Halstenbek. Zwölf Abstellgleise, vier davon in Halstenbek, sind am Bahnstandort Eidelstedt geplant. Wie die Gemeinde ihre Bürger schützen will.
Im nächsten Jahr sollen die Bauarbeiten starten, 2026 soll die gigantische Abstellanlage für ICE-Züge im Bereich Hamburg-Eidelstedt fertig sein. Entstehen sollen zwölf Abstellgleise mit einer Länge von 400 Metern – vier davon im Ortsgebiet von Halstenbek-Krupunder.
Dort sind die Anwohner alarmiert. Befürchtet werden massive Behinderungen sowie mögliche Schäden während der Bauphase – und eine permanente Lärm- und Lichtbelästigung während des Betriebes, der vor allem nachts stattfinden wird. Am 16. Januar endet die Frist, in der die Anwohner ihre Einwendungen gegen die Pläne erheben können.
ICE-Abstellanlage: Anwohner in Angst, Planungsbehörde ist das Eisenbahnbundesamt
Zuständige Planungsbehörde ist das Eisenbahnbundesamt mit seiner Außenstelle in Hamburg. Die Behörde hatte die Planunterlagen vom 16. November bis 15. Dezember auf ihrer Homepage veröffentlicht. Parallel dazu erhielt die Gemeinde Halstenbek sechs Aktenordner mit Planzeichnungen, Erläuterungen sowie Gutachten, die dort ebenfalls vier Wochen auslagen.
Die Brisanz der Unterlagen – sie wurde den angrenzenden Grundstückseigentümern bewusst, als sie ein Anschreiben der Deutschen Bahn erhielten. Darin kündigte das Unternehmen an, mehrere private Flächen betreten zu wollen, um dort Messungen vornehmen zu lassen.
Als sich der Bauausschuss der Gemeinde zehn Tage vor Weihnachten erstmals mit dem Projekt befasste, kamen etwa 70 Anwohner aus dem Bereich Krupunder zur Sitzung. Am kommenden Donnerstag (19 Uhr, Sitzungsraum Bahnhofstraße 22, ehemaliges Jugendzentrum) steht das Thema erneut auf der Tagesordnung. Es geht um die Stellungnahme der Gemeinde. Sie hat zur Abgabe mehr Zeit als die Anwohner – nämlich bis zum 21. Februar.
Weil es um Bahngelände geht, hat die Gemeinde Halstenbek kein Mitspracherecht
„Es handelt sich um ein Gelände der Deutschen Bahn, die Gemeinde hat kein Mitspracherecht“, stellt Bürgermeister Jan Krohn klar. Die Deutsche Bahn will mehr als 100 Millionen Euro in neue Abstellanlagen für ICE-Züge in Hamburg-Eidelstedt und Hamburg-Langenfelde investieren.
In Eidelstedt sollen ein neues Stellwerk sowie zwei Anlagen mit zwölf je 400 Meter langen Gleisen für den ICE-Boxenstopp und den mobilen Check außerhalb der Werkshalle entstehen. Betroffen sind die Bahnkilometer 7440 bis 10.300, wie es in den Planfeststellungsunterlagen des Eisenbahnbundesamtes heißt.
Das Projekt in Eidelstedt gliedert sich in zwei Abschnitte. Der größte Teil betrifft Hamburger Gebiet
Das Projekt gliedert sich in zwei Abschnitte – Eidelstedt-Ost sowie Eidelstedt-Nord. Der größere Teil der Anlage ist im östlichen Bereich geplant. Dort entstehen acht Abstellgleise mit einer Länge von jeweils 400 Metern, eine zweigleisige Wendeanlage mit ebenfalls 400 Meter Länge, weitere Zuführungsgleise und Weichenstraßen zum Anschluss an die bestehenden Gleisanlagen. Auch ist eine Innenreinigungsanlage geplant sowie eine Anbindung an das Straßennetz,
Der zweite Teil der Anlage, von der Bahn Eidelstedt-Nord getauft, befindet sich fast ausschließlich auf Halstenbeker Gebiet. In diesem Bereich sollen vier Abstellgleise von 400 Meter Länge neu gebaut und mit Einrichtungen für die Zuginnenreinigung und einer straßenseitigen Erschließung ausgestattet werden.
Es entstehen weiterhin Beleuchtungs-, Telekommunikations- und Entwässerungseinrichtungen, Leit- und Sicherungstechnik sowie eine Elektrifizierung der Gleise. Außerdem werden Aufenthaltsraum und Sanitäreinrichtungen mit Lagerräumen sowie neue Stützwände gebaut.
Die Abstellanlage wird bis zur Unterführung an der Lübzer Straße in Halstenbek reichen
Die Anlage reicht bis fast zur Unterführung Lübzer Straße. Betroffen sind nahezu alle Straßen im Ortsteil Krupunder, die sich in der Nähe der Bahntrasse befinden. Etwa der Sumpfweg, der Rotdornstieg, die Straße Bickbargen, Am Bahndamm sowie Am Birkenwäldchen, um nur einige zu nennen.
Die Anwohner befürchten vor allem Lärm- und Lichtimmissionen. An- und abfahrende Züge, dauerhaft laufende Klimaanlagen sowie geräuschintensive Reinigungsarbeiten könnten den Halstenbekern den Schlaf kosten. Hinzu kommt die massive Beleuchtung der Anlage, die – so die Befürchtung – taghell in die Häuser und Wohnungen scheinen könnte.
