Helgoland. Wurfsaison der Kegelrobben geht mit Allzeithoch zu Ende. Etwa 9000 Menschen beobachten das Naturereignis, das dieses Mal anders war.

Von der NordseeinselHelgoland wird ein neuer Babyrekord gemeldet. Dabei geht es nicht um die Insulaner an sich, sondern um die kräftigsten Säugetiere Deutschlands, die mit ihrem weißen Fell zwar schön knuddelig aussehen, aber auch ordentlich zubeißen können: den Nachwuchs der Kegelrobben.

Etwa 900 Jungtiere, so die offiziellen Schätzungen, werden in diesem Winter vornehmlich auf den Stränden der Düne groß gezogen. Die letzte genau Angabe datiert vom 12. Dezember mit 793. Danach lagen die Gruppen zu eng, sodass sich auch die Ranger der Gemeinde sowie die Mitarbeiter vom Verein Jordsand, die gemeinsam die Robben betreuen, noch weiter zurückziehen mussten und nicht mehr genau zählen konnten.

Auge in Auge mit Deutschlands größtem Raubtier

Etwa 9000 Gäste und Insulaner haben sich das in Deutschland einmalige Naturschauspiel in Deutschlands größter Kinderstube der Robben live angesehen. Bereits im November, zu Beginn der Wurfsaison, fuhren nach Angaben von Ulrike Siemens (Tourismuszentrale) 2500 Gäste mit der kleinen Fähre auf die Düne. Die Zahlen steigerten sich in den folgenden Wochen.

Damaris Buschhaus, Leiterin der Naturakademie Jordsand auf Helgoland, beobachtet auf der Düne die Tiere.
Damaris Buschhaus, Leiterin der Naturakademie Jordsand auf Helgoland, beobachtet auf der Düne die Tiere. © Verein Jordsand | Joerg Merkel

Ungewöhnlich war, so Damaris Buschhaus (Leiterin der Naturakademie Jordsand), dass sich die Tiere wegen der starken Winterstürme weit ins Innere der Düne zurückzogen. „Ich bin gespannt, ob die Tiere in der kommenden Wurfsaison bereits von Anfang an so weit in die Düne zurückweichen“, erzählte sie dem Abendblatt.

Besucher nehmen extra angelegte Wege sehr gut an

Sehr zufrieden äußerte sich Damaris Buschhaus über das Verhalten der Besucher. Der extra angelegte Bohlenweg und der Wintererlebnisweg werden sehr gut angenommen. Die Absperrungen würden akzeptiert. „Viele äußern sich dankbar, dass sie die Tiere so nah in der Natur beobachten dürfen“, erzählt die Robben-Betreuerin.

Bis weit auf die Düne haben sich die Kegelrobben und ihr Nachwuchs zurückgezogen. Die meisten Tiere sind bereits beim Fellwechsel.
Bis weit auf die Düne haben sich die Kegelrobben und ihr Nachwuchs zurückgezogen. Die meisten Tiere sind bereits beim Fellwechsel. © Verein Jordsand | Nils Conradt/Verein Jordsand

Dieses Verständnis füreinander sei in den vergangenen Jahren immer mehr gewachsen, sagt auch Michael Janßen. Er ist der Betriebsleiter Düne und musste mit seinem Team in diesem Jahr zahlreiche bei den schweren Sturmfluten demolierte Zäune wieder richten. Mit diesen Gittern wird auch während der Zeit mit den stärksten Geburten am Strand ein geschützter Weg für Gäste bis an die Wasserlinie geschaffen.

Seehundjäger hat 25 geschwächte Tiere in die Seehundstation abgegeben

Janßen hat zudem den langjährigen Seehundjäger Rolf Blädel beerbt. 2012 ging er mit Blädel gemeinsam auf Schnuppertour. 2013 machte Janßen seinen Jagdschein und legte die weiteren Prüfungen ab, um als Seehundjäger vom Landesamt anerkannt zu werden. Vor zehn Jahren übernahm er dann die Aufgabe komplett.

