Halstenbek/Hamburg. 250 Anlieger bei Info-Veranstaltung zum Großprojekt an der Grenze Hamburgs. Bahn macht Versprechen, Anwohner werden hitzig.

Die Stimmung war aufgeheizt – und der Lärmschutz das beherrschende Thema: 250 Anwohner aus Halstenbek haben das Angebot genutzt, sich von Mitarbeitern der Deutschen Bahn und ihren Experten über die in Krupunder geplante ICE-Abstellanlage informieren zu lassen. Dabei kam seitens der Bahn ein Versprechen: Lauter als jetzt wird es für die Anwohner nicht werden.

Das ist, so eine Erkenntnis der mehr als zweistündigen Veranstaltung im Wolfgang-Borchert-Gymnasium, für die Betroffenen nur ein schwacher Trost. Sie beklagen bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine erhebliche Lärmbelästigung, die von den Bahnanlagen ausgeht.

Deutsche Bahn: Berechnungen der Schallschutzgutachter werden angezweifelt

Und viele von ihnen schenken den Berechnungen der Schallschutzgutachter, wonach die zwei Anlagen in und um Halstenbek mit insgesamt zwölf Gleisen für den sogenannten ICE-Boxenstopp dank der geplanten Schallschutzmaßnahmen keinen zusätzlichen Lärm verursachen, keinen Glauben.

So begann der Abend gleich mit massiver Kritik an der Informationspolitik des Konzerns. Der hatte im Oktober sechs Aktenordner prall gefüllt mit Untersuchungen, Planskizzen und Gutachten ans Halstenbeker Rathaus geschickt, wo sie vier Wochen zur Einsicht auslagen. Das zweigeteilte Projekt, über das auch im Internet informiert wurde, trug die Ortsbezeichnungen Eidelstedt-Nord und Eidelstedt-Ost.

Stephan Virnich (von links), Michael Sternberg und Peter Mantik von der Deutschen Bahn standen den Anwohnern in Halstenbek anlässlich des geplanten Baus einer ICE-Abstellanlage Rede und Antwort.
Stephan Virnich (von links), Michael Sternberg und Peter Mantik von der Deutschen Bahn standen den Anwohnern in Halstenbek anlässlich des geplanten Baus einer ICE-Abstellanlage Rede und Antwort. © Arne Kolarczyk | Arne Kolarczyk

Dass wesentliche Teile davon auf Halstenbeker Gebiet realisiert werden sollen, war vielen Bürgern der Gemeinde nicht bewusst. Sie hatten von Mitte Dezember bis Mitte Januar Zeit, Einwendungen gegen das Projekt geltend zu machen. Immerhin 100 Bürger aus Halstenbek nutzten diese Chance. Aus dem Hamburger Bereich, der ebenfalls betroffen ist, kam keine einzige Einwendung.

Was den Bürgern übel aufstößt, ist der Termin der Info-Veranstaltung weit nach dem Ende der Beteiligungsfrist. Forderungen der Bürger, die Einspruchsfrist zu verlängern, machte Bahn-Projektleiter Michael Sternberg zunichte. Das Eisenbahnbundesamt als zuständige Genehmigungsbehörde habe dies abgelehnt. Lediglich die Gemeinde habe für ihre Stellungnahme eine verlängerte Frist bis zum 21. Februar erhalten.

Fristverlängerung für Anwohner hat das Eisenbahnbundesamt abgelehnt

Sternberg und weitere Bahnvertreter hatten zuvor das Projekt detailliert vorgestellt – teilweise mit Kartenmaterial, das falsche Straßenbezeichnungen trug. Auch das wurde von den Anwohnern kritisiert. Die Bahnvertreter betonten, dass das Unternehmen bereits seit 1922 am Standort Eidelstedt mit einem großen Werk präsent sei. 1991 sei die dortige Werkstatt für ICE-Züge in Betrieb gegangen, der Standort Eidelstedt mit 1400 Mitarbeitern sei das führende Werk für die ICE-Züge der neusten Generation.

