie betroffen, es ging in vier Fällen um Bedrohung, ebenfalls vier Mal um Raub sowie drei Mal um Stalking. Kleinig: „Sechs der Männer waren älter als 65 Jahre.“
Weißer Ring begleitet opfer auch zu Polizei und Gericht
In 67 Fällen leisteten die ehrenamtlichen Opferhelfer eine Beratung ihrer Schützlinge und begleiteten sie etwa zu polizeilichen Vernehmungen oder Zeugenaussagen vor Gericht. In 62 Fällen leistete die Außenstelle auch materielle, sprich finanzielle Hilfe. 21.213 Euro wendete die Organisation dafür auf.
In dieser Summe sind sogenannte Schecks für eine anwaltliche Erstberatung im Wert von 9500 Euro enthalten. Auch beinhaltet dieser Posten Kosten für psychotraumatologische Erstberatung, die sich auf 6080 Euro summierten.
Zwölf ehrenamtliche Teammitglieder sind im Kreis Pinneberg aktiv, davon sechs Männer und sechs Frauen. Viele sind wie auch Kleinig pensionierte Polizisten oder Kripo-Mitarbeiter, kennen sich also mit der Materie aus.
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Der Weiße Ring leistet als bundesweit größte Hilfsorganisation für Opfer von Straftaten Beistand, persönliche Betreuung und Hilfen für die oft traumatisierten oder hilflosen Opfer. Das ist zumindest ein kleiner Ausgleich für die zahllosen Opfer, um die sich von der Aufgabe her die Strafverfolgungsbehörden weniger als um die Täter kümmern können.
„Im großen Netzwerk mit anderen Partnern gelingt es unseren Teammitarbeitern fast immer, die notwendigen Kontakte herzustellen und Hilfen zu leisten, um die Opfer weitgehend zu stabilisieren,“ berichtet Kleinig.
Kreis Pinneberg verfügt über die drittgrößte Außenstelle des Weißen Rings im Land
Die Außenstelle im Kreis Pinneberg hat eine Mitgliederzahl von 287 und ist damit nach Lübeck und Rendsburg-Eckernförde die drittgrößte Außenstelle in Schleswig-Holstein. Landesweit verfügt die Opferhilfsorganisation über 2785 Mitglieder. Sie finanziert ihre Tätigkeit aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, testamentarischen Zuwendungen sowie von Gerichten und Staatsanwaltschaften verhängten Geldbußen.
Wer an eine ehrenamtlichen Mitarbeit beim Weißen Ring interessiert ist oder die Organisation durch Spenden oder Zuwendungen unterstützen möchte, kann sich an die Außenstelle im Kreis Pinneberg wenden. Sie ist unter der Mobilfunknummer 0151/55 16 46 37 oder per E-Mail unter pinneberg@mail.weisser-ring.de erreichbar. Informationen unter anderem zur Mitgliedschaft oder Mitarbeit gibt es auch im Internet unter https://weisser-ring.de/.