Helgoland. Schon 25 geschwächte Jungtiere mussten diese Saison die Insel und ihre Nachbardüne verlassen – oft auch auf ungewöhnlichen Wegen.
„Nach Helgoland? Auf gar keinen Fall!“ Mit diesen Worten soll sich Michael Janßen gewehrt haben, als ihn die Marine 1993 auf die Insel mitten ins Meer versetzen wollte. Warum das ein Glücksfall für ihn, die Nordsee-Insel und auch die Robben war, wird nun allerdings deutlich.
Vor allem die Badedüne hat es dem gebürtigen Wilhelmshavener angetan. Seit 2010 ist er als Angestellter der Gemeinde der „Dünenchef“. Michael Janßen kümmert sich um Mensch, Tier und Pflanze ebenso wie um den Strand und die öffentlichen Gebäude.
Michael Janßen kümmert sich seit zehn Jahren um geschwächte Robben
Janßen hat zudem den langjährigen Seehundjäger Rolf Blädel beerbt. 2012 nahm der ihn mit auf Schnuppertour. 2013 machte Janßen seinen Jagdschein und legte die weiteren Prüfungen ab, um als Seehundjäger vom Landesamt anerkannt zu werden. Vor zehn Jahren übernahm er dann die Aufgabe komplett.
Der Seehundjäger hat heutzutage nichts mehr mit dem Jagen zu tun. Vielmehr kümmert er sich um verletzte und kranke Tiere. In dieser Saison musste Janßen 25 augenscheinlich geschwächte Tiere aus der Kolonie holen. „Da muss man sehr aufmerksam, nie allein und schnell sein“, erzählt er.
Reedereien und Flieger transportieren die verletzten Tiere
Sobald ein geschwächtes oder verletztes Tier eingefangen wird, muss ein Pflegeplatz auf dem Festland organisiert werden. Doch wie dorthin kommen? Sowohl die Reedereien mit den Seebäderschiffen als auch der Ostfriesische Flugdienst (OFD) sind dabei verlässliche und pragmatische Partner. Aber auch der Seenotkreuzer nahm schon mal ein verletztes Tier mit nach Büsum.
Am Hafen beziehungsweise Flugplatz in Büsum nimmt dann ein Helfer aus der Seehundauffangstation in Friedrichskoog das Tier entgegen. Aber auch in Niedersachsen wird verletzten Tieren geholfen, und zwar in der Station Norddeich.
Toni und Hätti werden als erste ausgewildert
Während die Helgoländer zu den meisten geschwächten Tieren keine besonderen Beziehungen aufbauen, bekommen einige von ihnen in den Seehundstationen sofort Namen. Toni und Hätti, die eine Robbe trägt den Namen der Tochter einer Mitarbeiterin, die andere den der Patin, gehörten zu den ersten Kegelrobben der Geburtensaison 2023/2024, die im November auf der Helgoländer Düne aufgegriffen wurden.
„Die beiden entwickelten sich sehr gut, konnten schnell ins Auswilderungsbecken umziehen und sind die ersten, die die Seehundstation nach erfolgreicher Aufzucht gemeinsam mit weiteren Jungtieren wieder verlassen können“, teilt die Seehundstation mit.
Mehr als 30 Tiere werden in Friedrichskoog aufgepäppelt
Toni wog 36 Kilogramm bei der Abschlussuntersuchung, Hätti brachte stolze 41,7 Kilo auf die Waage. „Beide hatten nun ausreichend Reserven zur Eingewöhnung für das Leben nach der Auswilderung“, sagt die Sprecherin der Einrichtung in Friedrichskoog, Jana Bergmann. Und auch die Robben Lasse, benannt nach dem Namenspaten, und Speedy, die immer ganz schön schnell unterwegs war, durften bereits wieder in die Freiheit.
In den nächsten Wochen folgen weitere Auswilderungen. Derzeit werden gut 30 weitere Kegelrobben-Jungtiere in der Seehundstation gestärkt. Die Geburtenzeit neigt sich zwar dem Ende zu, aber es werden auch in diesen Tagen noch Kegelrobben geboren und verlassene, verletzte oder geschwächte Robben aufgefunden und von den ausgebildeten Seehundjägern an die Station übergeben.
Abgestillte Robben sind selbstständig auf Nahrungssuche
Die bereits abgestillten jungen Kegelrobben in der Nordsee sind inzwischen selbstständig unterwegs. „Um jegliche Störungen der Robben zu vermeiden, sollte ein größtmöglicher Abstand zu den Wildtieren eingehalten werden“, empfehlen die Tierretter.
Beim Fund einer allein liegenden Robbe sollte Folgendes beachtet werden: Robbe nicht anfassen, Hunde fernhalten und weiten Abstand einhalten, und den Seehundjäger, die Seehundstation oder die Polizei benachrichtigen.
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Wichtig zu wissen: Der vom Land Schleswig-Holstein bestellte, speziell geschulte Seehundjäger beurteilt die Situation vor Ort und entscheidet über die weitere Vorgehensweise. Nur Seehundjäger sind berechtigt, die Robben zu bergen und an die Seehundstation Friedrichskoog, die gemäß internationalem Seehundabkommen die einzig berechtigte Aufzucht- und Rehabilitationseinrichtung für Robben in Schleswig-Holstein ist, zu übergeben.
Für den Bereich der Elbe bis nach Wedel und Süderdithmarschen ist Seehundjäger Henning Jürgens, Telefon 0160/8358847, im Einsatz. Das Nationalparkamt hat zudem eine App eingerichtet, über die das Hilfesystem schnell und sicher aktiviert und zum genauen Fundort geleitet werden kann.