Schallgutachter Heinz-Peter Aymans versprach den Anwohnern einen Vollschutz und keine zusätzliche Lärmbelästigung durch die ICE-Abstellanlage.
Schallgutachter Heinz-Peter Aymans versprach den Anwohnern einen Vollschutz und keine zusätzliche Lärmbelästigung durch die ICE-Abstellanlage. © Arne Kolarczyk | Arne Kolarczyk

Im Rahmen der Mobilitätswende baue die Bahn das Angebot auf der Schiene massiv aus, investiere in die Infrastruktur und in zusätzliche sowie modernere ICE-Züge. „Wir brauchen in Hamburg Abstellkapazitäten“, so Sternberg. Und die müssten in der Nähe eines ICE-Werkes sein, falls doch mal größere Reparaturen anfallen würden. ICE-Werke würden in Hamburg in Langenfelde sowie in Eidelstedt existierten, daher seien dort zwei Abstellanlagen mit 18 Gleisen geplant.

Beim ICE-Boxenstopp würden die Züge gereinigt, Frischwasser nachgefüllt, die Abwassertanks entleert sowie kleinere Reparaturen etwa am Licht oder an den Sitzen ausgeführt. Pro Zug seien dafür in der Regel 30 Minuten vorgesehen. Das bedeute jedoch nicht, dass im 30 Minuten-Takt dort Züge ein- und ausfahren würden. Züge würden dort auch für einen längeren Zeitraum, etwa über Nacht, geparkt. In Halstenbek seien zwei Innenreinigungs- und zwei Abstellgleise vorgesehen.

Bahn plant vier Lärmschutzlinien, Wände haben unterschiedliche Höhen

Acht weitere Abstellgleise entstehen teils auf Hamburger, teils auf Halstenbeker Gebiet. Um die Anwohner wirksam vor dem Lärm der Anlagen zu schützen, plant die Bahn vier Lärmschutzlinien. „Es wird insgesamt zehn Schallschutzabschnitte geben“, so Heinz-Peter Aymans, der für die Bahn das Schallschutzgutachten erstellt hat. Die verschiedenen Lärmschutzwände seien zwischen vier und fünfeinhalb Metern hoch.

„Wir können damit einen Vollschutz gewährleisten“, betont Aymans. Das bedeute, dass alleine mithilfe der Lärmschutzmaßnahmen die zulässigen Lärmgrenzwerte eingehalten werden. Zusätzlicher passiver Lärmschutz, etwa durch den Einbau von Schallschutzfenstern in Immobilien, sei somit nicht notwendig. Aymans: „Ich mache seit 32 Jahren Gutachten im Schienenverkehr, so etwas kommt sehr selten vor.“

Anwohner in Halstenbek müssen unterschiedlich hohe Lärmpegel ertragen

Was wie eine gute Botschaft klingt, hat zumindest für einige Anwohner im Bereich Am Birkenwäldchen einen bitteren Beigeschmack. Das Anfang der 90er-Jahre entstandene Baugebiet ist im B-Plan nicht als Wohn, sondern als Mischgebiet ausgewiesen. Und für ein Mischgebiet sind höhere Grenzwerte erlaubt. „Gültige Bebauungspläne sind für uns rechtlich bindend“, so Aymans. Daher sei diese Siedlung in Sachen Lärmschutz als Mischgebiet einzustufen.

Die Visualisierung der Deutschen Bahn zeigt die geplante Abstellanlage für ICE-Züge im Bereich Eidelstedt-Nord. Die geplanten Lärmschutzwände sind hier nicht eingezeichnet.
Die Visualisierung der Deutschen Bahn zeigt die geplante Abstellanlage für ICE-Züge im Bereich Eidelstedt-Nord. Die geplanten Lärmschutzwände sind hier nicht eingezeichnet. © Deutsche Bahn | Deutsche Bahn

„Die Gemeinde hätte lange Zeit gehabt, das umzuwidmen, hat das aber nicht getan“, so der Schallschutzgutachter. Konsequenz für diese Anwohner: Sie erhalten keinen zusätzlichen Lärmschutz, weil aufgrund der Berechnungen der bereits seit mehr als 30 Jahren vorhandene Lärmschutzwall ausreicht.

