Norderstedt. Bundesregierung will privaten Anbau und Besitz von Cannabis legalisieren. Was künftig in Schrebergärten im Kreis Segeberg erlaubt ist.
Ein besonderes Vorhaben der Bundesregierung sorgt aktuell für Diskussionen: Besitz und Anbau von Cannabis sollen legal werden. Zumindest für den privaten Verbrauch, in kleinen Mengen. Das hat der Bundestag Ende Februar beschlossen, der Bundesrat muss sich damit noch befassen. Doch für Gesprächsstoff und bisweilen Verunsicherung sorgen die Pläne schon jetzt – etwa in Kleingartenvereinen in Norderstedt und Umgebung. Dort fragt man sich, ob künftig in den Parzellen neben Sonnenblumen und Geranien auch Hanfpflanzen blühen und ob an lauen Sommerabenden gelegentlich der Rauch von „Bubatz“ durch die Anlage ziehen könnte.
„Das Thema wird diskutiert, und zwar sehr kontrovers“, sagt Thomas Kleinworth, Geschäftsführer des Landesverbandes Schleswig-Holstein der Gartenfreunde e.V.. „Aktuell herrscht noch viel Unklarheit und das lässt viel Platz für Spekulationen. Deswegen sind die Vereinsvorstände im Moment auch sehr wissbegierig und erhoffen sich klare Ansagen der Politik.“
Kleingartenvereine wollen das Thema auf Mitgliederversammlungen besprechen
Einige Fragezeichen gibt es im Moment zum Beispiel beim Kleingartenverein Friedrichsgabe in Norderstedt. „Wir wollen das im April auf unserer Mitgliederversammlung diskutieren“, sagt der Vereinsvorsitzende Peter Willoweit. Zu den Fans des berauschenden Krauts, das wird schnell deutlich, gehören er und seine Mitstreiter eher nicht: „Wir wollten eigentlich nicht unbedingt Cannabis anbauen. Aber wir müssen mal schauen, wie wir damit umgehen. Verbieten können wir es ja vermutlich nicht.“
Auch der Verein der Gartenfreunde Bad Bramstedt will das Thema bei der Jahreshauptversammlung im April diskutieren. „Ich denke, dass das da auf den Tisch kommt“, sagt die Vereinsvorsitzende Mandy Dahnken. „Dann überlegen wir, wie wir damit umgehen.“ Dass jemand vom Verein demnächst Cannabis anbauen wird, glaubt sie indes nicht: „Unsere Mitglieder sind überwiegend ältere Menschen, und freie Parzellen haben wir nicht.“
Vorsitzende: „Da hätten ältere Nachbarn womöglich kein Verständnis“
Dahnken könnte sich aber durchaus vorstellen, dass es zu Konflikten kommen würde, wenn es auf einer Parzelle einen Generationenwechsel gibt – und dann jüngere Nachfolger plötzlich Joints rauchen. „Da hätten dann ältere Nachbarn womöglich kein Verständnis.“ Das betont auch Wolfgang Hellmann, Vorsitzender des Vereins der Gartenfreunde Henstedt-Ulzburg: „Das würde natürlich Konflikte geben.“ Seine Meinung ist klar: „So etwas gehört nicht in eine Kleingartenanlage!“
Stand heute sind Besitz und Anbau von Cannabis nach wie vor illegal. Der Deutsche Bundestag hat allerdings am 23. Februar beschlossen, die Droge unter gewissen Bedingungen zu legalisieren. So soll es etwa volljährigen Personen schon ab dem 1. April erlaubt sein, für den privaten Konsum bis zu drei Hanfpflanzen anzubauen. Und es soll auch erlaubt sein, bis zu 50 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum zu besitzen.
Bundesrat kann Gesetz nicht verhindern, nur verzögern
So weit, so gut – allerdings muss sich auch noch der Bundesrat mit dem Gesetz befassen. Das ist noch für den März geplant. Verhindern kann das Gremium, in dem die Bundesländer vertreten sind, die Legalisierung allerdings nicht. Das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig. Wohl aber kann die Länderkammer das Gesetz verzögern, wenn es mit Mehrheit einen gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anruft. Kommt es so, dürfte sich die Legalisierung wohl bis zum Herbst verzögern.
Und wenn das Gesetz einmal da ist – was bedeutet es eigentlich genau für die Kleingärtner? Ist der Anbau auf einer gepachteten Parzelle genauso legal wie zu Hause? Eine Anfrage beim zuständigen Bundesgesundheitsministerium bringt hier Klarheit – zumindest ein bisschen.
