Rellingen/Pinneberg. Am vergangenen Mittwoch stirbt eine 55-Jährige in Rellingen, als sie von einem Müllwagen überrollt wird. ADFC organisiert Traueraktion.

Kurz vor 16 Uhr. Rellingen. Am Einmündungsbereich von An der Rellau in den Ellerbeker Weg finden sich immer mehr Passanten ein. Dort zeugen Markierungen auf dem Asphalt von dem tragischen Ereignis, das hier stattfand. Auch eine schwarz gekleidete Gruppe Menschen ist eingetroffen. Sie halten einander in den Armen, die Gesichter zeugen von Schmerz und Trauer. Es sind Angehörige der am vergangenen Mittwoch an dieser Stelle tödlich verunglückten Frau.

Ein schreckliches Bild: Das Fahrrad des Unfallopfers klemmt noch unter dem Müllwagen. Möglicherweise kam das Müllfahrzeug aus der kleinen Seitenstraße An der Rellau am rechten Bildrand und hat die Radfahrerin dort erfasst.
Ein schreckliches Bild: Das Fahrrad des Unfallopfers klemmt noch unter dem Müllwagen. Möglicherweise kam das Müllfahrzeug aus der kleinen Seitenstraße An der Rellau am rechten Bildrand und hat die Radfahrerin dort erfasst. © Florian Sprenger/Westküstennews | Florian Sprenger/Westküstennews

Die 55 Jahre alte Radfahrerin war von einem Müllwagen erfasst worden, als dieser nach links in der Ellerbeker Weg Richtung Rosenkamp einbog. Die Versammelten warten auf das Eintreffen des Fahrradkonvois, der sich von der Pinneberger Drostei hierher auf den Weg gemacht hat. Die Pinneberger Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC) hat zu dieser Gedenkfahrt aufgerufen.

Die Trauerfahrt verspätet sich, um sich mit der Hamburger Gruppe treffen zu können

Aber die Fahrräder sind noch nicht in Sicht; anders als zuerst geplant, warten die Pinneberger am Versammlungsort noch auf das Eintreffen ihrer Hamburger Gruppe. Die hat direkt zuvor aus gleichem Grund an der Holsteiner Chaussee eine Trauerzusammenkunft abgehalten und vereinigt sich nun an der Drostei mit den Pinnebergern, ehe es nach Rellingen geht.

Dann tauchen die Sicherungsfahrzeuge der Polizei auf, kurz danach die Fahrräder. Viele Fahrräder. „Insgesamt haben sich 130 Personen unserer Gedenkfahrt angeschlossen“, sagt der Pinneberger ADFC-Leiter Ulf Brüggmann. „Zu den 80 Mitgliedern aus Pinneberg und den benachbarten Sektionen haben sich uns noch 50 Hamburger angeschlossen.“

Für ein Vierteljahr soll am Laternenmast beim Unfallort das mahnende „Ghost Bike“ stehen

Derweil sind alle Radfahrer eingetroffen, abgestiegen und haben sich vor dem Einmündungsbereich versammelt – alles sehr still. Brüggmann befestigt nun das weiß angemalte, auf einem Lastenfahrrad mitgeführte „Ghost Bike“ am Laternenmast. Ein durch eine Klarsichthülle vor der Witterung geschützter Zettel daran verkündet in großen Ziffern nur ein Datum: ✝ 31. 01. 24.

Dieses „Ghost Bike“ soll nun ein Vierteljahr lang im Einmündungsbereich von An der Rellau in den Ellerbeker Weg an die tödlich verunglückte Radfahrerin erinnern.
Dieses „Ghost Bike“ soll nun ein Vierteljahr lang im Einmündungsbereich von An der Rellau in den Ellerbeker Weg an die tödlich verunglückte Radfahrerin erinnern. © Ulrich Stückler | Ulrich Stückler

Brüggmann ergreift das Wort und bittet um eine Schweigeminute zu Ehren der Toten. Anschließend beendet er die Veranstaltung. Einige Anwesende verharren noch in stiller Andacht; andere stellen Kerzen auf, fotografieren das Mahnmal. Langsam löst sich die Versammlung auf; Brüggmann richtet noch einige Worte an die Hinterbliebenen, bietet Hilfe durch den ADFC an.

Im Sommer 2020 gab es im Bereich Pinneberg den letzten tödlichen Unfall mit Radfahrerbeteiligung

„Das letzte Mal, dass wir hier im Kreis zu diesem traurigen Anlass zusammengekommen sind, war 2020 im Sommer“, erinnert sich anschließend der Pinneberger ADFC-Leiter im Gespräch. „Damals war in der Pinneberger Bismarckstraße ein Radfahrer beim Abbiegen zwischen ein Zugfahrzeug und dessen Anhänger geraten. Die Parallele ist also: Auch da war es ein Großfahrzeug.“

Entsprechend hat Brüggmann zu Veranstaltungsbeginn die Versammelten ermahnt, defensiv zu fahren, immer Rücksicht zunehmen und auch stets mit dem Versagen anderer zu rechnen. Konkret zum tödlichen Unfall von Rellingen will der ADFC nicht vorschnell bewerten und wartet die Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen ab.

An der Unfallstelle hatte es bis vor ein Jahr einen verpflichtenden, aber schmalen Radweg gegeben

„Konkret an dieser Stelle hatten wir bis vergangenes Jahr einen verpflichtenden Radweg für beide Richtungen, obwohl der Weg für gegenläufigen Verkehr nicht breit genug war“, erläutert Brüggmann. „In Abstimmung mit uns sollen Radfahrer hier nun auch auf die Straße, können den Fußweg aber bei gegenseitiger Rücksichtnahme nutzen. Ob und wie nun diese Bedingungen einen Einfluss auf den Unfall hatten, müssen die Ermittlungen zeigen.“

Was geschieht nun weiter, wer zieht welche Lehren aus dem Unglück? „Zuerst befasst sich die Polizei mit dem Unfall, hoffnungsweise wird dann aber eine Meldung an die Verkehrsbehörde Pinneberg ergehen“, sagt Ulf Brüggmann. „Die sind auch für Beschilderungen verantwortlich und müssten gegebenenfalls weitere Schritte einleiten, um diese Straße besser für alle Verkehrsteilnehmer abzusichern.“

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Doch oberste Prämisse zur Unfallverhütung sei das Verhalten der Verkehrsteilnehmer. Ein anschauliches Gegenbeispiel hierfür hatten die ADFC-Angehörigen auch bei dieser Trauerfahrt hinnehmen müssen. „Zwei Polizeifahrzeuge hatten unseren Zug angeführt, diese hat noch in Pinneberg ein Linienbus an der Einmündung von Bei der Berufsschule in den Damm dann auch noch passieren lassen“, resümiert Brüggmann.

„Als dann aber eines unserer Mitglieder die Querstraße weiter absperren wollen, da hat sich der Busfahrer widersetzt“, erinnert sich der ADFC-Leiter weiter: „Er ist mit einem Schlenker an diesem auf der Fahrbahn stehenden Menschen vorbeigezogen und hat sich hinter dem anführenden Polizeifahrzeug und so knapp vor uns ersten Radfahrern eingefädelt, dass wir notbremsen mussten. Ist es denn wirklich so schwer, aufeinander Rücksicht zu nehmen?“