Appelle der Anwohner, die Bahn möge doch beim Lärmschutz zugunsten der Anwohner nachbessern, erteilten Vertreter der Bahn eine Absage. Man halte die gesetzlichen Vorgaben ein, Spielraum für darüber hinausgehende Maßnahmen gäbe es keinen. Bahn-Vertreter Peter Mantik erläuterte, dass sein Unternehmen in die beiden Abstellanlagen in Langenfelde und Eidelstedt 100 Millionen Euro investiere. Diese Summe müsse aus Eigenmitteln der Bahn aufgebracht werden, die das Unternehmen wiederum aus dem Fernverkehr erwirtschaften müsse.

In der Bauphase wird lärmgeplagten Anwohnern ein Hotelaufenthalt angeboten

Immerhin: Auch der von der S-Bahn verursachte Lärm ist in die Berechnungen des Schallschutzgutachtens eingeflossen. „Wir haben eine Gesamtlärmbetrachung vorgenommen“, erläutert Aymans. Diese habe in einigen Bereichen zum Ergebnis geführt, dass die neue Abstellanlage in Kombination mit dem Lärm der S-Bahn zu einer Grenzwertüberschreitung führen würde. In diesen Bereichen werde nun erstmals ein Lärmschutz errichtet, den es ohne die ICE-Abstellanlage nicht gegeben hätte.

Während der Bauphase, auch das machte der Schallschutzgutachter deutlich, können die Grenzwerte nicht eingehalten werden. Überschreitungen seien sowohl tagsüber als auch nachts vereinzelt möglich. „Es handelt sich um ein Worst Case-Szenario, was eintreten kann, aber nicht muss“, so Bahn-Vertreter Peter Mantik.

Ob es zu diesen Lärmspitzen komme, stehe erst fest, wenn der genaue Bauablauf durch die noch zu beauftragenden Baufirmen festgelegt worden sei. „Wir werden punktuell laut sein müssen, aber sie werden nicht den Presslufthammer in ihrer Küche haben“, so der Bahnvertreter. Alle Betroffenen würden im Fall von unvermeidlichen Lärmspitzen frühzeitig darüber informiert. Und im Falle eines nächtlichen Baulärms werde den Betroffenen alternativ die Übernachtung in einem Hotel angeboten.

Die Visualisierung der Deutschen Bahn zeigt die geplante Abstellanlage für ICE-Züge im Bereich Eidelstedt-Ost mit acht Abstellgleisen angrenzend an das ICE-Werk.
Die Visualisierung der Deutschen Bahn zeigt die geplante Abstellanlage für ICE-Züge im Bereich Eidelstedt-Ost mit acht Abstellgleisen angrenzend an das ICE-Werk. © Deutsche Bahn | Vössing Ingenieurgesellschaft mbH

Ein Angebot, was aus dem Zuschauerraum teilweise mit Gelächter quittiert wurde. „Diese Anlage wird das Gebiet total verändern“, prognostizierte ein Anwohner. Die Angst gehe um vor „permanenter Lärmbelästigung, Verschlechterung der Lebens- und Freizeitqualität und einem Wertverlust der Grundstücke.“ Die Bahn habe jahrelang den Bau der Anlagen geplant, sei jedoch nicht proaktiv auf die Bewohner zugegangen. Stattdessen habe man von Beginn alles dafür getan, dass es möglichst wenig Einwendungen gegen das Projekt gibt. Sein Fazit: Die Bahn „könnte deutlich mehr für die Bewohner tun.“

Bahn-Vertreter Stephan Virnik betonte dagegen, dass sein Unternehmen mit offenen Karten spiele und an einem Dialog mit den Anwohnern interessiert sei. Der Bahnvertreter sagte immerhin auf Nachfrage zu, dass die Hupen der ICE-Züge nicht, wie es früher an anderen Standorten üblich war, während der Nacht in der Abstellanlage getestet würden. Das werde künftig auf freier Strecke passieren.