Anbau in Kleingartenanlagen nicht zulässig – mit ganz speziellen Ausnahmen
Die Frage, was genau rechtens sein soll, beantwortet die Ministeriums-Sprecherin Parissa Hajebi so: „Erwachsene, die in Deutschland seit mindestens sechs Monaten einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, dürfen zum Zwecke des Eigenkonsums an ihrem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt bis zu drei Cannabispflanzen gleichzeitig anbauen.“ Und weiter: „Der Wohnsitz ist der Ort, an dem eine Person eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Klein- oder Schrebergärten werden in der Regel weder die Anforderungen an einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt erfüllen, sodass der private Eigenanbau dort unzulässig ist.“
Auch beim Bundesverband der Kleingartenvereine Deutschlands hat man sich mit dem Thema befasst. Geschäftsführer Stefan Grundei sagt: „Der private Anbau von Cannabis im Bereich von Kleingartenanlagen wäre auch nach Inkrafttreten des Gesetzes grundsätzlich nicht erlaubt!“ Der Anbau der viel zitierten drei Pflanzen, so Grundei, wäre nämlich „lediglich im Bereich der Wohnung beziehungsweise des gewöhnlichen Aufenthalts erlaubt“. Beides sei aber „im Kleingarten nicht zulässig, außer bei bestandsgeschützter Wohnnutzung nach Paragraph 18 beziehungsweise 20 des Bundeskleingartengesetzes“.
Demnach dürfte man also nur dann anbauen, wenn die Gartenlaube laut Gesetz irgendwie als Wohnsitz durchgeht. Das dürfte in der Tat in den seltensten Fällen zutreffen. Und selbst dann, so Grundei, „dürfte der Anbau lediglich innerhalb der Laube zulässig sein“, da das Legalisierungsgesetz auch „Schutz vor dem Zugriff Dritter“ fordert, also verhindern will, dass etwa Jugendliche die Hanfpflanzen einfach heimlich abernten.
Also auch künftig keine blühenden Hanfgewächse zwischen Rosen und Tulpen – für den einen oder anderen dürfte das wie eine Entwarnung klingen. Und vielleicht trägt es auch zum Frieden in mancher Kleingartenkolonie bei. Nur: Wie verhält es sich mit dem Konsum von Cannabis? Wäre der im Schrebergarten erlaubt?
Wie das neue Gesetz den „öffentlichen Konsum“ regelt
Parissa Hajebi vom Bundesgesundheitsministerium verweist dazu auf den Gesetzestext. Und der sieht beim „öffentlichen Konsum“ folgende Einschränkungen vor: „Kein Konsum in unmittelbarer Nähe von Personen unter 18 Jahren; kein Konsum in Anbauvereinigungen und in Sichtweite von Anbauvereinigungen; kein Konsum in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr; kein Konsum in Sichtweite von Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen sowie öffentlich zugänglichen Sportstätten. Eine Sichtweite ist bei einem Abstand von mehr als 100 Metern von dem Eingangsbereich der genannten Einrichtungen nicht mehr gegeben.“
Auf einer privaten Kleingartenparzelle, so darf man folgern, ist es demnächst im Prinzip legal, den einen oder anderen Joint zu rauchen. Somit müssten sich Kleingartenvereine darauf einstellen, dass „Bubatz“ doch auf sie zukommen könnte – wenn auch nicht als Pflanze, dann doch als Rauch. Es sei denn, sie verbieten den Konsum ausdrücklich per Vereinssatzung. Gesprächsstoff dürfte es also geben, bei den anstehenden Mitgliederversammlungen.
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Aber muss alles so genau geregelt sein? Zumindest Georg Wurth, Geschäftsführer des „Deutschen Hanfverbandes“ mit Sitz in Berlin, plädiert für ein bisschen mehr Offenheit. Er sei „selbst Kleingärtner“, schreibt er auf Abendblatt-Anfrage, kenne es, dass es gelegentlich Konflikte zwischen Parzellenbesitzer gebe. „Manche älteren Parzellenbesitzer fühlen sich auch durch Löwenzahn gestört.“ Gegenüber dem Hanf sei aus Sicht des Verbandes „ein bisschen Toleranz angebracht“. Wurth: „Nachbarn dürfen ja auch Zigaretten rauchen und grillen, ob mir das gefällt oder nicht.“