Kreis Pinneberg. Insgesamt ging die Zahl der Fälle zwar zurück, aber die Körperverletzungen machten einen Großteil der Arbeit aus.
Das Corona-Jahr 2020 – es hatte auch Auswirkungen auf die Arbeit der Opferhilfsorganisation Weißer Ring. „Wir hatten vermehrt mit Körperverletzungen zu tun, wobei ein Teil mit häuslicher Gewalt einherging“, sagt Uwe Kleinig, Leiter der Außenstelle im Kreis Pinneberg. Insgesamt sei im Vorjahr die Zahl der zu betreuenden Fälle leicht zurückgegangen.
172 Fälle landeten 2020 auf dem Tisch der Opferhelfer. Das sind elf Fälle weniger als im Jahr davor. Die Gesamtzahl setzt sich zusammen aus den 138 neuen Fällen in 2020 und 34 Fällen aus Vorjahren, die noch weiterer Betreuung bedurften. „Es fällt auf, dass sich 64 Opfer von Körperverletzungen an uns gewandt haben, im Jahr zuvor waren es 50“, berichtet Kleinig.
Die meisten Fälle, die der Weiße Ring im vergangenen Jahr betreute, betrafen Körperverletzungen (64) und Sexualdelikte (48). Unter diesen 112 Fällen befanden sich 45, bei denen von häuslicher Gewalt auszugehen ist. „Der vielfach befürchtete starke Anstieg der Fallzahlen von häuslicher Gewalt in Coronazeiten lässt sich hier im Kreis Pinneberg an unseren Zahlen kaum ablesen“, sagt Kleinig. Und weiter: „Die Zahlen sind vergleichbar mit denen der Vorjahre, es gibt keine Auffälligkeiten.“ Etwas rückläufig sind die Sexualdelikte. Dennoch stellten sie 27,9 Prozent aller Fälle. Allein 2020 wandten sich 36 Opfer von Sexualdelikten an die Opferhelfer.
In sechs Fällen haben sich Angehörige von Personen, die Opfer eines Tötungsdeliktes wurden, an den Weißen Ring gewandt. Etwa zwei Töchter, deren Vater im Mai 2019 in Uetersen die Mutter umbrachte. Das Familiendrama fand ein gerichtliches Nachspiel, das am 14. Januar vorigen Jahres mit der Verurteilung von Anatoli T. zu acht Jahren Haft wegen Totschlags endete. Die Opferbegleitung vor Gericht – auch sie gehört zu den Kernaufgaben der bundesweit tätigen Opferhilfsorganisation.
Stalking, Bedrohung und Raub stellen weitere Delikte dar, in deren Folge der Weiße Ring den Opfern zur Seite stand. „Die Anzahl bei diesen Delikten blieb im Vergleich zu den Vorjahren relativ konstant“, zieht Kleinig Bilanz. Zwölf Mal waren es Opfer einer Bedrohung, die Hilfe suchten. In 16 Fällen, die der Weiße Ring zu bearbeiten hatte, ging es um Stalking, zehn Mal um Raubdelikte.
Für finanzielle Hilfen wie Soforthilfen zur Überbrückung der Tatfolgen oder die Ausstellung von anwaltlichen oder psychotherapeutischen Beratungsschecks – ihr Wert beträgt jeweils 190 Euro – wandte die Opferhilfsorganisation im Vorjahr 21.390 Euro auf. 40 Mal vermittelte der Weiße Ring eine kostenlose anwaltliche Erstberatung, ein Gespräch mit einem Traumatherapeuten nahmen 21 Opfer von Straftaten wahr. Für direkte finanzielle Hilfe an die Opfer wandte die Organisation 8900 Euro auf.
Zwölf ehrenamtliche Mitarbeiter, von denen wie der Außenstellenleiter viele früher für die Polizei tätig waren, arbeiten im Kreis für den Weißen Ring. Zwei Mitarbeiter sehen ihre Hauptaufgabe in der Prävention. Diese lag jedoch 2020 wegen der Pandemiebeschränkungen teilweise brach. Auch die persönlichen Kontakte zwischen den Hilfesuchenden und den Opferhelfern konnten nicht wie gewohnt erfolgen. Laut Kleinig wurde das persönliche Treffen durch Telefongespräche oder Mail- sowie Messengerkontakte ersetzt, die Betreuung der Klienten habe aber nicht gelitten.
Laut der Statistik sind 135 Hilfesuchende Frauen, 37 Männer. 140 Personen gehören der Altersgruppe 18 bis 64 Jahre an, 14 sind älter als 65 Jahre. 18 Minderjährige waren Klienten der Opferhilfsorganisation, darunter elf Heranwachsende im Alter zwischen 14 und 18 Jahren und sieben Kinder. Etwa 27 Prozent der Hilfesuchenden wandten sich auf Empfehlung der Polizei an den Weißen Ring. 104 Mal blieb es bei Beratung und Begleitung, in 68 Fällen leistete der Weiße Ring auch finanzielle Hilfe. Insgesamt leisteten die Opferhelfer 2020 gut 1725 Stunden ehrenamtliche Arbeit.
Der Weiße Ring im Kreis Pinneberg sucht für seine zukünftige Arbeit noch weitere Opferhelfer, die für ihre Arbeit intensiv ausgebildet werden, sowie Mitglieder und Spender. Interessierte können sich an die Außenstelle Pinneberg des Weißen Rings unter der Handynummer 0151/55 16 46 37 wenden.
Der Weiße Ring unterhält bundesweit 420 Außenstellen, in denen 3200 ehrenamtliche Opferhelfer tätig sind. Im Kreis Pinneberg verfügt die Opferhilfsorganisation über 311 Mitglieder – die drittmeisten in Schleswig-Holstein nach der Stadt Lübeck und Rendsburg-Eckernförde.