ICE-Abstellanlage: Lichtemissionen sieht die Bahn als unproblematisch an

Und auch das von Anwohnern angesprochene Problem möglicher Lichtemissionen sieht das Unternehmen nicht. „Wir glauben nicht, dass das zum Thema wird“, so Projektleiter Sternberg. Die Lampen würden nach unten gerichtet, man nutze Masten in drei verschiedenen Höhen. Kein Lampenmast werde höher sein als die Lärmschutzwand.

Aktuell ist die Bahn dabei, die 100 Einwendungen der Bürger zu bearbeiten und ihrerseits dazu Stellung zu nehmen. Die Einwendungen und die Stellungnahmen gehen dann an das Eisenbahnbundesamt als Genehmigungsbehörde. Gleiches geschieht mit den Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange (TÖB) und der Gemeinde sowie den Repliken der Bahn.

Bahn rechnet im September mit der Genehmigung der Projekte

Die Bahn will diese Schritte in zwei Monaten abgeschlossen haben. Dann ist das Eisenbahnbundesamt am Zug, das vermutlich noch einen Erörterungstermin ansetzen wird. Dieser Termin würde dazu dienen, sich mit den Einwendungen und den Antworten der Bahn zu befassen.

Nächster Schritt wäre der Planfeststellungsbeschluss durch das Eisenbahnbundesamt, der gleichbedeutend mit einem Baurecht ist. In den Beschluss könnten jedoch auch Auflagen oder Planänderungen einfließen. Die Bahn selbst hält ihre Pläne für „valide und rechtssicher“. Sie rechnet für September mit dem Planfeststellungsbeschluss und würde gerne im Frühjahr 2025 mit dem Bau beginnen.

Die Fertigstellung der ICE-Abstellanlagen ist für das Frühjahr 2027 geplant. Eventuelle Klagen der Anwohner, die sich einen Anwalt genommen haben, könnten diesen Prozess verzögern. Auch die Gemeinde, das betonte Bürgermeister Jan Krohn während des Abends, habe sich rechtlich beraten lassen.

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Im Anschluss an die Veranstaltung stellte der Verwaltungschef klar, dass für die Gemeinde das Wohl ihrer Bürger an erster Stelle stehe. Krohn: „Derzeit wird geprüft, welche rechtliche Möglichkeiten die Gemeinde hat, damit die Lärmminderungsmaßnahmen seitens der Deutschen Bahn erhöht werden.“ Als Beispiel nennt der Bürgermeister eine etwaige Verlängerung von Lärmschutzwänden.

Gemeinde will Gespräche mit der Bahn führen, um mehr Lärmschutz zu erreichen

Parallel zur rechtlichen Prüfung sollten kurzfristig Gespräche mit den Vertretern der Deutschen Bahn geführt werden, um diese Ziele zu erreichen. Krohn: „Insbesondere möchten wir auf die DB einwirken, dass es mit, auf die Gesamtinvestition gerechnet, minimalem Aufwand zu einer deutlich schnelleren und für alle auch besseren Einigung kommt.“

Die Gemeinde überlege auch, ob für den Bereich Am Birkenwäldchen eine Änderung der B-Plan-Ausweisung von einem Misch- in ein reines Wohngebiet Sinn mache. Dieser Prozess könne jedoch mehrere Monate bis hin zu einigen Jahren dauern, und komme daher für die ICE-Abstellanlage zu spät. Krohn: „Wir sind dran und überlegen, welche anderen Möglichkeiten es in diesem Punkt gibt.“ Sobald es neue Erkenntnisse gibt, werde die Öffentlichkeit informiert.