In Sichtweite der Hauptinsel liegen die Robben am Strand. Jetzt sind die Absperrungen am Nord- und Südstrand wieder abgeräumt worden.
In Sichtweite der Hauptinsel liegen die Robben am Strand. Jetzt sind die Absperrungen am Nord- und Südstrand wieder abgeräumt worden. © Michael Rahn | Michael Rahn

Der Seehundjäger hat heutzutage nichts mehr mit dem jagen zu tun. Vielmehr kümmert er sich um verletzte und kranke Tiere. Bislang musste er 25 augenscheinlich geschwächte Tiere aus der Kolonie holen. „Da muss man sehr aufmerksam, nie allein und schnell sein“, erzählt er.

Bei den Jungtieren ist der Fellwechsel im vollen Gange

Die Zahl der geschwächten oder verlassenen Robben steigt nur im Verhältnis zur höheren Zahl der Geburten. Besonders gefährdet sind die Jungtiere in den ersten sechs Wochen. Die Jungtiere haben bei der Geburt ein weißes „Babyfell“, das Lanugo- oder Wollfell, das an Land für die nötige Wärme sorgt.

Während auf Helgoland um die 900 Robbenbabys zur Welt kamen, freut sich Amrum über die einzige Geburt an der Odde.
Während auf Helgoland um die 900 Robbenbabys zur Welt kamen, freut sich Amrum über die einzige Geburt an der Odde. © Verein Jordsand | Verein Jordsand

„Im Wasser saugt sich das Fell schnell voll und erschwert den Tieren das Schwimmen“, erklärt Milena Fischer, Sprecherin des Vereins Jordsand. Auch ist die Wärmeisolation im Wasser nicht mehr gegeben. Manche Kegelrobben-Kühe führen ihre Kälber für einige Zeit ins Wasser, um sie an das kalte Nass zu gewöhnen, holen sie jedoch rechtzeitig wieder heraus.

Fettreiche Muttermilch lässt Nachwuchs schnell wachsen

Die kleinen Robben wiegen bei der Geburt zumeist zehn bis 15 Kilogramm. Die Mutter säugt ihr Kleines in den ersten zwei bis drei Wochen mehrfach am Tag. Der hohe Fettgehalt der Muttermilch sorgt im Normalfall täglich für eine Gewichtszunahme von ein bis zwei Kilogramm, berichten Experten.

Nach der Aufzucht, bei der die Tiere ihr Anfangsgewicht von zehn, 15 Kilogramm innerhalb weniger Wochen mehr als verdreifachen,  müssen die jungen Kegelrobben lernen, sich selbst zu ernähren.
Nach der Aufzucht, bei der die Tiere ihr Anfangsgewicht von zehn, 15 Kilogramm innerhalb weniger Wochen mehr als verdreifachen, müssen die jungen Kegelrobben lernen, sich selbst zu ernähren. © Verein Jordsand | Chiara Haase/Verein Jordsand

Zum Ende der Aufzuchtzeit wiegt das gesunde Jungtier bereits bis zu 50 Kilogramm. In diesen Wochen wechseln die jungen Robben nach und nach ihr Fell, bis es silbrig-bläulich glänzt und dem Fell der Alttiere ähnelt. Auch wenn die jungen Tiere schnell selbstständig handeln müssen, dauert es länger, um geschlechtsreif zu werden.

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Die Kegelrobben-Männchen benötigen dafür etwa sechs Jahren, Weibchen können bereits nach drei bis fünf Jahren Nachwuchs bekommen. Mit dem Ende der Säugezeit wird das Weibchen paarungsbereit. Die Tiere paaren sich an Land, in der Brandungszone oder auch ganz im Wasser.

Auch die Paarung ist wunderbar auf der Düne zu beobachten, wo Michael Janßen und sein Team die meisten Absperrungen bereits fortgeräumt haben und Damaris Buschhaus gemeinsam mit ihren Kollegen auf Mensch und Tier acht geben. Im Februar werden jeweils mittwochs und sonnabends naturkundliche Führungen auf der Düne veranstaltet. Anmeldung nur über die Tourist-Information: 04725/808-808, info@helgoland.de.