Ein weiteres Thema ist die Lärmentwicklung während der Bauphase sowie eventuelle Schäden, die durch die notwendigen Rammarbeiten entstehen könnten. Laut den Planungen der Bahn sollen die Arbeiten Ende 2024 mit Rodungsmaßnahmen beginnen und insgesamt 27 Monate in Anspruch nehmen.
Rodung der Baufläche soll laut den Planungen ab Oktober dieses Jahres erfolgen
Nach Rodung der Fläche zwischen Oktober 2024 und Februar 2025 beginnt der Neubau außerhalb der heutigen Bahnanlagen. Danach erfolgt sukzessive die Verschwenkung der einzelnen Gleise in den Endzustand. Ziel ist es, die Arbeiten im Werk Eidelstedt und die Verfügbarkeit der Anlagen möglichst durchgängig aufrecht zu erhalten.
Die Anlieferung von Schienen, Schwellen und Schotter sowie Weichen und der Abtransport ausgebauter Schienen und Schwellen ist per Bahn vorgesehen. Alle weiteren Materialien, insbesondere die Erdmassen, Teile der Gleise und die Straßenbaustoffe, werden per LKW angeliefert und abtransportiert. Dies soll alles aus dem Bereich Elbgaustraße erfolgen.
Die Gemeinde, die das Projekt als wichtigen Schritt der Mobilitätswende unterstützt, weist in ihrer Stellungnahme auf möglichen zusätzlichen Lärmschutz hin. Anstatt Lärmschutzwände rund um die Abstellanlage zu bauen, könnten die Schallschutzeinrichtungen an den äußeren südlichen und nördlichen Rand der Bahnanlagen verschoben werden.
Gemeinde Halstenbek sieht die Chance, den Lärmschutz für Anwohner in Krupunder zu verbessern
Laut dem vorgelegten Lärmschutzgutachten der Bahn könnte dies die Situation für die Anlieger deutlich verbessern – auch im Vergleich mit dem jetzt vorherrschenden Zustand.. Allerdings lehnt die Bahn eine solche Maßnahme ab, weil dem „ein unverhältnismäßiger Aufwand“ entgegenstehen würde.
Laut Bahn würden Verschattungen an Grundstücken eintreten und es würden fremde Grundstücke zur Gründung der Lärmschutzwände und zur Bahnentwässerung benötigt. Außerdem müsste eines der vorhandenen Fernbahngleise bis zu sechs Monate gesperrt werden und es wären nächtliche Bauarbeiten vonnöten.
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Die Gemeinde sieht demgegenüber keinen unverhältnismäßigen Aufwand und fordert eine Untersuchung, wie diese Lärmschutzmaßnahme umgesetzt werden könne. Sie biete „die einmalige Chance, weite Siedlungsbereiche entlang des Planfeststellungsbereiches für die Zukunft von Schienenlärm zu entlasten“. Außerdem fordert die Gemeinde eine stärkere Kompensation für die erheblichen Eingriffe in die Natur, von denen auch ein Waldbestand betroffen ist.
Laut einer Bahnsprecherin erfolgt als nächster Schritt die Prüfung und Bearbeitung der eingegangenen Einwendungen von Privatpersonen durch das Eisenbahnbundesamt. Geplanter Baubeginn sei in 2025. „Die Fertigstellung der Anlage ist in Abhängigkeit der Ressourcen von Baufirmen und den Ausschreibungsergebnissen voraussichtlich 2026“, heißt es weiter.
Welche Lärmschutzmaßnahmen erfolgen, wird später kommuniziert
Die Bahn nehme den Schutz der Anwohner vor Lärm ernst. Dazu würden umfangreiche Planungen erfolgen, um entsprechende Lärmschutzmaßnahmen umzusetzen. Welche Maßnahmen konkret erfolgen sollen, könne erst nach erfolgter Genehmigung durch das Eisenbahnbundesamt öffentlich kommuniziert werden.
Mit dem Bau der ICE-Abstellanlagen in Langenfelde und Eidelstedt träge die Deutsche Bahn den steigenden Fahrgastzahlen und dem Bedarf an mehr klimafreundlichem Verkehr auf der Schiene Rechnung. „Neue leistungsfähige Infrastruktur ist nötig, um die Züge der stark wachsenden Fernverkehrsflotte an den wichtigen Knotenpunkten in kurzer Zeit sauber und verkehrstüchtig bereitstellen zu können“, so die Bahnsprecherin weiter.
Die Flotte der ICE-Züge der Bahn soll bis 2030 auf 450 Züge anwachsen
Die ICE-Flotte der Bahn solle bis Ende des Jahrzehnts auf insgesamt rund 450 Züge wachsen. Zum Projekt hat die Bahn eine eigene Webseite eingerichtet, die als Information für die Öffentlichkeit gedacht ist. Sie ist unter https://www.boxenstopp-hamburg.de/aktuelles.html erreichbar.
Die Gemeinde hatte beim Eisenbahnbundesamt gefordert, dass die Bahn während einer öffentlichen Informationsveranstaltung über die Pläne informiert. Das Eisenbahnbundesamt ist dem nicht gefolgt, hat der Bahn jedoch anheimgestellt, eine freiwillige Info-Veranstaltung anzubieten. Ob dies passiert, ist bis dato nicht bekannt.