Pinneberg. Während der Schweigefahrt für ein Todesopfer kommt es in Pinneberg zum Zwischenfall. Nun äußert sich auch die VHH ausführlich.

Es gibt einen guten Rat, wenn jemandem die Hutschnur platzt. Denn nicht selten möchte sich der- oder diejenige sofort an höherer Stelle Luft verschaffen. „Erst einmal drüber schlafen; wenn du dann immer noch sauer bist, kannst du immer noch schreiben“, heißt es dann. So soll „verbrannter Erde“ vorgebeugt und einer gütlichen Gesprächslösung die Tür offen gehalten werden.

Manchmal aber trägt sich das Ganze in umgekehrter Reihenfolge zu. So geschehen nun bei Ulf Brüggmann, Leiter der Pinneberger Sektion des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Eigentlich hatte Brüggmann vergangenen Sonnabend im Anschluss an die Trauerfahrt zum Gedenken an die drei Tage zuvor in Rellingen tödlich verunglückte Radfahrerin sein „Mütchen“ schon gekühlt. „Aber nach intensiven Gesprächen haben wir uns dann doch entschlossen, Anzeige zu erstatten“, sagt Brüggmann.

Trauerfahrt: Fahrer von Linienbus setzt sich zwischen Sicherungsfahrzeug und Fahrradgruppe

Was war passiert? Am Drosteivorplatz hatten sich der Pinneberger ADFC und eine Hamburger Gruppe, die von einer eigenen Trauerkundgebung hergefahren war, gemeinsam mit rund 130 Personen in Bewegung gesetzt. Über den Damm ging es Richtung Rellingen zur Abschlusskundgebung und Installation eines sogenannten „Ghost Bikes“, einem Mahnmal, an der Unfallstelle. Angeführt wurde der Tross von einem Polizeifahrzeug, doch die erhoffte Absicherung durch die begleitenden Ordnungshüter hielt nicht lange vor.

„Die Beamten hatten die Einmündung von An der Berufsschule für den Autoverkehr in den Damm hinein abgesperrt, und ein ADFC-Mitglied wollte diese Sperrung dann übernehmen und dabei auch Autofahrer über die Aktion informieren“, fasst Brüggmann des Erlebte zusammen. „In dem Moment, als sich unser Kollege einem Auto hierfür nähert, fährt ein vom Bahnhof kommender Linienbus des VHH an ihm vorbei in unsere Gruppe hinein – zwischen dem führenden Polizeifahrzeug und mir als erstem Fahrradfahrer.“

Ulf Brüggmann bewertet den Vorfall als verkehrsgefährdend

Für Brüggmann, der abrupt bremsen musste, ein sehr bedenklicher Vorgang. „Das war verkehrsgefährdend, weshalb wir auch schon am Sonnabendabend die VHH per Mail beziehungsweise Kontaktformular von diesem Vorfall in Kenntnis gesetzt haben“, schildert der ADFC-Leiter die Entscheidungsfindung für die dann folgenden Aktionen. „Als wir aber bis Montag immer noch keine Reaktion erhalten hatten, haben wir uns als ADFC zur Anzeige gegen den noch unbekannten Busfahrer entschieden.“

Auf der Pinneberger Hauptwache benannte Brüggmann die begleitenden Beamten wie auch zwei während des Vorfalls neben ihm fahrende Radler als Zeugen. „Wenn sich die Verkehrsbetriebe in den ersten 48 Stunden gemeldet hättet, dann hätten wir das Ganze vielleicht noch auf kleiner Flamme diskutiert und mit denen gemeinsam einen Blick auf ihre Fahrereinweisungen geworfen“, sagte Brüggmann. „Aber nachdem keine Reaktion gekommen war, haben wir gesagt, jetzt müssen wir die harte Tour gehen.“

VHH bedauert das Geschehen, hat aber weder Kenntnis von einer Mail noch einer Anzeige

Eine Entwicklung, die die VHH gegenüber dem Abendblatt bedauern, zumal es möglicherweise einen „Knoten“ im Informationsfluss gab. „Die bisherige Prüfung ergab, dass weder am Sonnabend noch am Sonntag ein Hinweis zu diesem Sachverhalt per Mail bei der VHH über die Postfächer info@vhhbus.de und kundendialog@vhhbus.de eingegangen ist“, teilte die Presseabteilung des Unternehmens mit.

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Unterdessen sind die Verkehrsbetriebe nicht untätig gewesen. „Wir konnten den Fahrer anhand der Angaben nunmehr ermitteln und zu dem Sachverhalt befragen“, teilte Lennart Meyer aus der Presseabteilung der VHH dem Abendblatt mit.

„Der Kollege hat beim Heranfahren an die Kreuzung mit gemäßigter Geschwindigkeit zwar den passierenden Polizeiwagen gesehen, jedoch keine Absperrung des Querverkehrs erkannt und aufgrund des seiner Aussage nach großen Abstands der ersten Fahrradfahrer zum Polizeiwagen sowie der für ihn grünen Ampel den Abbiegeprozess eingeleitet“, gibt der VHH-Sprecher die Einlassung des Busfahrers wieder.

Der VHH-Fahrer habe die Demonstration als solche erst beim Abbiegen erkannt

Dies und die weitere Einlassung könnten geeignet sein, die Wogen zwischen ADFC und VHH ein wenig zu glätten. „Erst im Zuge des Abbiegens erkannte der Fahrer die Demonstration als solche. Die Absperrung der Querstraße durch einen Demonstrationsteilnehmer erfolgte laut dem Kollegen erst im Einbiegen“, erläutert Meyer. „Der Kollege ist bereits seit 15 Jahren Mitarbeitender der VHH und in dieser Zeit unfallfrei in seiner Tätigkeit als Busfahrer.“

Als Nahverkehrsunternehmen stehe Sicherheit für die VHH an erster Stelle sagte der Unternehmenssprecher. Meyer: „Und wir setzen alles daran, Situationen zu vermeiden, in denen potenziell Gefahren für Verkehrsteilnehmende entstehen können. Wir nehmen den Vorfall zum Anlass, den Kollegen noch einmal vertiefend zu diesem Verkehrsszenario zu schulen.“

ADFC mahnt häufiges Fehlverhalten von Berufskraftfahrern an

Genau die Einstellung, die sich Ulf Brüggmann erhofft, die sich aber nicht mit seinen bisherigen Erfahrungen und denen seiner Verbandskollegen deckt. „Es sind immer wieder die Profis, die Berufskraftfahrer, die sich in dieser Hinsicht negativ hervortun“, sagt der ADFC-Mann, der bis kommenden Mittwoch nun einen fahrradfreien Kurzurlaub genießen will. „Und leider sehr häufig sind es dann doch Fahrer von Linienbussen, die uns auffallen.“