Wedel. Der innovative „Purpl Pro“ des Weltmarktführers Nynomic spuckt präzise Werte aus. Wer das Gerät nutzen kann und was es kostet.

Als sich die ersten Cannabis-Anhänger nach Mitternacht am 1. April mit Beginn der Teillegalisierung in Berlin vor dem Brandenburger Tor einen Joint anzündeten, zeigte auch indirekt ein Wedeler Unternehmen Präsenz. Der Influencer Klimpel – im sozialen Netzwerk TikTok hat er fast eine Million Follower – lud ein zum „Free THC-Testing“. Szenen davon wurden medial bundesweit verbreitet.

Den Wirkstoffgehalt der Cannabis-Blüten ließ er mit dem Gerät „Purpl Pro“ testen. Hinter dem Messgerät der Firma Purpl Scientific steckt die börsennotierte Aktiengesellschaft Nynomic, die im Kreis Pinneberg am Marienhof in Wedel ihren Hauptsitz hat. Das optische Messgerät kann über das Zusammenspiel von Reflexion und Absorption (Aufnahme) nach Lichteinfall die Zusammensetzung der Wirkstoffe ermitteln.

THC-Messgerät: Werte erscheinen nach wenigen Sekunden auf dem Smartphone

Das Lichtspektrum wird analysiert und über ein entsprechendes Datenmodell – erstellt mit tausenden Labor-Datensätzen und künstlicher Intelligenz – können valide Werte angegeben werden. Die als Prozentzahl bezifferte berauschende Komponente THC (Tetrahydrocannabinol) der Pflanze erscheint schon nach wenigen Sekunden auf dem Display des Smartphones, das über Bluetooth mit dem „Purpl Pro“ verbunden ist.

Schon bald soll die bisher nur englischsprachige Variante dieser App auch in andere Sprachen wie zum Beispiel Deutsch übersetzt werden. Die gesamte Smartphone-App ist ebenfalls firmenintern selbst entwickelt worden. Der Anteil von CDB (Cannabidiol) oder auch der Anteil von Wasser in der Probe werden ebenfalls angezeigt.

Das Wedeler Unternehmen Nynomic AG hat den
Das Wedeler Unternehmen Nynomic AG hat den "Purpl Pro" entwickelt, in dem nach wenigen Sekunden der genaue Prozentgehalt des Cannabis ermittelt werden kann. Das Ergebnis wird auf eine Handy-App übermittelt. © Frederik Büll | Frederik Büll

Dafür muss lediglich eine winzige Menge des Pflanzenmaterials zermahlen über einen Einfülltrichter auf den Mini-Sensor gelegt werden. Vereinfacht erklärt wird ein Lichtstrahl genutzt, um die Probe zu beleuchten. Photonik und Nahinfrarotspektroskopie wären dabei zwei Schlagworte für echte Experten dieses optischen Messverfahrens.

Genauigkeit schwankt um ein bis zwei Prozentpunkte – wie auch im Labor

Die Genauigkeit des Messwerts kann dabei um ein bis zwei Prozentpunkte schwanken – dies sei laut Fabian Peters, der mit Maik Müller seit 2015 das Vorstandsduo bei Nynomic bildet, allerdings auch etwa in Laboren der Fall sein, deren Ergebnisse erst nach wenigen Tagen vorliegen. Letztlich sei die Analyse in einem zertifizierten Cannabis-Labor jedoch unter anderem teurer und auch deutlich aufwändiger.

Generell gilt: Wird Cannabis als Medizin genutzt, etwa in der Schmerztherapie, bei Nervenkrankheiten wie dem Tourette-Syndrom oder gegen die Appetitlosigkeit während einer Chemotherapie, handelt es sich dabei oft um die Variante CBD.

Je höher der THC-Wert, desto berauschender die Wirkung

In solchen Produkten gibt es teilweise keinen oder einen eher geringen Anteil des psychoaktiven Wirkstoffs THC. Das genaue Verhältnis beider Anteile richtet sich dabei spezifisch nach dem medizinischen Einsatzbereich. Konsumenten, die sich berauschen möchten, können sich am Prozentgehalt des Wirkstoffs THC orientieren. Je höher, desto intensiver.

