Tornesch. Fabrik in Tornesch produziert innovatives Verpackungsmaterial. Wie das funktioniert und wieso Zwiebelfasern bei Test durchfielen.
Recycling ist in aller Munde. Aber nur wenige Unternehmen setzen komplett auf diese Wirtschaftsform. Die Papierfabrik Meldorf mit Sitz in Tornesch hat sich gezielt für diesen Weg entschieden und will über die reine Wiederaufbereitung hinaus neue Produktionsstoffe für Papier und Pappe auf dem Markt etablieren. Wer bei Aldi, Lidl und Co. einkauft und Wert auf Nachhaltigkeit legt, hat sicher schon Verpackungen aus Tornesch in die Hand genommen.
Vor allem ein Stoff, der scheinbar unendlich viel und schnell in unserer Natur wächst, steht bei den Tornescher Recyclingpapier-Spezialisten im Fokus: Gras. „Es wächst schneller und häufiger als Holz“, sagt Geschäftsführer Yasin Birgül. „Es steht in der Region zur Verfügung. Das spart Transportwege.“
In die Produktion kommt nährstoffarmes, mageres Gras
Aber fällt es damit nicht aus der Nahrungskette für Rinder und andere Tiere unserer Landwirtschaft? „Nein“, sagt Yasin Birgül. Denn das Gras, das in Tornesch in der Papierindustrie eingesetzt werde, sei das nährstoffarme Gras, zum Beispiel auf sandigen Böden, das sich nicht für die Futtermittelindustrie eigne.
Um es in der Papierfabrik einzusetzen, wird das magere Gras in Pellets gepresst. Auch im Produktionsprozess hat es Vorteile. „Gras benötigt weniger Wasser, Energie und Chemikalien bei der Verarbeitung zu Papier, da es weniger Lignin enthält als Holz“, erläutert Petra Lueder, die fürs Produktmanagement in der Firma zuständig ist.
Graspapier aus Tornesch: Als Spezialfabrik geht das Unternehmen seit 2017 eigene Wege
Sieben Jahre ist es jetzt her, dass sich die einst in Meldorf gegründete Papierfabrik in Tornesch von seinem Mutterunternehmen Panther Packaging gelöst hat. Das Ziel sei gewesen, auf diesem Weg die Marktnische des Recyclings gezielt zu besetzen und auszubauen, erklärt Geschäftsführer Birgül.
Vor fünf Jahren intensivierte das Unternehmen die Produktion mit Gras als Grundstoff. Heute liegt der Anteil des Graspapiers bei zehn bis 20 Prozent. Der Grasanteil im Produkt selbst liegt bei bis zu 30 Prozent, der Rest besteht aus Recyclingmaterial. Die grünen Grasfasern sind auf Verpackungen wie bei Bio-Äpfeln in den großen Discountern schön zu erkennen und nicht aufgedruckt wie bei einigen Konkurrenzprodukten.
Der Stadionschnitt wird in Hoffenheim zur Autogrammkarte
„Die Optik ist einzigartig“, schwärmt der Geschäftsführer. „Jeder erkennt sofort die Nachhaltigkeit.“ Das hat beispielsweise auch Fußball-Bundesligist TSG 1899 Hoffenheim erkannt und aus dem Grasschnitt des PreZero-Stadions mit seinem Sponsor eine ganz besondere Autogrammkarte drucken zu lassen.
Doch beim Gras als genialem Ersatzprodukt für die wertvolle Holzfaser wollen die Tornescher nicht stehenbleiben. Zurzeit wird viel mit Textilfasern, die bereits früher mal als Lumpen zu Papier verarbeitet worden sind, geforscht und ausprobiert. Auch Restfasern aus Biogasanlagen liegen in der Entwicklungsabteilung unter der Lupe.
Zu viel Geruch: Zwiebeln setzen sich als Grundstoff nicht durch
Nur der Versuch mit Zwiebeln wurde schnell wieder eingestellt. Neben den Gerüchen war auch die Reißfestigkeit zu schlecht. Laub, Algen, Tulpenkraut – „bei uns wird alles untersucht, wenn es irgendeine Chance hat, dass es wirtschaftlich umzusetzen ist“, sagt Geschäftsführer Birgül.
Manchmal wird aber auch der Vorschlag gleich verworfen. Übrig gebliebene Weihnachtsbäume zu Postkarten zu machen, hätte zu viel Aufwand und wenig Ertrag bedeutet. „Das muss ja auch jemand abnehmen zu einem vertretbaren Preis“, erläutert die Produktmanagerin.
Erfahrene Papiermacher setzen gute Ideen in die Tat um
Viele erfahrene Papiermacher in der Spezialfabrik in Tornesch haben ein gutes Auge, Gespür und wissen, was machbar ist. Allen voran lenkt der erfahrene Papiermacher und Ingenieur Heinz Kührt das Geschehen. Tolle Ideen sind auch weiterhin gewünscht. Die zurzeit 140-köpfige Mannschaft, die im Drei-Schicht-Betrieb das ganze Jahr über rund um die Uhr arbeitet, ist flexibel und experimentierfreudig.
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Das Graspapier „made in Tornesch“ soll nur der erste Stein sein, um auf dem Papiermarkt nachhaltig zu bestehen. Immerhin ist die Papierfabrik Meldorf schon seit mehr als 60 Jahren in der papiererzeugenden Industrie tätig. Aktuell macht das Unternehmen etwa 50 Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Als kleinste Papierfabrik auf dem Sektor der Verpackungspapiere sieht das Unternehmen seine Chance am Markt in kurzen Reaktionszeiten, einer hohen Flexibilität und in der Produktion von kleinen Losgrößen und Nischenprodukten.
Eigenen Angaben zufolge sind die Geschäftsführer Yasin Birgül und Ulrike Lemm der Überzeugung, dass Qualität, Umweltschutz, Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sowie Energieeffizienz wesentliche Säulen des Unternehmens sind. Ihre Vision sei: „Die Natur schützen und eine grüne Zukunft gestalten durch den vermehrten Einsatz schnell nachwachsender Faserstoffe in unseren Produkten. Wir fangen da an, wo andere aufhören.“