Kreis Pinneberg. Sie werden bepöbelt und angegriffen. Auch darum steht Freitag und Sonnabend der Nahverkehr still. Das sagen die Streikenden selbst.
An diesem Freitag und Sonnabend werden landesweit alle Linienbusse still stehen. Auch im Kreis Pinneberg werden sich wohl rund 1000 Busfahrer von VHH und KViP an diesem Ausstand beteiligen, der auf den KViP-Linien im Kreis und in Elmshorn sogar bis zum Sonntagmorgen anhalten wird.
Die Busfahrer streiken nicht unbedingt für mehr Geld. Sie fordern endlich mehr Entlastung für ihre anstrengende Arbeit mit Schichtdiensten und wenig Ruhepausen. Aber vor allem wünschen sie sich mehr Wertschätzung – von ihren Arbeitgebern und insbesondere von den Fahrgästen.
Streik der Busfahrer: In einer Silvesternacht wurde Degener sogar tätlich angegriffen
„Für viele ist man einfach nur noch eine Nummer. Die Wertschätzung fehlt“, klagt Mike Degener, der täglich Hunderte Fahrgäste zwischen Elmshorn und Seester befördert. „Ich bin immer gern Bus gefahren“, sagt der 56 Jahre alte Elmshorner. „Aber ich weiß nicht, ob ich diesen Beruf heute wieder wählen würde, wenn ich noch mal 20 Jahre alt wäre.“
Der Stress und die Verantwortung für die Fahrgäste seien enorm groß, sagt er. „Du musst ständig auf den Verkehr achten, auf Pünktlichkeit achten und ruckartiges Anfahren und Bremsen vermeiden, damit sich keiner im Bus stößt.“ Fahrgastfreundlicher Fahrstil werde das intern genannt. Aber manche Fahrgäste zeigten dafür kein Verständnis und forderten sie auf, schneller zu fahren.
Horrornacht für Busfahrer ist nur schwer zu vergessen
Einmal, in der Silvesternacht 2019 sei er sogar mal im Bus zusammengeschlagen worden, erzählt Degener. Das war in Klein Nordende. Es war stockdunkel und er hielt an der Bushaltestelle an, aber keiner stieg ein. Als er wieder losfahren wollte, knallte jemand plötzlich an die Scheibe. Degener machte die Tür auf und schon schlug ihm ein junger Mann, rasend vor Wut, mit der Faust ins Gesicht.
Seine Lippe platzte auf, das Auge war blau. Zum Glück sei dann ein Polizeifahrzeug gekommen und hat den Schläger festgenommen. Das Amtsgericht Itzehoe verurteilte den 20-jährigen Täter und wies ihn sogar in die Psychiatrie ein, erinnert sich Degener an diese Horrornacht, die er nicht vergessen kann.
Beleidigungen seien an der Tagesordnung, berichtet ein anderer Busfahrer
Auch Busfahrerkollege Hilmar Oßenbrüggen (51), der für die KViP alle Tages- und Nachtschichten im ganzen Kreis Pinneberg fährt („Ich fahre alles“), kennt solche Situationen. „Als Busfahrer bist du der Prellbock für den Ärger der Fahrgäste“, sagt er und hat dafür auch ein wenig Verständnis.
Wenn Busse ausfielen, weil wegen Krankheit und vor allem wegen des Fachkräftemangels oft zu wenige Busfahrer da seien, meckerten und schimpften diese. „Aber als Busfahrer kann ich daran gar nichts ändern“, sagt Oßenbrüggen. Das verstünde so mancher Zeitgenossen nicht. „Bepöbelt zu werden, ist heute bei uns im Bus leider gang und gäbe.“
Manchmal bleibe dann nichts anderes übrig, als die Polizei einzuschalten. Einmal musste er dabei auch zu einem Täter-Opfer-Ausgleich mit einem Jugendlichen, der ihn schwer beleidigt und den er deshalb angezeigt habe“, berichtet Oßenbrüggen. „Der hat sich dann entschuldigt und ich habe die Anzeige wieder zurückgezogen.“
Bei geteilten Diensten sind Busfahrer oft von 5 Uhr früh bis abends um 20 Uhr im Einsatz
Die Busfahrer sind oft von frühmorgens um 5 Uhr bis abends 20 Uhr ständig auf Achse. Bei solchen sogenannten geteilten Schichten, die die beiden Busfahrer Degener und Oßenbrüggen meist fahren, sind sie morgens drei bis vier Stunden unterwegs, haben dann vier Stunden Pause und steigen am Nachmittag erneut als Fahrer in eine Buslinie, die bis abends dauert. Und nach zehn, elf Stunden Ruhepause und ein wenig Schlaf müssten sie am nächsten Morgen wieder zur Arbeit.