Im US-amerikanischen Markt, dort ist THC – oder zumindest die medizinische Nutzung – in den meisten Bundesstaaten erlaubt, seien bereits laut Nynomic-Vorstand Fabian Peters „mehrere Tausend“ dieser Geräte verkauft worden.

THC-Tester: Kein vergleichbarer Mitbewerber auf dem deutschen Markt

Die Idee dafür habe es vor gut fünf Jahren gegeben. 2018 hatte die Gruppe zuvor die Mehrheitsanteile an der finnischen Firma Spectral Enginges übernommen, die auch solche Mini-Spektrometer herstellt, die nun im firmeneigenen THC-Messgerät verbaut sind.

Bei dieser Art von Produkt würde es aktuell in Deutschland keinen vergleichbaren Mitbewerber geben. Nach eigenen Angaben sei der „Purpl Pro“ sogar „technologisch weltweit führend“.

Ein THC-Messgerät im Hosentaschenformat. Die Wedeler Messtechnik-Firma Nynomic möchte sich im deutschen Markt auch mit diesem Produkt etablieren. 
Ein THC-Messgerät im Hosentaschenformat. Die Wedeler Messtechnik-Firma Nynomic möchte sich im deutschen Markt auch mit diesem Produkt etablieren.  © Frederik Büll | Frederik Büll

Mit der Teillegalisierung in Deutschland, in deren Zuge ab Juli in einem weiteren Schritt auch die Erlaubnis für sogenannte lizenzierte Social Clubs folgt, in denen für Vereinsmitglieder Marihuana für deren Konsum angebaut werden darf, erschließt sich für die Wedeler Firma ein neuer Absatzmarkt.

Denn auch Apotheken könnten das Messgerät nutzen. „Das Messgerät kann letztendlich für eine fortlaufende Qualitätsprüfung eingesetzt werden. Es gibt ja auch den Konsumenten gewissermaßen ein gutes Gefühl, wenn sie genauer wissen, was sie zu sich nehmen“, sagt Peters.

Für die Qualität und Standards: „Es ist essenziell, die Potenz der Ernten zu verstehen“

Laut Produktbeschreibung des Geräts sei es für Produzenten „essenziell, die Potenz ihrer Ernten zu verstehen, um eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten und regulatorische Standards einzuhalten“. Sollte es, ähnlich wie in den Niederlanden, künftig auch in Deutschland sogenannte Coffeeshops geben, könnten Distributoren und Großhändler darüber hinaus „den Kunden genaue Informationen bereitstellen“.

Nynomic arbeitet ebenfalls daran, weitere Cannabinoid-Arten oder Extrakte darstellbar zu machen oder auch den THC-Gehalt an der Blüte, während der Wachstumsphase, also auch vor Ernte und Trocknung, mit neuen Produkten bestimmen zu können. Denn: Cannabis ist ein Naturprodukt, der Wirkstoffgehalt schwankt von Pflanze zu Pflanze, die auf demselben Boden wächst – sogar von Blüte zu Blüte sind Unterschiede feststellbar.

Nynomic will „Zulieferer für Apotheken, Produzenten und Konsumenten“ werden

Die Hoffnung der Unternehmensgruppe liegt darin, auch aufgrund der Erfahrungen aus den USA, sich „in Deutschland als zentraler Zulieferer für Apotheken, Produzenten und Konsumenten“ zu etablieren.

Private Züchter oder andere Marihuana-Freunde müssen gut 2000 Euro für den in Deutschland hergestellten und über die US-Firma Purpl Scientific vertriebenen „Purpl Pro“ investieren. Das Thema Cannabis sei dabei jedoch lediglich ein „Puzzleteil“ in der Ausrichtung von Nynomic.

Nynomic-Vorstand Fabian Peters. Er führt die Unternehmensgruppe gemeinsam mit Maik Müller, der am Standort in Frankfurt tätig ist.
Nynomic-Vorstand Fabian Peters. Er führt die Unternehmensgruppe gemeinsam mit Maik Müller, der am Standort in Frankfurt tätig ist. © Inga Sommer PHOTOGRAPHIE | Inga Sommer PHOTOGRAPHIE

Insgesamt zählen mittlerweile weltweit 13 Firmen zur Nynomic AG, die 1995 als Firma m-u-t GmbH Meßgeräte für Medizin- und Umwelttechnik in Wedel gegründet worden war. Seitdem hat sich das Unternehmen, auch durch Zukäufe weiterer Firmen aus dem Optik-Bereich, nach eigenen Angaben zu einem international führenden Hersteller von Produkten „zur permanenten, berührungslosen und zerstörungsfreien optischen Messtechnik“ entwickelt.

