Kreis Pinneberg. Zoff vor Gericht: Geschäftsführung der Pinneberger Gesellschaft will Betriebsrat absetzen lassen. Es soll Drohungen gegeben haben.
Dicke Luft bei der Kreisverkehrsgesellschaft in Pinneberg (KViP), die von Uetersen aus mit 21 Buslinien und 150 Busfahrern den Linienbusverkehr in Elmshorn und dem Kreis Pinneberg bis in den Hamburger Westen organisiert. Die Geschäftsführung und ein Teil der Belegschaft will gerichtlich den im April vorigen Jahres für vier Jahre gewählten siebenköpfigen Betriebsrat auflösen lassen.
Ein erster Verhandlungstermin vor dem Arbeitsgericht in Elmshorn blieb ohne Ergebnis. Die zweistündige Verhandlung zeigte aber deutlich auf, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Mitbestimmungsorgan bei der Busgesellschaft ist, die genau seit 30 Jahren besteht und zu 100 Prozent dem Kreis Pinneberg gehört.
HVV: Zoff bei Pinneberger Busbetrieb KViP eskaliert – und landet vor Gericht
Das merkte der Vorsitzende Richter Nohr der dritten Kammer beim Arbeitsgericht gleich zu Beginn der Verhandlung an: „Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ist schwer belastet.“ Sein Vorschlag, den internen Streit außergerichtlich mit Hilfe eines Mediators beizulegen, lehnte die Geschäftsführung ab.
Der Streit schwelt seit gut einem Jahr und dreht sich vor allem um das Mitspracherecht des Betriebsrates am Dienstplan der Busfahrer. So besteht dieser auf einer Vor- und Nachkontrolle der Diensteinteilungen. Dabei würden häufig die gesetzlich und tariflich vorgeschriebenen Ruhezeiten der Busfahrer nicht ausreichend berücksichtigt.
Zoff bei der KViP: Regelwerk ist sehr kompliziert
Da die Geschäftsführung auf diese Hinweise nicht reagiert oder dagegen eingeschritten sei, habe der Betriebsrat auch das Amt für Arbeitsschutz eingeschaltet, erklärt Verdi-Sekretär Andreas Riedl. So sei es im Betriebsverfassungsgesetz geregelt.
Das Regelwerk dazu sei recht komplex und kompliziert, erläutert der Gewerkschaftssekretär. So schreibe die EU-Verordnung vor, dass Busfahrern eine ununterbrochene Pause von Lenkzeiten von 45 Stunden pro Woche zustehe. Diese könnte aber alle zwei Wochen auf 24 Stunden verkürzt werden. Dagegen spreche aber der geltende Tarifvertrag, der eine Ruhezeit von mindestens 35 Stunden in der Woche verlange. Dagegen verstoße die Diensteinteilung bei der KViP regelmäßig, sagt Riedl. Doch: „Das schert die Geschäftsleitung nicht.“
Vorwürfe von Bedrohungen, Beleidigungen und Handgreiflichkeiten
Der Streit mit dem zuständigen Diensteinteiler eskalierte offenbar so weit, dass der Betriebsrat bei der Geschäftsleitung dessen Ablösung forderte, was diese ablehnte. Sogar Vorwürfe von Bedrohungen, Beleidigungen und Handgreiflichkeiten stehen im Raum.
Einige Betriebsratsmitglieder scheinen dabei auch der Schikane ausgesetzt zu sein. So sei er 2014 mit einer Absprache im Arbeitsvertrag ausschließlich für Spät- und Nachtfahrten eingestellt worden, sagte der Betriebsratsvorsitzende Peter Rudolph Jahn vor dem Arbeitsgericht. „Seit ich im Betriebsrat bin, werde ich plötzlich für Frühschichten eingeplant.“
Betriebsrat verschärfte seine Dienstplankontrollen zum Jahresende
Zur Jahreswende 2022/23 kochte der Streit offensichtlich so hoch, dass der Betriebsrat seine Dienstplankontrollen verschärfte. Die Betriebsleitung hätte den Dienstplan für Januar Ende Dezember ohne Rücksprache mit dem Betriebsrat an das Kollegium weitergeleitet. „Das hat den Betriebsrat unnötig unter Zeitdruck gesetzt“, argumentierte dessen Rechtsbeistand Jens Jähne vor dem Arbeitsgericht.
Die Arbeitgeberseite argumentiert, die wahrgenommene Kontrollfunktion des Betriebsrates bei der KViP würde seit September 2022 mehr als 500 Arbeitsstunden monatlich ausmachen und so rund drei Vollzeitstellen binden. Um den unbequemen Betriebsrat loszuwerden, initiierte sie im Frühjahr eine Unterschriftenaktion unter der Belegschaft mit dem Ziel, den Betriebsrat abzusetzen.
Wurden Mitarbeiter von der Betriebsleitung zu Unterschriften gedrängt?
Etwa 50 Mitarbeitende von den 169 Beschäftigten hätten dabei unterschrieben. Wobei viele gar nicht gewusst hätten, worum es gehe und zum Teil ihre Unterschrift wieder zurück gezogen haben, erklärt Verdi-Sekretär Riedl.
Weil für einen solchen Abwahlantrag ein Viertel der Belegschaft notwendig sei, wären vor allem neue Mitarbeitende und sogar umgeschulte Geflüchtete von der Betriebsleitung dazu gedrängt worden, die keinen blassen Schimmer vom deutschen Betriebsverfassungsgesetz hätten, kritisiert Riedl. KViP-Geschäftsführer Thomas Becker möchte sich auf Abendblatt-Anfrage nicht dazu äußern. Er wähnt aber „einen Großteil der Belegschaft“ hinter sich.
Betriebsversammlung hat die Fronten weiter verhärtet
Eine Betriebsversammlung Mitte Juni an einem Sonntag sollte die Wogen glätten. Doch stattdessen hat sie die Fronten zwischen Betriebstrat und Geschäftsführung weiter verhärtet. Weil der Betriebsrat zu Beginn der Versammlung Geschäftsführer Becker bat, zunächst die Mitarbeitenden unter sich beraten zu lassen, bevor er dazu kommen sollte, sieht die Arbeitgeberseite die Kompetenz des Mitsprachegremiums weit überschritten.
Allerdings räumte Becker vor Gericht ein, dass dieses Vorgehen in den Vorjahren durchaus üblich gewesen sei, dass er erst eine Stunde nach Beginn der Betriebsversammlung dazu gekommen sei. „Da hatten Geschäftsführung und Betriebsrat aber auch so ein Verhältnis, dass das kein Problem war“, sagte Becker auf Nachfrage dem Abendblatt. Dieses Vertrauen sei offenbar nicht mehr gegeben. Prokuristin Birgit Ahring sagte vor dem Arbeitsgericht: „Es herrscht eine missliche Stimmung im Unternehmen, die dadurch nicht besser geworden ist.“
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Für Gewerkschaftssekretär Riedl geht es in diesem Verfahren um „Union-Busting“, also die Behinderung des legitimen Mitspracherechts des Betriebsrates. Er fordert die Kreispolitik als Aufsichtsorgan des Arbeitgebers auf, sich für die Arbeitnehmer einzusetzen. „Statt Lösungen aufzuzeigen, wie der Konflikt beigelegt werden könnte, treibt die Geschäftsleitung ihn immer weiter.“ Im Oktober wird eine Entscheidung des Arbeitsgerichts erwartet.