„Das ist schon körperlich sehr belastend“, sagt Busfahrer Oßenbrüggen. „Man muss ja immer hochkonzentriert bei der Sache sein und hat eine enorme Verantwortung für die Sicherheit der Fahrgäste.“ Busfahrerkollege Degener sagt dazu: „Das ist ja kein normaler Bürojob, den wir haben. Wir müssen immer voll zu 100 Prozent dabei sein.“ Das sei ganz schön anstrengend. Und wenn Fahrgäste einen dann noch verhöhnen, dass sie ja nur herum sítzen würden, ärgere sie das, weil das ja einfach nicht stimmt.
Die Busfahrer der KViP fordern eine 35-Stunden-Woche - bei vollem Lohnausgleich
Darum forderten sie endlich mehr Entlastung bei ihrer Arbeit. Die Busfahrer, die wie bei der KViP und der Autokraft im privaten Omnibusgewerbes in Schleswig-Holstein (OVN) organisiert sind, möchten eine 35-Stunden-Woche haben statt der 39 Stunden zurzeit. Bei vollem Lohnausgleich, der sich bei rund 3000 Euro brutto im Monat bewegt. Die Arbeitsschichten sollten nicht länger als zehn Stunden dauern und die Ruhezeiten zwischen den Fahrdiensten mindestens zwölf Stunden betragen. Sie fordern auch Zuschläge, wenn sie sonnabends Bus fahren. Denn im Monat steht ihnen normalerweise nur ein freies Wochenende zu.
Zudem gelte die morgendliche Vorbereitung der Busse, den Geldwechsler holen, die Tachoscheiben einlegen und das Fahrzeug auf seine Tauglichkeit zu kontrollieren, bei der KViP nicht als Arbeitszeit. „Dafür gibt es nur eine Pauschale“, sagt Degener. Und wenn er als Betriebsrat und Mitglied der Tarifkommission zu den Verhandlungen mit dem Arbeitgeberverband nach Kiel fahre, sei er dafür noch nicht einmal freigestellt, sondern müsse sich einen Tag unbezahlten Urlaub dafür nehmen.
Verdi: Wenn die Mobilitätswende gelingen soll, muss der Beruf des Busfahrers attraktiv sein
Wegen der Mobilitätswende soll überall im Land der Öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden, sagt Verdi-Gewerkschaftssekretär Sascha Bähring. Das sei auch gut und richtig so. „Aber dann muss der Beruf des Busfahrers auch attraktiv sein, sonst fängt keiner mehr als Busfahrer an“, sagt er. „Darum ist für uns die 35-Stunden-Woche auch nicht verhandelbar.“
Für die VHH mit ihrem größten Standort in Schenefeld gibt es andere Forderungen von Seiten Verdis. Da gehe es um 32 Urlaubstage im Jahr sowie Dienstlängen von höchstens neun Stunden bei durchgehenden und 13 Stunden am Tag bei geteilten Diensten sowie Ruhezeiten von mindestens elf Stunden, erläutert Verdi-Sekretär Karl-Heinz Pliete.
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Auch ein volles 13. Monatsgehalt wollen die 2500 Busfahrer des VHH einfordern, sagt Betriebsratsvorsitzender Alexander Kauz. Bislang hätten sie nur etwa ein halbes, während die Busfahrer-Kollegen bei der Hamburger Hochbahn immerhin 87 Prozent eines Monatsgehalts im Jahr zusätzlich erhielten. Kauz ist zuversichtlich, dass sie sich damit durchsetzen werden. „Der Organisationsgrad bei uns ist sehr hoch. Wenn ich pfeife, bleiben die Busse stehen.“
Schüler haben wegen des Busfahrerstreiks aber nicht automatisch frei
Schüler können sich wegen des Streiks nicht zwangsläufig auf einen freien Tag freuen. „Es gibt seitens der zuständigen Stellen der Kreise und auch seitens der Schulaufsicht keine Veranlassung, die Schule ausfallen zu lassen“, heißt es dazu aus dem Bildungsministerium in Kiel. stellt David Ermes klar, Sprecher des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Schleswig-Holstein. Schülerinnen und Schülern, die wegen des Streiks nicht zur Schule kommen könnten, werde zwar kein unentschuldigten Fehlen angekreidet. Aber sie sollten die Schule darüber informieren.