„Die AG ist eine strategische Finanz-Holding. Wir setzen etwa zu einem Drittel auf die Entwicklung und beschäftigen dafür unter anderem Ingenieure, ein weiteres Drittel ist dann die Produktion und zu guter Letzt der gesamte administrative Bereich“, erklärt der Vorstand. Es könnte nun quasi aus einer Hand, eine „Gesamtlösung“ angeboten werden. 120 Mitarbeiter gibt es am Standort in Wedel, 530 sind es insgesamt.

Nynomic unterstützte Medikamenten-Riesen Novartis

Üblicherweise waren laut Peters in der Vergangenheit Firmen mit einer Problemstellung an Nynomic herangetreten, das dann den Auftrag erhielt, eine Lösung zu entwickeln. So habe beispielsweise Novartis, Weltmarktführer in der Arzneimittelherstellung, eine immense Herausforderung durch gefälschte Medikamente erlebt. Das Wedeler Unternehmen konnte helfen.

„Dank unserer Technik können Medikamente selbst durch eine Blister-Verpackung auf die Zusammensetzung ihrer Wirkstoffe geprüft werden“, sagt der 46 Jahre alte Peters, der seit 2013 bei Nynomic arbeitet. Tabletten, bei denen in der eigenen Herstellung qualitativ etwas schiefgelaufen ist, können nach einer optischen Prüfung vom Fließband vollautomatisch aussortiert werden. So sei quasi eine Produktanalyse in Echtzeit möglich.

Weiteres Geschäftsfeld neben Pharma-Branche ist die Landwirtschaft

Neben dem medizinischen Sektor ist Nynomic unter anderem auch in der Landwirtschaft aktiv: Laut bundesweiter Düngemittelverordnung – auch auf europäischer Ebene gibt es eine – müssen Bauern zukünftig noch genauer wissen und nachweisen können, welche Inhaltsstoffe über das Ausfahren von Gülle genau auf ihren Äckern landen.

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Ein Nynomic-Gerät an den Maschinen liefert diesbezüglich Datenmaterial und könne laut Peters auch Rückschlüsse auf die richtige, umweltbewusste Dosierung beim Düngen liefern. „Wir bringen das Labor aufs Feld“, umschreibt Peters es.

Für die Polizei: Der TactiScan erkennt blitzschnell harte Drogen

Mit dem Gerät TactiScan gibt es zudem einen wiederverwendbaren Betäubungsmittelscanner, der beispielsweise der Polizei bei der Ermittlungsarbeit helfen kann, wenn sie etwa ein Tütchen mit einer verdächtigen, weißen Substanz finden. Handelt es sich dabei um harte Drogen, wie beispielsweise Kokain oder Crystal-Meth?

Bei positivem Befund wird der Fund anschließend im Labor getestet, damit jener als juristisches Beweismittel gelten kann. „Das Gerät kommt bereits im Rahmen von Testkampagnen in verschiedenen internationalen Polizeieinheiten zum Einsatz“, erklärt das Nynomic-Vorstandsmitglied.

Firmenstrategie von Nynomic: Wachstum – auch durch Zukauf

Die Firmenstrategie sei auf Buy-and-Build ausgerichtet. Es geht also um Zukäufe, die das Portfolio passend erweitern und weiterentwickeln – damit soll ein solides Wachstum durch neue und innovative Technik entstehen. Alle Firmen der Nynomic-Gruppe behalten ihren ursprünglichen Namen.

Das Unternehmen ist mit dem ESG-Nachhaltigkeitssiegel zertifiziert. Das Kürzel steht für „Environmental, Social and Governance“, es werden zu Deutsch also festgelegte Kriterien und Rahmenbedingungen im Bereich „Umwelt, Soziales und Unternehmensführung“ umgesetzt. 2023 lag der Umsatz bei 118 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2019 waren es noch 64,9 Millionen Euro Umsatz.